Hing seine Kündigung mit der Betriebsratswahl zusammen? Gekündigter Initiator der Wahl sollte nach Wunsch des Arbeitgebers darüber schweigen.
Hing seine Kündigung mit der Betriebsratswahl zusammen? Gekündigter Initiator der Wahl sollte nach Wunsch des Arbeitgebers darüber schweigen.


Damit hatte die Geschäftsführung der Firma AB-EK GmbH im beschaulichen Werdohl im Sauerland nicht gerechnet: Ein Übertragungswagen des Westdeutschen Rundfunk (WDR) stand plötzlich vorm Werkstor, um die interessierte Öffentlichkeit über die zweifelhaften Unternehmermethoden zur Verhinderung der Betriebsratswahl zu informieren. Und es passte dem Firmenchef gar nicht, dass der Wahlinitiator, ein in der IG Metall organisierter Schichtleiter, gegenüber den Journalisten seine fristlose Kündigung mit der geplanten Betriebsratswahl in Verbindung brachte.
 

Aufforderung zur Unterzeichnung einer Unterlassungserklärung

 
„Ich bin mir definitiv sicher, wegen diesem Betriebsrat bin ich gekündigt worden“ sprach der Entlassene in die Mikrofone der wartenden Reporter.
 
Der Arbeitgeber reagierte gereizt und wenig souverän. Eine vorbereitete Unterlassungserklärung sollte der Schichtleiter unterzeichnen. Damit sollte er sich verpflichten, diese Äußerung nicht zu wiederholen. Anderenfalls sollte er eine Geldstrafe in einer vom Gericht festzusetzenden Höhe an den Arbeitgeber zahlen.
 

„Wir lassen uns den Mund nicht verbieten“

 
Das Hagener Büro der DGB Rechtsschutz GmbH, das den IG Metaller rechtlich vertrat, nahm dem Besorgten die Angst: Da der Schichtleiter lediglich seine Meinung wiedergegeben und niemanden beleidigt hatte, gab es keinen Grund, sich zum Stillschweigen zu verpflichten.
 
Deshalb gab es folgende Antwort des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes an den Firmenanwalt: „Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass weder unser Mandant noch andere mit der Betriebsratswahl der Firma AB-EK Entlackungs GmbH befasste Personen sich von Ihrer Partei den Mund verbieten lassen.“
 

Erfolgreiche Klage gegen fristlose Kündigung

 
Gegen die fristlose Kündigung der Firma AB-EK erhob der DGB Rechtsschutz Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Iserlohn. Mit Erfolg!
 
Zu offensichtlich und nur vorgeschoben waren die Kündigungsgründe, um die geplante Betriebsratswahl zu verhindern: Der Metaller soll im Rahmen einer Auseinandersetzung über geänderte Schichtpläne seinen Produktionsleiter als „Diktator“ und „Tyrann“ bezeichnet und auch von „Sklavenarbeit“ gesprochen haben. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses  - so der Arbeitgeber -  sei absolut unzumutbar!
 

Auflösungsantrag nach § 9 Kündigungsschutzgesetz

 
Was selbstverständlich auch den Arbeitsrichtern nicht verborgen blieb: Der gekündigte Schichtleiter hatte nach diesem ach so schweren Vorfall, den er zudem anders darstellte, noch 10 Tage beanstandungslos weitergearbeitet, ohne dass der Vorfall auch nur ein einziges Mal angesprochen worden war. Erst als er die Einladung zur Betriebsversammlung geschrieben hatte, fiel dem Arbeitgeber die Schwere des Vergehens wieder ein. Erst jetzt kündigte er.
 
Und weil er eine Weiterbeschäftigung des Wahlinitiators für absolut unzumutbar hielt, stellte er zudem einen Auflösungsantrag nach § 9 Kündigungsschutzgesetz (KSchG).
Mit diesem Auflösungsantrag machten die Iserlohner Arbeitsrichter kurzen Prozess: Bei einer fristlosen Arbeitgeberkündigung kann nämlich allenfalls der Arbeitnehmer einen Auflösungsantrag stellen, nicht jedoch auch der Arbeitgeber. Dieser Antrag wurde abgewiesen.
 

