Die seit 2002 in einer Filiale der Drogeriemarktkette Müller als Verkäuferin und Kassiererin tätige Klägerin löste offenkundig Irritationen bei ihrem Arbeitgeber aus. Der Grund hierfür war, als sie nach ihrer Elternzeit die Arbeit aufnahm und ein Kopftuch trug, was in den Jahren zuvor nicht der Fall war.
Klägerin besteht auf Kopftuchbedeckung
Als die Filialleiterin sie erblickte, forderte sie die Klägerin auf, das Kopftuch während der Arbeitszeit abzunehmen. Zugleich wurde ihr mitgeteilt, dass man sie nicht weiter beschäftigen würde wenn sie der Anweisung nicht folgt. Begründet wurde die Aufforderung mit einer betrieblichen Vorgabe, nach der von allen Beschäftigten eine bestimmte, religiös und weltanschaulich neutrale Kleiderordnung zu beachten sei.
Nachdem die Klägerin der Weisung der Filialleiterin nicht nachkam, verweigerte die Beklagte weitere Vergütungszahlungen. Hieraufhin erhob sie Klage beim Arbeitsgericht (ArbGer) Nürnberg. Mit Urteil vom 28. März 2017 verurteilte das ArbGer Müller zur Nachzahlung von zwischenzeitlich nicht gezahlter Vergütung.
Gegen die erstinstanzliche Entscheidung legte die Drogeriemarktkette Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg ein, der kein Erfolg beschieden war. Auch dort war man der Ansicht, dass die Weisung die Arbeitnehmerin aufgrund ihres religiösen Bekenntnisses mittelbar diskriminiere und dies nicht durch betriebliche Entscheidungen gerechtfertigt werden könne.
LAG und EuGH - Rechtsprechung
Wie sich aus der Begründung der LAG - Entscheidung ergibt, haben die Richter*innen einen beachtenswerten Begründungsaufwand betrieben. Dies deshalb, um über die vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) aufgebauten Hürden zu kommen.
Denn der EuGH hatte mit Urteil vom 14. März 2017 zu unternehmensinternen Regelungen, die religiöse Kleidung verbieten, Stellung bezogen und klargestellt, dass diese durchaus gerechtfertigt sein können. Eine Firmenpolitik, so der EuGH, die auf religiöse Neutralität ausgerichtet sei, stelle ein legitimes Ziel dar.
Offenkundig ging das LAG einer Vorlage an den EuGH bewusst aus dem Weg. Man hielt sich ein „Hintertürchen“ auf: Europarechtlich betrachtet liege keine Diskriminierung vor. Denn die Weisung verstoße gegen die grundgesetzlich garantierte Religionsfreiheit, die trotz der EuGH-Rechtsprechung Geltung behalte.
LAG lässt Revision zu
Es gehe daher im Ergebnis daher nicht um die Auslegung von Gemeinschaftsrecht, sondern um die Gewerbeordnung (GewO), der dem Arbeitgeber ein Weisungsrecht einräumt.
Nach alledem liege eine mittelbare Diskriminierung der Klägerin vor, denn die Weisung sei rechtswidrig gewesen und somit die Beklagte verpflichtet, die Nachzahlung der zwischenzeitlich angefallenen Vergütung an die Klägerin zu leisten.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, da das LAG die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen hat. Sollte Müller von diesem Rechtsmittel Gebrauch machen, werden wir weiter über diese Sache berichten.
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