Das Arbeitsgericht Weiden hat einen Arbeitgeber zu Zahlung von Schadensersatz und einer Entschädigung wegen sexueller Belästigung verurteilt.

Nach den Vorfällen war die Arbeitnehmerin nicht mehr an ihrem Arbeitsplatz erschienen. Auch den Lohn für diese Zeit muss der Arbeitgeber zahlen.

Entschädigung wegen sexueller Belästigung

Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 1.8.2014 als Bürokraft mit einem monatlichen Arbeitslohn in Höhe von 400 € beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung des Arbeitgebers zum 15.07.2015.


Die Klägerin wehrte sich nicht nur gegen die Kündigung, sondern verlangte von ihrem Arbeitgeber auch Schadensersatz und eine Entschädigung, da sie von ihrem Vorgesetzten sexuell belästigt worden sei, wie auch schon andere Kolleginnen vor ihr. Weiterhin machte sie ausstehenden Lohn geltend, da sie nach der Belästigung nicht mehr gearbeitet hat. Auch den besagten Kollegen verklagte sie auf Schadensersatz.


Der Arbeitgeber wehrte sich gegen die Klage mit der Behauptung, es habe weder gegenüber der Klägerin, noch andere sexuelle Übergriffe gegeben. 


Selbst wenn die von der Klägerin geschilderten Vorfälle zutreffen sollten, könne man dies nicht dem Beklagten anlasten. Es habe keine Hinweise auf irgendwelche Übergriffe des beschuldigten Mitarbeiters gegeben. Außerdem sei die Entschädigungsforderung der Klägerin mit Blick auf die andernorts ausgeurteilten Schmerzensgeldbeträge überzogen.

Gericht erkennt auf sexuelle Belästigung und verurteilt Arbeitgeber

Das Arbeitsgericht Weiden wies die Klage gegen die Kündigung zurück, weil das Kündigungsschutzgesetz auf den Betrieb nicht anwendbar war. Im Übrigen aber gab es der Klägerin Recht.


Die Klägerin sei von ihrem Vorgesetzten sexuell belästigt worden, was dem Beklagten als Arbeitgeber auch zuzurechnen sei. Es bestehe daher ein Anspruch auf Schadensersatz.


Der Vorgesetzte habe die Klägerin von Beginn des Arbeitsverhältnisses an immer wieder auf die Couch in seinem Büro zitiert und sei dort nahe an sie herangerutscht. Er habe sie auch anderweitig immer wieder berühren wollen und berührt, indem er ihr über die Schulter gestreichelt und ihr den Arm um die Hüfte gelegt habe.


Schließlich sei der Vorgesetzte im Büro plötzlich von hinten an die Klägerin herangetreten, als sie einen Ordner aus dem Aktenschrank ziehen musste und habe der Klägerin mit beiden Händen von hinten an die Brüste gefasst und sie dabei umklammert. Nach diesem Vorfall habe die Klägerin geweint und gezittert. Sie sei heimgefahren, nicht mehr an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt und war seitdem arbeitsunfähig.

„Völlig falsches Verständnis zum Umgang mit untergebenen Mitarbeiterinnen“

Die Vorfälle hatten sowohl der Arbeitgeber, als auch der Vorgesetzte abgestritten, deren Aussagen schenke das Gericht jedoch keinen Glauben. Insbesondere die Aussagen des Vorgesetzten ließen das Gericht zu der Einschätzung kommen, dass dieser sein Fehlverhalten gegenüber dem weiblichen Geschlecht verharmlost und/oder verdrängt.


Sofern der Vorgesetze Berührungen sexueller Art zugegeben hat, habe er dies mit der Aufforderung verbunden, die Klägerin solle sich erst an ihn wenden, wenn sie hiermit nicht einverstanden sei. Zudem meinte er, die Klägerin auf die Verschwiegenheitspflicht hinweisen zu müssen. 


Daraus folgte zur Überzeugung der Kammer ein vollkommen falsches Verständnis vom Umgang mit untergebenen Mitarbeiterinnen. Der Vorgesetzte habe gemeint, die Klägerin gleich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses ständig berühren zu müssen und dies als Zeichen der Wertschätzung und „Freundschaft“ ausgelegt. 


