Neumann ist monatelang arbeitsunfähig. Endlich kommt die Reha. Natürlich wirken sich die vielen Behandlungen positiv aus, doch wie viele Spontanheilungen die Ärzte in Rehakliniken bestätigen, dies verwundert doch.
Plötzlich gesund?
Die Patienten werden gnadenlos gesundgeschrieben. Es gibt einen Kurzentlassungsbericht mit einem harmlos anmutenden Kreuzchen bei: arbeitsfähig.
Neumann fiel aus allen Wolken, als ihm im Abschlussgespräch gesagt wird, er würde arbeitsfähig entlassen. Wenn es überhaupt zuvor mit den Patienten besprochen wird, hören sie manchmal Sätze wie: „Machen Sie doch erstmal Urlaub und dann können Sie ja weitersehen!“
Seit die sogenannten Schontage, die es früher noch nach der Reha gab, weggefallen sind, besteht tatsächlich die Möglichkeit, direkt anschließend an die Reha Urlaub zu nehmen.
Ärzte müssen nicht „Gesund schreiben“
Es besteht allerdings keine Pflicht zum Gesundschreiben: In einem uns vorliegenden Entlassungsbericht hat sogar ein Reha-Arzt im Kurzbericht vermerkt, dass man immer arbeitsfähig entlassen müsse, wenn ein Arbeitsloser mehr als sechs Monate arbeitsunfähig sei. Das sähe das Ministerium so vor.
Fakt ist, dass es Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien gibt, woran sich die Ärzte bei der Attestierung von Arbeitsunfähigkeit halten müssen. Die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Abs. 1 S.2 Nr. 7 SGBV regelt es bei Arbeitslosen (unter § 2 (3)) wie folgt:
„Versicherte, die arbeitslos sind, ausgenommen Arbeitslose bzw. erwerbsfähige Leistungsberechtigte nach Absatz 3a (3a betrifft ALGII-Bezieher), sind arbeitsunfähig, wenn sie krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage sind, leichte Arbeiten in einem zeitlichen Umfang zu verrichten, für den sie sich bei der Agentur für Arbeit zur Verfügung gestellt haben.“
Den Ärzten wird wirklich viel Bürokratie aufgebürdet, aber da scheint ein Arzt etwas gründlich missverstanden zu haben
Anspruch auf Urlaub direkt nach der Reha
Aber zurück zum Urlaubsanspruch: Der Urlaub ist zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer dies im Anschluss an eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation verlangt. Also muss der Arbeitgeber den Urlaub gewähren, er kann nicht - wie sonst wie bei normalen Urlaubsanträgen - dringende betriebliche Gründe entgegenhalten.
Beantragt werden muss der Urlaub so, wie es im Betrieb üblich ist, am besten schon vor Antritt der Reha. Bei Verlängerung müssen dann die neuen Daten mitgeteilt werden.
Gerade wenn man längere Zeit ausgefallen ist, sollte man den Kontakt zum Betrieb halten - also lieber eine Nachricht zu viel an den Arbeitgeber als eine zu wenig. Uns wird in Gerichtsterminen oft vorgehalten, der Betroffene habe ja gar kein Interesse mehr am Betrieb, man habe außer der Krankmeldung nichts gehört.
Neumann schreibt also: „Die Reha dauert planmäßig bis zum … .Falls ich arbeitsfähig entlassen werde, möchte ich meinen Urlaub nehmen von ... bis... und hoffe, danach meine Arbeit wieder aufnehmen zu können. Sollte sich die Reha verlängern, werde ich Sie direkt informieren. Ebenso falls ich arbeitsunfähig entlassen werde.“
Nichts Schädliches offenbaren
Zu viel Offenheit kann aber auch schaden. Daher sollte man besser keine Detailinformation an den Arbeitgeber weiterleiten, die einem nachher schaden können.
Wenn etwa jemand schwere körperliche Arbeit leisten muss und schreibt, dass er sogar drei Bandscheibenvorfälle hat. So etwas ist eine Steilvorlage für eine Kündigung. Denn „Wenn der so Rücken hat, kann der gar nicht mehr zurückkommen“.
Damit spielt man dem Arbeitgeber eine negative Gesundheitsprognose zu, auf die er eine Kündigung aufbauen kann.
Gesund aus der Reha und doch krank. Da lauern Fallstricke
Neumann fühlt sich wirklich besser und will direkt am nächsten Werktag die Arbeit aufnehmen. Die orthopädische Reha hat was gebracht. Als er jedoch am nächsten Morgen aufstehen will, hat er Fieber: Eine Erkältung - es geht nichts. So ein Mist.
Es gelten hier die allgemeinen Informationspflichten. Er muss also wieder sofort den Arbeitgeber informieren und zum Arzt.
Der Arzt stellt jetzt eine Erstbescheinigung aus mit der Folge, dass Neumann dann wieder einen Anspruch auf Lohnfortzahlung gegenüber seinem Arbeitgeber hat.
Wenn die Reha nichts gebracht hat!
