Hintergrund ist ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG), wonach ein Prozessvergleich ein neuer Beendigungstatbestand ist, der die ursprüngliche Kündigung ersetzt. Ein Schadenersatzanspruch wurde verneint, da keine Kündigung des Insolvenzverwalters (mehr) vorlag.
Kündigungsfrist drei Monate
Wenn ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, spricht der Insolvenzverwalter sehr häufig Kündigungen aus. Oft haben Arbeitnehmer aber lange Kündigungsfristen. Diese Fristen kann der Insolvenzverwalter abkürzen und mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende kündigen.
Dem Arbeitnehmer kann dadurch ein finanzieller Nachteil entstehen, denn für die Zeit der Kündigungsfrist ist der Insolvenzverwalter verpflichtet, die Vergütung zu zahlen – wenn die Mittel dafür (die sogenannte Masse) ausreichen. Wird die Kündigungsfrist aber verkürzt, muss der Insolvenzverwalter diese Zeit nicht mehr „aus der Masse“ bezahlen.
Schadensersatz ist „Tabellenforderung“
Der Arbeitnehmer hat in solchen Fällen jedoch das Recht, als Insolvenzgläubiger Schadensersatz zu verlangen. Damit geht der Vergütungsanspruch nicht ganz verloren, er rückt aber in der Reihenfolge der Befriedigung sehr weit nach hinten. Der finanzielle Schaden kann nur noch als Forderung zur Insolvenztabelle angemeldet werden. Ob der Insolvenzverwalter wenigstens einen Teil dieser Forderung tatsächlich begleichen kann, stellt sich erst unmittelbar vor dem Ende des Insolvenzverfahrens heraus, oft erst nach mehreren Jahren.
Bundesarbeitsgericht: Prozessvergleich neuer Beendigungstatbestand, der die ursprüngliche Kündigung ersetzt
Der Fall, den das BAG zu entscheiden hatte:
Der Insolvenzverwalter kündigte das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2012, dagegen klagte der betroffene Arbeitnehmer. In einem gerichtlichen Vergleich einigten sich die Parteien darauf, dass das Arbeitsverhältnis erst zum 31.12.2012 beendet wird.
Der Kläger hatte eine tarifliche Kündigungsfrist von sechs Monaten. Diese Frist war durch die Kündigung des Verwalters um drei Monate und durch den gerichtlichen Vergleich um einen Monat verkürzt worden. Der Kläger verlangte deshalb Schadensersatz für drei Monate, hilfsweise für einen Monat.
Die Klage war nicht erfolgreich. Nach Auffassung des BAG steht dem Kläger kein Schadensersatzanspruch zu. Denn das Arbeitsverhältnis ist nicht durch eine Kündigung des Insolvenzverwalters beendet worden, sondern durch einen Prozessvergleich. Nach Ansicht des BAG war die Kündigung damit gegenstandslos geworden. Der Prozessvergleich war ein neuer, eigenständiger Beendigungstatbestand, er hat die ursprüngliche Kündigung ersetzt.
Der Schadensersatzanspruch setzt aber nach dem Wortlaut des Gesetzes eine Kündigung des Insolvenzverwalters voraus – die gab es im vorliegenden Fall nicht mehr, so dass der Anspruch auf Schadensersatz entfiel.
Hinweise für die Praxis: Formulierung wählen, wonach Grundlage für die Beendigung die Kündigung des Insolvenzverwalters ist
Trotz des zitierten Urteils können Vergleiche in Verfahren vor den Arbeitsgerichten geschlossen werden, ohne Schadensersatzansprüche gemäß § 113 Satz 3 Insolvenzordnung zu verlieren.
Es muss aber auf eine eindeutige Formulierung geachtet werden, aus der hervorgeht, dass die Grundlage für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach wie vor die Kündigung des Insolvenzverwalters ist. Sollte im Einzelfall die Kündigungsfrist verlängert werden (zum Beispiel wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung nicht eindeutig ist), sollte versucht werden, im Vergleich festzulegen, dass grundsätzlich ein Anspruch auf Schadensersatz besteht.
Der finanzielle Schaden muss in jedem Fall zur Insolvenztabelle angemeldet werden, auch wenn fraglich ist, ob am Ende Zahlungen erfolgen können oder nicht.
Das ist mit Fristen und anderen rechtlichen Problemen verbunden, deshalb ist es dringend zu empfehlen, Rat und Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Mitgliedsgewerkschaften und die Rechtsschutzsekretär*innen der DGB-Rechtsschutz GmbH stehen dafür selbstverständlich zur Verfügung!
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19.11.2015 – Az.: 6 AZR 558/14 hier im Volltext
Im Praxistipp: § 113 Insolvenzordnung (InsO) Kündigung eines Dienstverhältnisses
Rechtliche Grundlagen
§ 113 Insolvenzordnung (InsO) Kündigung eines Dienstverhältnisses
Ein Dienstverhältnis, bei dem der Schuldner der Dienstberechtigte ist, kann vom Insolvenzverwalter und vom anderen Teil ohne Rücksicht auf eine vereinbarte Vertragsdauer oder einen vereinbarten Ausschluß des Rechts zur ordentlichen Kündigung gekündigt werden. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Monatsende, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist. Kündigt der Verwalter, so kann der andere Teil wegen der vorzeitigen Beendigung des Dienstverhältnisses als Insolvenzgläubiger Schadenersatz verlangen.