Urheber: Mike Richter
Urheber: Mike Richter

Dass Arbeitgeber sich intensiv um die Reintegration erkrankter Mitarbeiter kümmern müssen, ist seit 2001 keine Frage guten Willens, sondern klare gesetzliche Pflichtaufgabe.


Eingliederung ist gesetzliche Pflicht


§ 84 SGB IX bestimmt, dass der Arbeitgeber bei mehr als sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit planmäßig Maßnahmen entwickeln und umsetzen muss, die die Wiedereingliederung des Beschäftigten in die Arbeitsorganisation ermöglichen. Die betriebliche Interessenvertretung, sinnvollerweise auch die Arbeitsschutzorganisation des Betriebes, sind dabei einzubeziehen und sollten den Prozess der Eingliederung unterstützen.


Vielfach sind es ältere Beschäftigte mit längeren, chronischen Erkrankungen, die auf das sog. BEM angewiesen sind. Dass der Arbeitgeber aber bereits einem (hier 1989 geborenen) Auszubildenden ein BEM anbieten muss, verdeutlicht jetzt eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin vom 3. September 2015.


Die Parteien stritten um die Weiterbeschäftigung des Auszubildenden, der als Mitglied der Jugend- und Auszubildenden die Weiterbeschäftigung nach Abschluss der Ausbildung beantragt hatte.


Arbeitgeber lehnt Weiterbeschäftigung wegen häufiger Kurzerkrankungen ab.


Der Arbeitgeber, eine städtische Badeanstalt, lehnte die Weiterbeschäftigung mit der Begründung ab, der angehende Fachangestellte für Bäderbetriebe, habe sich den letzten drei Jahren an jeweils über 60 Tagen arbeitsunfähig gemeldet.


Grund für die häufigen Kurzerkrankungen seien vor allem kurzfristige Infektionen der oberen Atemwege gewesen.


Das Verwaltungsgericht hielt diese Begründung prinzipiell für geeignet, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen, angesichts des Umfangs der Fehlzeiten sei von einer negativen Gesundheitsprognose auszugehen.


Auflösungsantrag des Arbeitgebers scheitert wegen mangelhafter Interessenabwägung.

 

Der Auflösungsantrag des Arbeitgebers scheiterte aber auf der Ebene der Interessenabwägung, die das Gericht ähnlich wie bei einer krankheitsbedingten Kündigung durchführte.


Entsprechend der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung ist das Fehlen eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements hier zulasten des Arbeitgebers zu berücksichtigen, weil die Beendigung der vertraglichen Beziehung als letztes Mittel angesehen wird, dem der Wiedereingliederungsversuch vorausgehen muss.


Ein Ausbildungsverhältnis reicht hierfür bereits nach dem Wortlaut des SGB IX aus. Auszubildende sind genauso wie Arbeitnehmer "Beschäftigte" im Sinne des Gesetzes, für die der Arbeitgeber Aktivitäten zur Reintegration in die betriebliche Organisation ergreifen muss (vgl. dazu 2 Abs. 2 ArbSchG).


Die Entscheidung des VG Berlin ist noch nicht rechtskräftig. Es bleibt abzuwarten, ob der Arbeitgeber Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegt. 

 

Vollständiger Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 3. September 2015, Az.: VG 62 K 4.15 PVL

§ 84 Sozialgesetzbuch - SGB - IX