Der 1972 geborene Bewerber bewarb sich per Mail am 6. Januar 2020 auf die ausgeschriebene Stelle "(Junior) Key-Account Manager (w/m/d). In der Stellenbeschreibung heißt es unter anderem:
"Wir sind der Berliner Startup A und gemeinsam mit dir möchten wir an unserer Vision des Guten Schlafens arbeiten. Begonnen hat alles Anfang 2017...
Wir suchen...
- relevante Ausbildung oder relevantes Studium, sowie erste Erfahrungen im Bereich Accountmanagement oder Vertrieb...
Wir bieten...
- junges Team mit flachen Hierarchien, das dir echten Gestaltungsspielraum lässt...
Am 7. Januar 2020 erteilte die Beklagte dem Bewerber eine Absage und besetzte die Stelle mit einem anderen Bewerber.
Am 9. März 2020 machte der Bewerber gegenüber der Beklagten Entschädigungszahlungen nach dem AGG i.H.v. mindestens 5.000 Euro geltend. Er begründete diese damit, dass die Beklagte ihn wegen seines Alters benachteiligt habe. Die Verwendung der Worte "junges Team" in der Stellenausschreibung indiziere dies. Nachdem eine außergerichtliche Einigung nicht zustande kam, erhob der Bewerber am 8. Juni 2020 Klage beim Arbeitsgericht Berlin, die erfolglos blieb.
Gegen die erstinstanzliche Entscheidung legte der Kläger Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg ein, welches die Berufung zurückwies und die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) nicht zuließ.
LAG: Kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot
Mit ihrer Entscheidung bestätigten die Richter*innen des Berufungsgerichts die erstinstanzliche Entscheidung. Die Beklagte, so das LAG, hat nicht zu Lasten des Klägers gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen. Daraus ergebe sich, dass die Beklagte nicht zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung verpflichtet werden könne.
Begründet wird die zweitinstanzliche Entscheidung u.a. damit, dass der Kläger eine mittelbare Benachteiligung nicht behauptet habe. Auch sei es nicht zu der von ihm behaupteten unmittelbaren Benachteiligungen gekommen.
Zwar habe der Kläger eine weniger günstige Behandlung erfahren als der Beschäftigte, der nach dem Vortrag der Beklagten vor ihm eingestellt wurde. Diese Benachteiligung, so das Gericht, beruhe jedoch nicht auf einem in § 1 AGG genannten Grund. Die Behauptung des Klägers, seine Bewerbung sei wegen seines Alters erfolglos geblieben, habe er nicht schlüssig vorgetragen. Er könne sich auch nicht gem. § 22 AGG auf die Vermutung stützen, er sei wegen seines Alters benachteiligt worden. Denn Indizien hierfür liegen nicht vor.
Zu Recht gehe das Arbeitsgericht davon aus, dass die Stellenausschreibung der Beklagten keine Formulierungen enthalte, die "auf den ersten Blick" den Anschein erwecken, die Beklagte habe den Arbeitsplatz unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben.
Eine an eine unbekannte Vielzahl von Personen gerichtete Stellenausschreibung, so das LAG, ist nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von durchschnittliche Bewerber verstanden werden kann. Eine solche Person könne die Stellenausschreibung der Beklagten nicht so verstehe, dass diese Mitarbeiter*innen jungen Alters suchte.
Ein solches Verständnis ergebe sich auch nicht daraus, dass die Beklagte im Ausschreibungstext ein "junges Team mit flachen Hierarchien" biete, das echten Gestaltungsspielraum lasse. Zwar könne der Hinweis in einer Stellenausschreibung, wonach die sich bewerbende Person eine intensive Einarbeitung in verschiedenen Abteilungen in einem professionellen Umfeld "mit einem jungen dynamischen Team", so verstanden werden, dass eine Person gesucht wird, die ebenso jung und dynamisch ist wie die Mitglieder des vorhandenen Team. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass es sich bei der Beklagten um ein noch nicht lange existierendes Startup-Unternehmen handele, das am Wachstum arbeite. In diesem Zusammenhang sei die im weiteren Text enthaltene Aussage, die Beklagte biete ein "junges Team mit flachen Hierarchien, dass dir einen echten Gestaltungsspielraum lässt" als Hinweis darauf zu verstehen, dass sie in einer erst seit kurzem bestehenden Belegschaft mit wenigen vorgesetzten Personen einen eigenen Gestaltungsspielraum bei der Mitarbeit an neuen Produkten, deren Vermarktung und neuen Wachstumsstrategien haben.
Dass trotz dieses nahliegenden Verständnisses gleichwohl eine junge Person gesucht werde, so das LAG, könne entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht dem Gesamtzusammenhang der Stellenausschreibung entnommen werden. Die durchgehende Verwendung der zweiten Person ("dir", "deine") sei kein Hinweis darauf, dass jugendliche Personen angesprochen werden, sondern heutzutage eine in vielen großen Unternehmen übliche Art und Weise des vom Alter unabhängigen Ansprechens von Mitarbeitern. Die Verwendung des Wortes „Junior“ in der Stellenbezeichnung, hat nach Auffassung des Berufungsgerichts keinen Bezug zum Lebensalter, sondern zur Stellung in der Hierarchie des Unternehmens.
Kläger legt Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) beim Bundesarbeitsgericht ein
Da das LAG keine Revision zuließ, legte der Kläger eine NZB ein, die derzeit beim BAG unter dem Az: 8 AZN 581/21 anhängig ist. Es bleibt nun abzuwarten, ob das BAG der NZB stattgibt und die Revision zulässt. Sollte dies der Fall sein, was nicht ganz aussichtlos erscheint, werden wir über den weiteren Verlauf des Verfahrens berichten.
Hier finden Sie das Urteil des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 1.Juli 2021 - 5 Sa 1573/20 im Volltext
Rechtliche Grundlagen
Auszüge aus dem Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
§ 1 Ziel des Gesetzes
Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.
§ 7 Abs. 1 AGG
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
§ 7 Benachteiligungsverbot
(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.
§ 11 AGG
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
§ 11 Ausschreibung
Ein Arbeitsplatz darf nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 ausgeschrieben werden.
§ 15 Abs. 1 und 2 AGG
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
§ 15 Entschädigung und Schadensersatz
(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
§ 22 AGG
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
§ 22 Beweislast
Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.