Was ist aber, wenn die Reha nichts gebracht hat? Neumann hat den Eindruck, die Behandlungen in der Reha haben „sein Rücken“ eher verschlimmert.
Kann er jetzt trotz des Kreuzchens „arbeitsfähig“ zum Arzt gehen und sich weiter wegen des Rückenleidens krankschreiben lassen? Das ist möglich, wenn der Arzt diese Auffassung teilt.
Um einen nahtlosen Krankengeldanspruch zu gewährleisten, muss jedoch nahtlos krankgeschrieben werden. Früher entstand der Krankengeldanspruch immer erst einen Tag nach der Krankschreibung, so dass man noch am Entlassungstag die Arztpraxis aufsuchen musste, um eine Lücke zu vermeiden.
Nach der neuen Rechtslage reicht es jetzt aus, wenn die Arbeitsunfähigkeit nahtlos bestätigt wird. Wer aus der Reha entlassen wird, muss spätestens am nächsten Tag zum Arzt. Wenn der auf ein Wochenende fällt reicht auch der nächste Montag.
Gesetzliche Voraussetzung: wegen der gleichen Erkrankung.
Diesmal ist Neumann arbeitslos und wegen eines psychischen Leidens schon einige Zeit arbeitsunfähig. Er wird in der Reha dennoch als arbeitsfähig entlassen.
Als der Entlassungstermin feststeht, ruft Neumann sofort noch aus der Reha bei seinem Facharzt an. Der gibt ihm trotzdem nicht direkt für den ersten Tag einen Termin, sondern am darauffolgenden, weil so viel los ist. Auch dies ist ein bekanntes Problem: Beim Facharzt erhält man nicht sofort seinen Wunschtermin.
Dass bei der Arbeitsunfähigkeit keine Lücke entstehen darf, ist Neumann auch klar. Er sucht seinen Hausarzt auf. Der erkennt das Problem nicht, will aber dem Facharzt nicht vorgreifen. Er sieht aber, dass Neumann schwer erkältet ist und schreibt ihn ein paar Tage wegen der Erkältung krank.
Der Facharzt ist anderer Meinung als die Ärzte in der Reha und schreibt ihn ab dem Besuch wieder arbeitsunfähig auf seine psychische Erkrankung. Neumann glaubt sich auf der sicheren Seite. Er ist zwar durchgängig krankgeschrieben, aber eben nicht wegen der gleichen Erkrankung.
Es droht der Verlust von Krankengeldes und sogar Mitgliedschaft
Die Krankenkasse stellt die Krankengeldzahlung ein und erklärt in einem Schreiben die Mitgliedschaft mit dem Entlassungstag für beendet. In einem Nebensatz wird noch an die Agentur für Arbeit verwiesen. Dieses Schreiben enthält die übliche Rechtsmittelbelehrung, dass man binnen eines Monats Widerspruch einlegen kann.
Auch die Agentur für Arbeit weist Neumann ab. Er solle wiederkommen, wenn er gesundgeschrieben sei. Als Kranker sei er nicht vermittelbar. Er habe deshalb keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Neumann ist in Panik, er ist psychisch krank und jetzt die Angst von niemandem Geld zu bekommen. Neumann kommt zu uns und versteht die Welt nicht mehr.
Was zu tun ist
Tatsächlich ist es so, dass die Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenkasse durch Beitragszahlung besteht oder eben, wenn man von dort Krankengeld bekommt. Ist keins von beiden gegeben, erlischt die Mitgliedschaft per Gesetz.
Die Krankenkasse muss also keinerlei Frist einhalten. Auch Neumann wird ihm nachträglich mitgeteilt, dass rückwirkend die Mitgliedschaft beendet sei.
In der Schwebezeit hat Neumann, wenn er bedürftig ist Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Wenn nicht muss er sich sogar selbst versichern. Wenn er sich nicht weiter arbeitsunfähig schreiben lässt und sich dann wieder dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stellt, erhält er wieder Arbeitslosengeld und ist versichert.
Zum Glück hat hier der Facharzt mittels eines Attestes bestätigt, dass Herr Neumann durchgehend auf die Diagnose krank war, die auch die Arbeitsunfähigkeit der letzten Monate bedingte. Die Krankenkasse hat schnell reagiert. Sie hat dem Widerspruch stattgegeben, die Mitgliedschaft weitergeführt und auch weiterhin Krankengeld gezahlt.
Fazit
In diversen Situationen erleben Arbeitnehmer*innen den Ping-Pong zwischen Krankenkasse und Arbeitsagentur. Es kann immer noch schnell passieren, dass Versicherte unverschuldet aus dem System rutschen.
Auch nach Entschärfung des Gesetzes müssen die Arztbesuche und Krankschreibungen unbedingt nahtlos sein. Gerade Kranken fällt es oft schwer, sich nicht von Praxispersonal abwimmeln zu lassen. Hier sind Hartnäckigkeit und Aufmerksamkeit Trumpf. Denn die Diagnose spielt eine Rolle zur Feststellung, wem gegenüber Ansprüche bestehen.
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