Das Bundesministerium der Justiz hat den Entwurf eines Gesetzes für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, vorgelegt. Der Entwurf für ein Hinweisgeberschutzgesetz soll die Richtlinie 2019/1937 umsetzen. Die Umsetzung hätte bereits bis zum 17. Dezember 2021 erfolgen sollen, was in der alten Bundesregierung jedoch am Widerstand der CDU/CSU scheiterte. Die EU-Kommission hat bereits am 27. Januar 2022 ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen mangelnder Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie eingeleitet.
Es ist grundsätzlich zu begrüßen, dass nun die Umsetzung endlich angegangen wird. Der Referentenentwurf bleibt jedoch in vielen Punkten hinter den Vorgaben der Europäischen Richtlinie zurück und würde in der jetzigen Fassung keinen effektiven Schutz von Hinweisgeber*innen gewährleisten. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften fordern, einen umfassenden effektiven und kohärenten Schutz von Personen zu schaffen, die im beruflichen Kontext Rechtsverstöße aufdecken. Dazu sind selbstverständlich die zwingenden Vorgaben der Richtlinie effektiv umzusetzen. Um systematische Brüche und Wertungswidersprüche zu vermeiden, ist es zudem erforderlich, nicht bei einer 1:1-Umsetzung der Richtlinie stehen zu bleiben.
Der Entwurf verfehlt das Ziel der Richtlinie bei Weitem und ist nicht geeignet, einen umfassenden, effektiven und kohärenten Schutz zu gewährleisten. „Insbesondere sind die Rechte und Interessen von Beschäftigten und ihren Gewerkschaften bislang nur unzureichend gegen Verstöße geschützt“, kritisiert Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied, den Entwurf. „Es bedarf der Klarstellung und ist für den Schutz der Beschäftigten unerlässlich, dass die Rechte der Gewerkschaften in den sachlichen Anwendungsbereich aufgenommen werden.“, so Piel weiter. Ebenfalls nicht unter den sachlichen Anwendungsbereich fallen Verstöße gegen Beschäftigtenrechte, die ausschließlich privatrechtlich geahndet werden. Dazu zählen Verstöße gegen das Urlaubsrecht, gegen das Teilzeit- und Befristungsrecht sowie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Auch die Verletzung der Mitbestimmungsrechte bzw. die Behinderung der betrieblichen Mitbestimmung sollten vollumfänglich und nicht nur eingeschränkt aufgenommen werden. Der Entwurf klammert Missstände aus, die von öffentlichem Interesse sind und keinen Gesetzesverstoß darstellen.
Die Schutzmaßnahmen – das Herzstück eines jeden Hinweisgeberschutzgesetzes – bleiben weitestgehend unreguliert. Wo die Europäische Richtlinie mögliche Repressalien dezidiert auflistet, bleibt es im Referentenentwurf bei der bloßen Nennung des Wortes. Wo die Richtlinie eine Fülle von Instrumenten eröffnet, wird der Gesetzentwurf schmalspurig. Anstatt die Schutzmechanismen rechtssicher und effektiv zu gestalten, gibt der Entwurf vor allem dem Verwaltungsverfahren umfangreich Raum; allein fünf zum Teil sogar widersprüchliche Paragrafen befassen sich mit der Zuständigkeit externer Meldestellen. Stattdessen positioniert der Entwurf im Bußgeldkatalog des Gesetzes die Sanktionierung derjenigen, die „wissentlich eine falsche Information“ offenlegen, noch vor der Sanktionierung zum Schutz derjenigen, die Informationen über echte Verstöße melden. Dies konterkariert die Intention der Europäischen Richtlinie und erklärt möglicherweise, warum die Umsetzung an vielen Punkten lückenhaft ist.
Der Entwurf füllt die Vorgaben der Richtlinie nicht mit Leben, sondern arbeitet an vielen Stellen mit unbestimmten Rechtsbegriffen. Er versäumt es damit, Rechtsklarheit zu schaffen. Effektiver Hinweisgeberschutz setzt aber bestimmte Rechtsbegriffe voraus. Dies gilt besonders für den zentralen Terminus, dass Hinweisgeber*innen eines „hinreichenden Grundes zu der Annahme“ bedürfen, dass sie Informationen weitergeben durften. Der Entwurf verwendet den Begriff an vielen Stellen, definiert jedoch kein einziges Mal, wann ein solcher „hinreichender Grund zu der Annahme“ vorliegen soll.
In der Vergangenheit wurden Whistleblower*innen, die Missstände wie Gammelfleisch, personelle Unterbesetzung in Altersheimen, unzureichenden Arbeitsschutz oder Arbeitszeitverstöße aufgezeigt hatten, immer wieder diskriminiert. Der Gesetzentwurf sollte derartige Praktiken ein für alle Mal unterbinden. Nach dem bisherigen Entwurf ist diese Garantie noch nicht gegeben. Es werden weder alle aufdeckungswürdigen Missstände erfasst noch die hinweisgebenden Personen im Meldeverfahren ausreichend geschützt. Der DGB und seine Mitgliedgewerkschaften fordern, den Entwurf im parlamentarischen Verfahren deutlich nachzubessern.