Im Streit stand eine fristlose personenbedingte Kündigung, die die Stadt Mannheim gegenüber einem Horterzieher ausgesprochen hatte. Hintergrund ist die von rechtsradikalem Gedankengut geprägte Weltanschauung des Erziehers, von der das Gericht nach der Beweisaufnahme überzeugt war. Hinzu kommt eine  dokumentierte Gewaltbereitschaft.

Bezug zum Arbeitsverhältnis gegeben

Es waren zahlreiche Fakten, die das Gericht für seine Überzeugung wertete. Neben Kontakten zur Hooliganszene und der Teilnahme an NPD Kundgebungen, erwies sich auch eine schwerwiegende rechtsextremistische Äußerung des Klägers gegenüber einer Arbeitskollegin, die im Zusammenhang mit einem zu betreuenden Kind erfolgte. Ein weiterer Bezug zum Arbeitsverhältnis ergab sich aus dem Facebook-Profil des Klägers. Dort stellte dieser eine gewalttätige Szene nach und verwendete dafür Spielzeug aus dem Hort.

Abwarten der Kündigungsfrist nicht zumutbar

Das Arbeitsgericht Mannheim hatte keine Zweifel, dass nicht nur ein  personenbedingter Kündigungsgrund vorliegt, sondern dieser auch als wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB zu werten ist. Danach kann aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
Aufgrund der fehlenden Eignung des Klägers für die Tätigkeit als Horterzieher, sei es der Stadt Mannheim nicht zumutbar, den Kläger auch nur einen Tag länger in der Kinderbetreuung einzusetzen.

Erzieher unterliegt politischer Treuepflicht

Im öffentlichen Dienst kann sich ein Eignungsmangel für die geschuldete Tätigkeit aus begründeten Zweifeln an der Verfassungstreue ergeben, wenn durch den Loyalitätsverstoß eine konkrete Störung des Arbeitsverhältnisses eingetreten ist.
Wegen der arbeitsvertraglichen Inbezugnahme des Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes unterlag der Kläger dem Grundsatz der Treue zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes. Darauf stellte das Gericht ab und folgerte daraus, dass dem Erzieher ein Mindestmaß an Verfassungstreue auferlegt werden musste. Keineswegs durfte er davon ausgehen, den Staat, die Verfassung oder deren Organe  verunglimpfen zu dürfen.
Das gilt sowohl für den dienstlichen wie den außerdienstlichen Bereich, wobei sich das Maß der Treuepflicht nach dem konkreten Aufgabenbereich bestimmt.

Tätigkeit als Erzieher führt zu einer gesteigerten Treuepflicht

Und hier ging das Gericht aufgrund der Tätigkeit des Klägers als Horterziehers von einer gesteigerten Treuepflicht aus. Als Erzieher in einer staatlichen Einrichtung waren dem Kläger Kinder im Alter zwischen 6 und 14 Jahren zur Betreuung anvertraut. Der Bereich der Kindererziehung und Betreuung ist ein besonders sensibler Bereich, in dem erhöhte Maßstäbe anzulegen sind, so das Arbeitsgericht.

Der Erzieher wurde als zu Gewalt neigendem Hooligan eingeschätzt, weshalb das Gericht seine Eignung für den Beruf des Kindererziehers als nicht gegeben ansah. Im Ergebnis durfte die Stadt Mannheim das Arbeitsverhältnis fristlos kündigen.

So die Entscheidung des Arbeitsgerichts Mannheim, die noch nicht im Volltext vorliegt. Bekannt ist uns auch noch nicht, ob es zu einem Berufungsverfahren kommen wird. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Anmerkung der Redaktion:

In diesem besonderen Fall begrüßen auch wir als Arbeitnehmervertreter die Entscheidung der Mannheimer Richter. Ein anderes Ergebnis wäre nicht hinnehmbar. Insbesondere gehen wir damit konform, dass der Bereich der Kindererziehung und Betreuung ein besonders sensibler Bereich ist, in dem erhöhte Maßstäbe gelten müssen. Nicht auszudenken, wenn die Richter dem Kläger den Weg dafür geebnet hätten, sein verachtenswertes Gedankengut an die ihm anvertrauten Kinder weiterzugeben.

Ein Kündigungsgrund sollte in einem solchen krassen Fall auch nicht nur für den öffentlichen Dienst und einem Eignungsmangel wegen fehlender Verfassungstreue bejaht werden können. Wie das Gericht den Fall gewertet hätte, wenn der Kläger nicht der politischen Treuepflicht unterlägen hätte, bleibt aber offen.
Das Bundesarbeitsgericht hat dazu entschieden, dass die das Beamtenverhältnis prägenden gesteigerte politische Treuepflicht sich nicht schematisch auf Beschäftigte übertragen ließe, die in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zum öffentlichen Arbeitgeber stehen und denen in der Regel keine hoheitlichen Befugnisse übertragen sind (BAG, Urteil vom 12.05.2011, 2 AZR 479/09).

Nicht uninteressant ist dieser Aspekt: Für das Gericht war es unerheblich, dass die NPD nicht als Partei verboten ist. Auch eine zugelassene Partei wie die NPD könne verfassungsfeindliche Ziele verfolgen, wovon bei der NPD nach Überzeugung des Gerichts auszugehen sei.
Das Bundesarbeitsgericht hatte in der oben genannten Entscheidung aus der Unterstützung der NPD allein keinen Verstoß gegen die Verfassungstreue abgeleitet. Selbst wenn der Kläger erkannt haben mag, so heißt es im Urteil, dass zumindest das beklagte
Land die NPD als verfassungsfeindlich einstuft, könne er durchaus subjektiv der Auffassung sein, nicht selbst derartige Ziele zu unterstützen oder sonst wie auf ein aktives Bekämpfen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes auszugehen und damit jedenfalls (noch) das für die angestrebte Tätigkeit erforderliche Maß an Verfassungstreue aufzubringen.

Update: Landesarbeitsgericht bestätigt ordentliche Kündigung wegen Eignungsmangel

In der Berufung war der Kläger teilweise erfolgreich. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hält es zwar für gerechtfertigt, dass das Arbeitsverhältnis beendet ist, nicht aber durch eine fristlose Kündigung. Die fehlende Eignung des Klägers als Erzieher wird damit bestätigt, nur war es nach dem LAG der Beklagten zumutbar, die Kündigungsfrist abzuwarten. (Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Februar 2016 – 16 Sa 43/15)


Das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 19.05.2015, Az.: 7 Ca 254/14: können Sie hier im Volltext nachlesen.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 12.05.2011, 2 AZR 479/09 im Volltext