Das Unionsrecht steht dem nicht entgegen, dass ein Unternehmen und sein Betriebsrat einen Sozialplan vereinbaren, wonach der Anspruch eines Kurzarbeiters auf bezahlten Jahresurlaub im Verhältnis zur Arbeitszeitverkürzung gekürzt wird.

Welcher Sachverhalt lag dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu Grunde?


Die beiden Kläger des Ausgangsverfahrens vor dem Arbeitsgericht Passau streiten mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber über die Forderung einer finanziellen Vergütung für Jahresurlaubstage, die beide in den Jahren 2009 und 2010 nicht hatten nehmen können.

Die Kläger wurde wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten zum Ende Juni 2009 bzw. Ende August 2009 gekündigt. Ihre Verträge waren jedoch aufgrund eines zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat vereinbarten Sozialplans förmlich um ein Jahr verlängert worden. Während dieser Zeit brauchten die Kläger nicht zu arbeiten ("Kurzarbeit Null") und der Arbeitgeber war nicht verpflichtet, ihnen Lohn zu zahlen. Sie erhielten während dessen von der Bundesagentur für Arbeit "Kurzarbeitergeld".

Da der Arbeitgebers meint, dass während der "Kurzarbeit Null" kein Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erworben werden kann, hat das Arbeitsgericht Passau den Rechtsstreit ausgesetzt. Es hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob das Unionsrecht nationalen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten – wie etwa einem von einem Unternehmen und seinem Betriebsrat vereinbarten Sozialplan – entgegensteht, nach denen sich der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub in der Zeit, in der sich das Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet, im Verhältnis zur Arbeitszeitverkürzung der Beschäftigten verringert.

Wie hat der Europäische Gerichtshof entschieden?


Das Unionsrecht steht der Vereinbarung im Sozialplan nicht entgegen, urteilte der EuGH. Die Situation eines Arbeitnehmers, dessen Arbeitszeit im Rahmen eines Sozialplans verkürzt wurde, unterscheidet sich grundlegend von der eines Arbeitnehmers im Krankheitsurlaub, der nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ebenso wie ein aktiver Arbeitnehmer Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub hat.

Im Rahmen einer Arbeitszeitverkürzung sind nämlich sowohl die Pflichten des Arbeitnehmers als auch die des Arbeitgebers im Wege einer Betriebsvereinbarung suspendiert. Außerdem kann der Arbeitnehmer, dessen Arbeitszeit verkürzt wurde, anders als ein erkrankter Arbeitnehmer die gewonnene Zeit nutzen, um sich auszuruhen oder Freizeittätigkeiten nachzugehen. Wäre der Arbeitgeber verpflichtet, während der Kurzarbeit für den bezahlten Jahresurlaub aufzukommen, könnte dies im Übrigen dazu führen, dass er der Vereinbarung eines Sozialplans, der aus rein sozialen Gründen und somit im Interesse des Arbeitnehmers eine Verlängerung des Arbeitsvertrags vorsieht, ablehnend gegenübersteht.

Hingegen ist die Situation eines Kurzarbeiters mit der eines Teilzeitbeschäftigten vergleichbar. Der Gerichtshof weist daher auf seine Rechtsprechung (Urteil vom 22.04.2010, Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols (C-486/08) hin, wonach der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub für eine Zeit der Teilzeitbeschäftigung im Verhältnis zur Arbeitszeitverkürzung gekürzt werden kann.

Das Urteil des EuGH vom 08.11.2012, C-229/11, C-230/11