Kündigungsgründe überzeugten nicht

 
Und auch die Gründe für die fristlose Kündigung überzeugten das Arbeitsgericht Iserlohn nicht: Es bedürfe, so die Richter, nicht einmal einer Beweisaufnahme zur Ermittlung des tatsächlichen Geschehens.
 
Denn selbst bei Richtigkeit der Behauptungen des Arbeitgebers lägen keine Beleidigungen vor, sondern allenfalls „despektierliche“ Äußerungen. Und dies reiche keinesfalls für eine fristlose Kündigung, zumal der Schichtleiter ja noch bis zu seinem Einladungsschreiben weitergearbeitet habe.
 

Besonderer Kündigungsschutz für den Einlader zu einer Wahlversammlung

 
Da der Metaller als Einlader zu einer Wahlversammlung den besonderen Kündigungsschutz des § 15 Absatz 3a KSchG genoss, war eine fristgerechte Kündigung ausgeschlossen. Seiner Klage wurde in vollem Umfang stattgegeben.
 
Wieder einmal hat ein Arbeitsgericht zutreffend erkannt, dass die vom Arbeitgeber ins Feld geführten Kündigungsgründe nur vorgeschoben waren, um den „Rädelsführer“  bei der beabsichtigten Betriebsratswahl zu eliminieren, um auf diese Weise die gesamte Wahl zu verhindern.
 

Schichtleiter wurde in den Betriebsrat gewählt

 
Bei der Firma AB-EK Entlackungs GmbH scheiterte der Arbeitgeberplan vollständig: Die Betriebsratswahl konnte ohne weitere Behinderungen durchgeführt werden. Der Schichtleiter wurde mit einem überzeugenden Wahlergebnis in den Betriebsrat gewählt.
 
Der Arbeitgeber  - uneinsichtig wie allzu viele -  mochte sich mit den erstinstanzlichen Urteil des
Arbeitsgerichts Iserlohn nicht abfinden und legte Berufung beim Landesarbeitsgericht Hamm ein. Im Rahmen des Berufungsverfahrens einigten sich die Parteien. Der Schichtleiter sah seine berufliche Zukunft bei einem anderen Arbeitgeber.
 

Die strafbewehrte Unterlassungserklärung scheiterte

 
Von dem Versuch, dem Wahlinitiator per strafbewehrter Unterlassungserklärung den Mund zu verbieten, war nie wieder die Rede.
 
Dies war ganz offensichtlich nur ein weiterer Baustein bei der Arbeitgebertaktik zur Verhinderung der Betriebsratswahl und zur Einschüchterung der „Rädelsführer“.


Links:

Urteil des Arbeitsgericht Iserlohn vom 28.02.2017, 2 Ca 1614/16


Unser Repertoire an Vergleichsfällen, in denen Arbeitgeber Betriebsratswahlen zu verhindern oder zu beeinflussen versucht haben, ist leider schier unerschöpflich.

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Das sagen wir dazu:

Dieser Fall zeigt lehrstückhaft die übliche Vorgehensweise von Arbeitgebern zur Verhinderung der Erstwahl eines Betriebsrates: Bereits zum frühestmöglichen Zeitpunkt wird versucht, Sand in das Getriebe der Wahl zu werfen. Dazu scheint es sich vortrefflich zu eignen, den vermeintlichen Rädelsführer herauszupicken und diesen mit unbegründeten, aber durchaus prinzipiell zulässigen Maßnahmen zu attackieren. Eine (wenn auch unbegründete) fristlose Kündigung führt zunächst einmal dazu, den „Rädelsführer“ zu isolieren, zu brandmarken und von der Belegschaft zu trennen. Dabei spielt dem Arbeitgeber die Zeitdauer eines Kündigungsschutzverfahrens in die Karten, denn ein Eilverfahren, eine sogenannte einstweilige Verfügung zur Weiterbeschäftigung ist meist unbegründet. Zur Taktik gehört weiterhin das „Mürbemachen“ wie im vorliegenden Fall der Versuch einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Dadurch wird die Drohkulisse verstärkt.
 