Andererseits habe er mögliche Kritik seiner Arbeitnehmerin hieran mit Verweis auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit und die Verschwiegenheitspflicht abgetan. Dieses dramatisch falsche Verständnis vom korrekten Miteinander im Arbeitsverhältnis ließ das Gericht an dessen Glaubwürdigkeit massiv zweifeln.

Umfangreicher Schadensersatz

Verantwortlich sei aber nicht nur der Vorgesetzte, sondern auch der Arbeitgeber, da er unterlassen hatte, geeignete Maßnahmen gegen die Diskriminierung einzuleiten und die Klägerin als Betroffene zu schützen.


Daher hat der Arbeitgeber alle Schäden zu ersetzen, die sich bei der Klägerin daraus ergeben, dass sie der sexuellen Belästigung ausgesetzt war, also etwa Kosten für ärztliche Behandlung.


Daneben erhält sie eine Entschädigung in Höhe von 2.500 €, die ihr der ehemalige Vorgesetzte und der Arbeitgeber zahlen müssen. Die Entschädigungszahlung ist eine Art Schmerzensgeld und soll einen Beitrag dazu leisten, die erlittene Diskriminierung wieder gut zu machen.


Schließlich erhält die Klägerin auch ihren Lohn für die Monate, in denen sie nicht gearbeitet hat. Das Gericht ging davon aus, dass ihr eine Beschäftigung nicht zuzumuten war, solange sie einer Situation ausgesetzt war, in der sie ständig damit rechnen musste, von ihrem Vorgesetzten angefasst zu werden.

Anmerkung

Das Urteil zeigt deutlich, wie umfangreich heute der Schutz vor sexueller Diskriminierung am Arbeitsplatz ist. Der Schadensersatzanspruch deckt die tatsächlich eingetretenen Schäden ab, die der Arbeitnehmerin entstanden sind. Das Zurückbehaltungsrecht erlegt dem Arbeitgeber das Risiko auf, keine Arbeitsleistung von der Arbeitnehmerin zu erhalten und trotzdem den Lohn zahlen zu müssen. 


Und schließlich gibt es eine Entschädigung, die als eine Art Strafzahlung zu werten ist. Bedauerlicherweise setzt sich hier allerdings der Trend fort, wie auch beim allgemeinen Schmerzensgeld, dass deutsche Gerichte in der Höhe sehr zurückhaltend sind, solange es um Zahlungen an Nicht-Prominente geht.


Auch wenn die Entschädigungszahlung eher bescheiden ist – wenn man den Schadensersatz, der in der Höhe noch nicht absehbar ist und das Zurückbehaltungsrecht, dass schnell einige Monatslöhne ausmachen kann, dazu nimmt, kann es für den Arbeitgeber letztlich teuer werden.


Zum Hintergrund: Eine sexuelle Belästigung ist ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, das bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.


Der Arbeitgeber muss die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz seiner Mitarbeiter vor Benachteiligungen treffen, wozu auch vorbeugende Maßnahmen zählen. Hierzu soll der Arbeitgeber in geeigneter Art und Weise, insbesondere im Rahmen der beruflichen Aus- und Fortbildung, auf die Unzulässigkeit solcher Benachteiligungen hinweisen und darauf hinwirken, dass diese unterbleiben.


Die europarechtliche Antidiskriminierungsrichtlinie, die durch das AGG umgesetzt wird, dient gerade dazu, Arbeitgeber dazu anzuhalten, gegen alle Formen der sexuellen Diskriminierung vorzugehen und insbesondere präventive Maßnahmen zur Bekämpfung der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz zu treffen. Eine Verletzung der Schutzpflichten begründet eine Haftung des Arbeitgebers für eigenes Organisationsverschulden, auch wenn die eigentliche Benachteiligungshandlung durch einen anderen Beschäftigten oder einen Dritten begangen wird.


Lesen sie zu diesem Themenkomplex auch unsere Beiträge

 

Mobbing: Schadensersatz und Schmerzensgeld

Unzulässige Fragen im Vorstellungsgespräch

Schwangere erhält Entschädigung


Im Praxistipp: § 3 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) - Begriffsbestimmungen

Rechtliche Grundlagen

§ 3 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) - Begriffsbestimmungen

§ 3 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) - Begriffsbestimmungen

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.