Das Bundesverfassungsgericht verhandelt im Januar darüber, ob das Streikverbot für Beamte noch zeitgemäß ist.
Das Bundesverfassungsgericht verhandelt im Januar darüber, ob das Streikverbot für Beamte noch zeitgemäß ist.


Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) wird am 17. Januar 2018 über vier Verfassungsbeschwerden verhandeln, die sich gegen das Streikverbot für Beamte richten.

Dürfen Beamt*innen streiken?

Die vier beamteten Lehrkräfte hatten in der Vergangenheit mehrfach während der Dienstzeit an Protestveranstaltungen und Streikmaßnahmen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) teilgenommen.

Sie wurden dafür  disziplinarisch belangt, weil die Teilnahme an Streikmaßnahmen aus Sicht der Disziplinarbehörden einen Verstoß gegen die beamtenrechtlichen Pflichten darstellte. Ein Beamter dürfe dem Dienst nicht ohne Genehmigung fernbleiben.

Die Lehrkräfte klagten gegen die Disziplinarmaßnahmen erfolglos vor den Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichten und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Gegen letzteres Urteil legten sie Verfassungsbeschwerde ein, die nun verhandelt wird.

Grundsätze des Berufsbeamtentums vs. Koalitionsfreiheit

Die Beschwerdeführer berufen sich dabei auf ihr Recht auf Koalitionsfreiheit aus dem Grundgesetz. Diese gelte auch für Beamte, jedenfalls soweit diese nicht hoheitlich tätig seien. Dies aber sei bei Lehrern unstreitig nicht der Fall.

Weil sie nicht hoheitlich tätig seien, fänden die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums auf sie keine Anwendung. Jedenfalls sei ein Streikverbot unverhältnismäßig.

In jedem Fall müssten die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, aus denen die Rechtsprechung bisher das Streikverbot herleite, im Lichte des Völkerrechts neu ausgelegt werden. So gewährleiste die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ein umfassendes Streikrecht für Beamte.

Auslegung im Licht des Völkerrechts

Das Streikrecht, das die EMRK als Menschenrecht statuiere, dürfe nicht statusbezogen, sondern nur nach funktionalen Kriterien eingeschränkt werden. Ein Streikverbot könne es daher nur für im engeren Sinne hoheitliche Tätigkeiten die Polizei, Justizvollzug und Militär geben.

Diese Wertung gelte auch im nationalen Recht. Das Streikverbot müsse daher vor dem Hintergrund der jüngeren Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) gegen die Türkei aus den Jahren 2008 und 2009 überdacht werden.

Diese Urteile hatte insbesondere die GEW als Anknüpfungspunkt genutzt, auf ein Grundsatzurteil zum Beamtenstreikrecht hinzuwirken. In den Folgejahren waren rund 10 000 verbeamtete Lehrkräfte den Streikaufrufen der GEW gefolgt.

Viele GEW-Mitglieder haben sich gegen Disziplinarmaßnahmen, die gegen sie verhängt wurden, zur Wehr gesetzt und auch durch die Instanzen geklagt. Bis nach Karlsruhe zum Bundesverfassungsgericht.

Gewerkschaften für den Beamtenstreik

Im Vorfeld der mündlichen Verhandlung sind die Gewerkschaften GEW, ver.di und der DGB vom Verfassungsgericht zu der Thematik gehört worden. In einer gemeinsamen Erklärung haben sie sich für eine Neuinterpretation des Beamtenrechts ausgesprochen.

Dabei soll das Berufsbeamtentum als Institution nicht aufgegeben werden, insbesondere im Hinblick auf die Loyalitätspflicht, den vollen beruflichen Einsatz und die Wahrnehmung der Amtspflichten ohne Ansehen der Person. Es müsse nur um das Streikrecht ergänzt werden.

Die Gewerkschaften haben darauf hingewiesen, dass der EGMR den richtigen Weg aufgezeigt habe. Ein eng gefasstes Streikverbot für Beamte mit rein hoheitlichen Aufgaben genüge völlig aus, alle anderen sollten sich voll auf die Koalitionsfreiheit berufen können.

Links

Rechtliche Grundlagen

Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz; Art. 11 Abs. 1 EMRK

Art. 33 GG
[...]
(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

Art. 11 EMRK
(1) Jede Person hat das Recht, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen; dazu gehört auch das Recht, zum Schutz seiner Interessen Gewerkschaften zu gründen und Gewerkschaften beizutreten.