Landesarbeitsgericht spricht einer Bewerberin mit Kopftuch als Lehrerin Entschädigung zu.
Landesarbeitsgericht spricht einer Bewerberin mit Kopftuch als Lehrerin Entschädigung zu.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat einer Klägerin eine Entschädigung zugesprochen, die sich mit Kopftuch um eine Stelle als Grundschullehrerin beim Land Berlin beworben hat.

Ablehnung wegen Kopftuch

Die Bewerbung der Klägerin war abgelehnt worden, nachdem sie erklärt hatte, auch im Unterricht ihr Kopftuch tragen zu wollen. Dabei war klar, dass das Kopftuch Ausdruck ihres muslimischen Glaubens ist.

Das Arbeitsgericht Berlin hatte eine Entschädigungszahlung noch abgelehnt. Die Ablehnung einer muslimischen Bewerberin, die im Dienst als Zeichen ihrer Religionszugehörigkeit ein Kopftuch trage, sei durch das Berliner Neutralitätsgesetz gerechtfertigt gewesen.

Das Neutralitätsgesetz untersagt unter anderem den Lehrkräften in öffentlichen Schulen, religiös geprägte Kleidungsstücke zu tragen. Das Neutralitätsgesetz verstoße auch nicht gegen die Religionsfreiheit.

Landesarbeitsgericht spricht Entschädigung zu

Das Landesarbeitsgericht hat dagegen in der Ablehnung der Bewerberin eine Benachteiligung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gesehen und ihr eine Entschädigung zugesprochen. Das „Berliner Neutralitätsgesetz“ müsse im Lichte der verfassungsrechtlich geschützten Religionsfreiheit ausgelegt werden. Aufgrund der erheblichen Bedeutung der Glaubensfreiheit sei ein generelles Verbot unzulässig. Zulässig wäre ein Verbot nur dann, wenn eine konkrete Gefährdung bestünde, wovon freilich auch das Land Berlin selbst nicht ausgehe. Das Landesarbeitsgericht hat unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls eine Entschädigung in Höhe von zwei Monatsgehältern der Lehrerstelle festgesetzt. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde zugelassen.

Direkt zur Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg zum Urteil vom 09.02.2017,  Az. 14 Sa 1038/16

 

Lesen sie auch unsere Beiträge

Pauschales Kopftuchverbot für Lehrer ist verfassungswidrig
Kopftuchverbot für Rechtsreferendarin unzulässig
Kopftuch im Kindergarten

Das sagen wir dazu:

Das Urteil unterscheidet sich insofern von anderen Urteilen zur Diskriminierung, als dass hier nicht nur eine einzelne Maßnahme, sondern ein ganzes Gesetz Grundlage der Diskriminierung war. Auch wenn das Landesarbeitsgericht das Gesetz nicht für verfassungswidrig erklären durfte, so hat es seine Anwendung aufgrund der restriktiven Auslegung doch auf ein Minimum reduziert.

Die Alternative wäre gewesen, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage der Verfassungsmäßigkeit vorzulegen. Nachdem aber auch die Revision zugelassen ist, ist eine höchstrichterliche Klärung immer noch möglich.

Außerdem scheint sich eine leichte Tendenz abzuzeichnen, wonach Diskriminierung bei der Einstellung mit einer Entschädigungszahlung von zwei Monatsgehältern bedacht werden. Auch andere Obergerichte haben in jüngster Zeit so entschieden (Entschädigungszahlung wegen Benachteiligung eines Schwerbehinderten
Abschreckende Einladung zum Vorstellungsgespräch diskriminiert behinderten Bewerber)

 

Der Gesetzgeber bemisst eine mögliche Entschädigung mit bis zu drei Monatsgehältern, auch diesen Rahmen hat das Bundesarbeitsgericht schon ausgeschöpft (Entschädigung wegen Diskriminierung eines Schwerbehinderten).

Rechtliche Grundlagen

§ 15 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

Entschädigung und Schadensersatz
(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.