Bei Entgeltdiskriminierung ist der Lohn nach oben anzupassen.
Bei Entgeltdiskriminierung ist der Lohn nach oben anzupassen.

Die Klägerin war Produktionsmitarbeiterin in einer Schuhfabrik. Bis Ende 2012 zahlte der Arbeitgeber den Frauen bei gleicher Tätigkeit einen geringeren Stundenlohn als den Männern. Dadurch waren auch Sonderzahlungen wie die Anwesenheitsprämie, das Weihnachtsgeld und das Urlaubsgeld geringer.

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit

Die Klägerin erhielt von der Ungleichbehandlung durch eine Betriebsversammlung Kenntnis. Der Arbeitgeber lehnte eine Nachzahlung ab. Daraufhin klagte die Beschäftigte auf den Differenzlohn und eine Entschädigung wegen Diskriminierung.

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz verurteilten den Arbeitgeber zur Nachzahlung des Differenzlohnes der letzten drei Jahre, insgesamt rund 11.000 Euro. Auch bei den Sonderzahlungen musste der Arbeitgeber den Unterschiedsbetrag nachzahlen. Die davor liegenden Zeiträume waren verjährt.

Einen sachlichen Grund für die schlechtere Bezahlung der weiblichen Beschäftigten im Vergleich zu den männlichen gab es nicht. Somit lag eine unmittelbare geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung vor, die nicht gerechtfertigt war.

Differenzlohn ist kein Schadensersatz

Der Arbeitgeber war übrigens dreist genug zu behaupten, die Klägerin könne die Nachzahlung der Vergütungsdifferenz der letzten drei Jahre nicht verlangen. Dies sei ein Schadensersatz und der müsse nach § 15 Abs. 4 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) innerhalb von zwei Monaten geltend gemacht werden.

Das LAG stellte aber klar, dass die Klägerin damit keinen Schadensersatz verlangen würde. Die Klägerin könnte vielmehr einen Erfüllungsanspruch auf Lohnzahlung geltend machen. Sie könne den Lohn nachverlangen, der ihr bislang vorenthalten worden sei.

Neben der Nachzahlung des Lohnes verpflichtete das LAG den Arbeitgeber auch zur Zahlung einer Entschädigung von 6.000 Euro nach § 15 Abs. 2 AGG. Die Klägerin ist durch den geringeren Lohn geschlechtsbezogen diskriminiert worden. 

Das Gericht wurde diesbezüglich erfreulich deutlich. Die Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen sei eklatant rechtswidrig. Zu Lasten des Arbeitgebers berücksichtigte das LAG auch, dass die Diskriminierung unmittelbar erfolgte und vorsätzlich.

Praxistipp: Fristen und Beweise

Wenn es um eine Entschädigung nach dem AGG geht, müssen die Fristen für schriftliche Geltendmachung und Klage (§ 15 Abs. 4 AGG) beachtet werden. Ansonsten ist die Forderung nicht mehr durchsetzbar.

Dem Arbeitgeber ist es untersagt, für gleiche oder gleichwertige Arbeit anhand der in § 1 AGG genannten Kriterien (z. B. zwischen Männern und Frauen) zu differenzieren und unterschiedlich zu entlohnen. Im hiesigen Fall war es einfach, die Diskriminierung nachzuweisen. Schwieriger ist es, wenn zunächst bewertet werden muss, ob die Arbeit tatsächlich gleichwertig ist.

Es liegt regelmäßig im Arbeitgeberinteresse, die Höhe der Bezahlung der einzelnen Beschäftigten geheim zu halten. In vielen Arbeitsverträgen finden sich entsprechende Verschwiegenheitsklauseln. Diese sind regelmäßig unwirksam. Arbeitnehmern kann nicht untersagt werden, untereinander das Gehalt zu vergleichen.

Betriebsrat sorgt für Transparenz

Natürlich hilft hinsichtlich der Entgeltgleichheit von Männern und Frauen ein Betriebsrat. Dieser hat das Recht Einsicht in Bruttolohnlisten der Beschäftigten zu nehmen. 

Dadurch kann er die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kontrollieren und Diskriminierung entgegensteuern. Wie das BAG schon 1998 festgestellt hat: Der Betriebsrat ist Hüter der Lohngerechtigkeit und Transparenz im Betrieb (BAG, 28.04.1998 - 1 ABR 50/97).
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in: „AiB-Newsletter, Rechtsprechung für den Betriebsrat“ des Bund-Verlags, Ausgabe 19/2016 vom 27.07.2016.

 

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 28.10.2015 - Az.:4 Sa 12/14 hier im Volltext

 

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Im Praxistipp: § 15 (Entschädigung und Schadensersatz) Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG)

Rechtliche Grundlagen

§ 15 (Entschädigung und Schadensersatz) Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG)

§ 15 (Entschädigung und Schadensersatz) Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG)

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.