Bei Lohndiskriminierung droht neben Nachzahlung weitere Entschädigungszahlung
Wer aufgrund seines Geschlechts weniger Geld bekommt, hat nicht nur Anspruch auf Nachzahlung, sondern darüber hinaus auch auf Entschädigung wegen Diskriminierung. Dies hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz jetzt entschieden.
Beklagte zahlt weniger Lohn für gleiche Arbeit
Die 1964 geborene Klägerin ist bei der Beklagten, die ihren Sitz in Neustadt/Wied hat und Birkenstock - Schuhe herstellt, seit Oktober 1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Bis Ende des Jahres 2012 zahlte die Beklagte den Frauen einen geringeren Stundenlohn als den ebenfalls in der Produktion tätigen Männern, obwohl diese vergleichbare Tätigkeiten versahen.
Neben der Bruttostundenvergütung erhielten Frauen und Männer noch folgende Leistungen: Anwesenheitsprämie (5% des Bruttostundenlohns), Weihnachtsgeld (40 % des Bruttolohns) und Urlaubsgeld (46,5 % des Bruttolohns). Berechnungsgrundlage hierfür war für die Frauen deren niedrigerer Stundenlohn. Zwischen den Parteien ist es unstreitig, dass die Vergütungsdifferenz im Zeitraum vom 01.01.2009 bis 31.12.2012 9.229,90 EUR betrug.
Spätestens bei einer Betriebsversammlung im September 2012 wurde der Klägerin bekannt, dass bei der Beklagten über Jahre hinweg eine geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung bei der Entlohnung von Frauen und Männern bestand. Zwischen den Parteien ist es streitig ob die Klägerin schon zu einem früheren Zeitpunkt Kenntnis von der Ungleichbehandlung hatte.
Klägerin macht Anspruch auf gleiche Bezahlung geltend
Im Dezember 2012 machte die Klägerin außergerichtlich Ansprüche wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung geltend. In einer zwischen den Parteien am 18.12.2012 geschlossenen Vereinbarung verzichtete die Beklagte auf die Einrede der Verjährung von Ansprüchen, die nicht bereits an diesem Stichtag verjährt waren. Ansonsten erhob sie in dem von der Klägerin am 29.01.2013 anhängig gemachten vorliegenden Klageverfahren die Einrede der Verjährung.
Die Klage der Klägerin auf Zahlung der Differenzvergütung i.H.v. 9.229,90 Euro brutto für die Jahre 2009 bis 2012 und auf eine Entschädigung hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht (ArbGer) Koblenz, Urteil vom 27.08.2013, Az: 9 Ca 373/13 und auch vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz Erfolg.
Landesarbeitsgericht (LAG) spricht Entgelt und Entschädigung zu
In seiner Entscheidung vom 13.05.2015 kam das LAG zu dem Ergebnis, dass die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der Vergütungsdifferenz in Höhe von 9.229,90 Euro brutto nebst Zinsen hat.
Darüber hinaus wurde eine Entschädigung in Höhe von 6.000 Euro wegen Geschlechtsdiskriminierung zuerkannt. Denn die Klägerin sei allein aufgrund ihres Geschlechts schlechter vergütet worden als ihre männlichen Kollegen.
Hierin, so die 5. Kammer des LAG, liege eine unmittelbare geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung, die nicht gerechtfertigt sei. Aufgrund der geschlechtsbezogenen Ungleichbehandlung habe die Klägerin gegen die Beklagte Anspruch auf Nachzahlung der geltend gemachten Differenzbeträge sowohl aus dem Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) als auch aus § 612 Abs. 3 BGB a.F. und aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
Ausschlussfrist des AGG gilt nicht für Entgeltansprüche
Entgegen der Annahme der Beklagten seien die Ansprüche auch nicht nach § 15 Abs. 4 AGG verfallen, da sie keinen Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG geltend gemacht habe, sondern einen Erfüllungsanspruch auf die ihr als Frau vorenthaltenen Leistungen. Dieser Leistungsanspruch stelle keinen Schadensersatzanspruch dar.
Da die Beklagte ihre weiblichen Beschäftigten über Jahre hinweg vorsätzlich im Hinblick auf die Vergütung diskriminierte, wurde dies vom LAG bei der Festsetzung der Entschädigung zu Lasten der Beklagten berücksichtigt.
Das Argument der Beklagten, dass die Entgeltdiskriminierung offen kommuniziert worden sei, vermochte nicht zu verfangen. Das LAG kam zu dem Ergebnis, dass die geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung eklatant rechtswidrig sei. Dass die Ungleichbehandlung offen zu Tage getreten sein soll, schmälere den Unwertgehalt der Diskriminierung nicht.
Anmerkung:
Arbeitgeber die meinen, über Jahre hinweg ungestraft Frauen, die vergleichbare Arbeiten wie Männer erbringen, rechtswidrig finanzielle Leistungen vorenthalten zu können, dürfen sich nicht wundern, wenn sie neben der nachzuzahlenden Vergütung auch noch eine Entschädigung zu zahlen haben.
Leider zeigt die Praxis, dass geschlechtsbezogene Ungleichbehandlungen, die sicherlich auch heute keine Ausnahmen darstellen, oftmals stillschweigend hingenommen und keine Kläger*innen finden.
Es wäre wünschenswert wenn die rechtskräftige Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz dazu führen würde, all denen Mut zu machen die im Verhältnis zu den an ihre männlichen Kollegen gezahlten Vergütungen, ungleich behandelt werden.