Dieser Fall zeigt aber auch lehrstückhaft, wie sich Betroffene zur Wehr setzen können: Derartige Arbeitgeber scheuen aus gutem Grund die öffentliche Meinung, so dass es sinnvoll ist, wenn Betroffene die Öffentlichkeit suchen. Dadurch wird zudem die ungeheuer wichtige Solidarität erzeugt, die den Betroffenen hilft, die lange Zeit der Ungewissheit zu überstehen.
Und gute Rechtsvertretung durch die Fachleute der DGB Rechtsschutz GmbH ist unverzichtbar. Rechtliche Hilfe sollte unbedingt zum frühestmöglichen Zeitpunkt geholt werden.

Rechtliche Grundlagen

Text von § 9 und § 15 KSchG

§ 9 Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Urteil des Gerichts; Abfindung des Arbeitnehmers

(1) Stellt das Gericht fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

§ 15 Unzulässigkeit der Kündigung

(1) Die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung, einer Bordvertretung oder eines Seebetriebsrats ist unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und dass die nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Nach Beendigung der Amtszeit ist die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung oder eines Seebetriebsrats innerhalb eines Jahres, die Kündigung eines Mitglieds einer Bordvertretung innerhalb von sechs Monaten, jeweils vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit an gerechnet, unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht, wenn die Beendigung der Mitgliedschaft auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht.

(2) Die Kündigung eines Mitglieds einer Personalvertretung, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung oder einer Jugendvertretung ist unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und daß die nach dem Personalvertretungsrecht erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Nach Beendigung der Amtszeit der in Satz 1 genannten Personen ist ihre Kündigung innerhalb eines Jahres, vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit an gerechnet, unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht, wenn die Beendigung der Mitgliedschaft auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht.

(3) Die Kündigung eines Mitglieds eines Wahlvorstands ist vom Zeitpunkt seiner Bestellung an, die Kündigung eines Wahlbewerbers vom Zeitpunkt der Aufstellung des Wahlvorschlags an, jeweils bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und dass die nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes oder nach dem Personalvertretungsrecht erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. 2Innerhalb von sechs Monaten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses ist die Kündigung unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht für Mitglieder des Wahlvorstands, wenn dieser durch gerichtliche Entscheidung durch einen anderen Wahlvorstand ersetzt worden ist.

(3a) Die Kündigung eines Arbeitnehmers, der zu einer Betriebs-, Wahl- oder Bordversammlung nach § 17 Abs. 3, § 17a Nr. 3 Satz 2, § 115 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes einlädt oder die Bestellung eines Wahlvorstands nach § 16 Abs. 2 Satz 1, § 17 Abs. 4, § 17a Nr. 4, § 63 Abs. 3, § 115 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 oder § 116 Abs. 2 Nr. 7 Satz 5 des Betriebsverfassungsgesetzes beantragt, ist vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung an bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; der Kündigungsschutz gilt für die ersten drei in der Einladung oder Antragstellung aufgeführten Arbeitnehmer. Wird ein Betriebsrat, eine Jugend- und Auszubildendenvertretung, eine Bordvertretung oder ein Seebetriebsrat nicht gewählt, besteht der Kündigungsschutz nach Satz 1 vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung an drei Monate.

(4) Wird der Betrieb stillgelegt, so ist die Kündigung der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Personen frühestens zum Zeitpunkt der Stillegung zulässig, es sei denn, daß ihre Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt durch zwingende betriebliche Erfordernisse bedingt ist.

(5) Wird eine der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Personen in einer Betriebsabteilung beschäftigt, die stillgelegt wird, so ist sie in eine andere Betriebsabteilung zu übernehmen. Ist dies aus betrieblichen Gründen nicht möglich, so findet auf ihre Kündigung die Vorschrift des Absatzes 4 über die Kündigung bei Stillegung des Betriebs sinngemäß Anwendung.