Bundesarbeitsgericht  legt Europäischen Gerichtshof  Frage vor, ob Kirchen die Konfession des Bewerbers zur Einstellungsvoraussetzung machen dürfen
Bundesarbeitsgericht legt Europäischen Gerichtshof Frage vor, ob Kirchen die Konfession des Bewerbers zur Einstellungsvoraussetzung machen dürfen

Das Bundesarbeitsgericht hatte einen Fall zu entscheiden, in dem eine Klägerin ein Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) auf Zahlung einer Entschädigung wegen Diskriminierung verklagt hatte.

Konfession als Einstellungsvoraussetzung

Für den beklagten Träger galt die Richtlinie des Rates der EKD über die Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit in der EKD und des Diakonischen Werkes vom 1. Juli 2005. 

Im November 2012 schrieb der Beklagte für das Projekt „Parallelberichterstattung zur UN-Antirassismuskonvention“ eine befristete Referentenstelle aus. Die Ausschreibung enthielt folgende Aussage: 

„Die Mitgliedschaft in einer evangelischen oder der ACK angehörenden Kirche und die Identifikation mit dem diakonischen Auftrag setzen wir voraus. Bitte geben Sie Ihre Konfession im Lebenslauf an.“ 

Die Klägerin, die keiner Konfession angehörte, wurde nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. In einer ersten Bewerbungssichtung des Beklagten war sie dagegen noch im Auswahlverfahren dabei.

Diskriminierung wegen fehlender Religionsangehörigkeit?

Die Klägerin war der Ansicht, sie habe die Stelle wegen ihrer Konfessionslosigkeit nicht erhalten. Dies stelle eine Diskriminierung nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) dar. Dieses verbiete eine Schlechterstellung aufgrund der Religion.

Sie verlangt mit ihrer Klage von dem Beklagten eine Entschädigung nach dem AGG in Höhe von mindestens 9.788,65 Euro.

Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgte die Klägerin ihr Begehren nach Zahlung einer angemessenen Entschädigung weiter.

Bundesarbeitsgericht lässt prüfen, ob Verstoß gegen europäische Richtlinie vorliegt

Das AGG basiert auf einer europäischen Richtlinie gegen Diskriminierung. Deshalb muss das deutsche Gesetz europarechtskonform ausgelegt werden. Das Bundesarbeitsgericht hat den Fall daher dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt.

Nach der zu Grund liegenden Richtlinie können die Mitgliedstaaten in Bezug auf berufliche Tätigkeiten innerhalb von Kirchen besondere Vorschriften erlassen, wonach keine Diskriminierung wegen der Religion darstellt, wenn die Religionszugehörigkeit als berufliche Anforderung angesehen werden muss.

Das Bundesarbeitsgericht fragt nun an, ob für die genannte Stelle als Referent für das Projekt „Parallelberichterstattung zur UN-Antirassismuskonvention“ die evangelische Konfession als eine solche zwingende berufliche Anforderung anzusehen ist.

Ungleichbehandlung durch AGG gerechtfertigt?

In diesem Zusammenhang fragt das BAG weiter, wie es sich mit der Vorschrift des AGG selbst verhält, wonach eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion bei der Beschäftigung bei einer Religionsgemeinschaft auch zulässig ist, wenn eine bestimmte Religion unter Beachtung des Selbstverständnisses dieser Religionsgemeinschaft eine berufliche Anforderung darstellt.

Wenn der EuGH zu dem Ergebnis kommen sollte, dass diese Regelung des deutschen Gesetzgebers gegen die Richtlinie verstößt, so dürfte sie nicht angewendet werden, die Ausnahme wäre nicht anzuwenden.

Für diesen Fall fragt das BAG schließlich, was denn aus Sicht des EuGH als wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung anzusehen sind. Um sich in der Entscheidung des Falles danach richten zu können.

Anmerkung

Die Kirchen haben als Tendenzbetriebe in Deutschland traditionell eine besondere Stellung, die sich aus dem Grundgesetz und den hier inkorporierten Artikeln der Weimarer Reichsverfassung. Sie können eigene arbeitsrechtliche Regelungen aufstellen. Die Ausnahmevorschrift des AGG fußt auf diesem Konzept.

Mit der Vorlage zum EuGH steht also das deutsche Staatskirchenrecht in seiner bisherigen Form auf dem Prüfstand. Man darf gespannt sein, ob der EuGH zu einem weiteren Paukenschlag ausholt, oder ob er die deutsche Sonderregelung bestehen lässt.

Inhaltlich bewegt sich der Beklagte im vorgelegten Fall auf dünnem Eis. Denn ob die Religionszugehörigkeit als solche eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung an die Stelle eines Referenten, zumal in befristeter Anstellung, darstellt, ist eher fraglich.

Sicher ist für die Tätigkeit in einem Anti-Rassismus-Projekt eine gewisse ethische Gesinnung erforderlich, die mit christlichen Wertvorstellungen vereinbar ist. Die Zugehörigkeit zur Kirche selbst ist hierfür wohl nicht notwendig.

Es hätte ausgereicht, wenn der Beklagte diese ethische Grundeinstellung vorausgesetzt hätte, die sich sowohl bei vielen Kirchengliedern, als auch Nichtangehörigen einer christlichen Kirche finden lässt. Möglicherweise hat man hier zu eng gedacht.

Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts zum Beschluss vom 17. März 2016 - 8 AZR 501/14 (A),  Vorlage an EuGH nach Art. 267 AEUV


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Zur Antidiskriminierungsrichtlinie

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Rechtliche Grundlagen

Richtlinie 2000/78/EG ((Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie) des Rates vom 27.11.2000 (Richtlinie 2000/78/EG)

Die Richtlinie des Rates 2000/78/EG vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG Nr. L 303 S. 16), kurz Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie ist eine Richtlinie des Rates, die einen allgemeinen Rahmen für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf festlegt. Sie ist eines der Kernstücke der Gleichstellungspolitik der Europäischen Union.

Art. 4 Berufliche Anforderungen

(1) Ungeachtet des Artikels 2 Absätze 1 und 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass eine Ungleichbehandlung wegen eines Merkmals, das im Zusammenhang mit einem der in Artikel 1 genannten Diskriminierungsgründe steht, keine Diskriminierung darstellt, wenn das betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt.

(2) Die Mitgliedstaaten können in Bezug auf berufliche Tätigkeiten innerhalb von Kirchen und anderen öffentlichen oder privaten Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, Bestimmungen in ihren zum Zeitpunkt der Annahme dieser Richtlinie geltenden Rechtsvorschriften beibehalten oder in künftigen Rechtsvorschriften Bestimmungen vorsehen, die zum Zeitpunkt der Annahme dieser Richtlinie bestehende einzelstaatliche Gepflogenheiten widerspiegeln und wonach eine Ungleichbehandlung wegen der Religion oder Weltanschauung einer Person keine Diskriminierung darstellt, wenn die Religion oder die Weltanschauung dieser Person nach der Art dieser Tätigkeiten oder der Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation darstellt. Eine solche Ungleichbehandlung muss die verfassungsrechtlichen Bestimmungen und Grundsätze der Mitgliedstaaten sowie die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts beachten und rechtfertigt keine Diskriminierung aus einem anderen Grund. Sofern die Bestimmungen dieser Richtlinie im übrigen eingehalten werden, können die Kirchen und anderen öffentlichen oder privaten Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht, im Einklang mit den einzelstaatlichen verfassungsrechtlichen Bestimmungen und Rechtsvorschriften von den für sie arbeitenden Personen verlangen, dass sie sich loyal und aufrichtig im Sinne des Ethos der Organisation verhalten.


Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

§ 9 Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung

(1) Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften, die ihnen zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform oder durch Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Religion oder Weltanschauung zur Aufgabe machen, auch zulässig, wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft oder Vereinigung im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht oder nach der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt.

(2) Das Verbot unterschiedlicher Behandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung berührt nicht das Recht der in Absatz 1 genannten Religionsgemeinschaften, der ihnen zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform oder der Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Religion oder Weltanschauung zur Aufgabe machen, von ihren Beschäftigten ein loyales und aufrichtiges Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses verlangen zu können.