Das Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt hat erneut über die Kündigungsschutzklage eines Mitarbeiters des Oberlandesgerichts Naumburg entschieden und diese abgewiesen. Das Verfahren war zwischenzeitlich sogar am Bundesarbeitsgericht gelandet.
Über 1.100 DVDs gebrannt
Der Kläger war „IT-Verantwortlicher“ beim Oberlandesgericht Naumburg, wo er unter anderem das „ADV-Depots“ verwaltete. Zu seinen Aufgaben gehörte es, Datensicherungsbänder, CDs und DVDs zu bestellen.
Im Rahmen einer Geschäftsprüfung wurden auf der Festplatte des vom Kläger genutzten Rechners mehr als 6.400 E-Book-, Bild-, Audio- und Videodateien gefunden. Außerdem war dort ein Programm installiert, mit dem der Kopierschutz des Hersteller umgangen werden konnte.
Im weiteren Verlauf der Untersuchung stellte sich heraus, dass der Kläger insgesamt über 1.100 DVDs bearbeitet hatte, etwa genauso viele, wie er in dem Zeitraum für das Gericht bestellt und geliefert bekommen hatte.
Schlussendlich erklärte das beklagte Land die außerordentliche fristlose, später hilfsweise die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Hiergegen richtete sich die Klage.
Bundesarbeitsgericht: Raubkopieren kann fristlose Kündigung rechtfertigen
Die Klage hatte zunächst Erfolg. Die Urteile des Arbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts wurden jedoch vom Bundesarbeitsgericht aufgehoben. Das Landesarbeitsgericht hatte angenommen, die Kündigungen seien schon deshalb unwirksam, weil unklar sei, welchen Tatbeitrag gerade der Kläger zu den Kopier- und Brennvorgängen geleistet habe.
Dem widersprach das Bundesarbeitsgericht deutlich: Ein Grund für eine fristlose Kündigung könne schon darin liegen, dass ein Arbeitnehmer privat beschaffte Bild- oder Tonträger während der Arbeitszeit unter Verwendung seines dienstlichen Computers unbefugt und zum eigenen oder kollegialen Gebrauch auf dienstliche „DVD-“ bzw. „CD-Rohlinge“ kopiert.
Der Kläger müsse nicht alle fraglichen Handlungen selbst vorgenommen haben. Es reiche aus, wenn er dabei mit anderen Bediensteten zusammengewirkt oder das Herstellen von „Raubkopien“ durch diese bewusst ermöglicht habe.
Landesarbeitsgericht erklärt fristlose Kündigung für wirksam
Das Bundesarbeitsgericht hatte das zweitinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Unter Beachtung der vom Bundesarbeitsgericht gemachten Wertungen hat das LAG die Kündigung für wirksam erklärt. Nach einer umfassenden Beweisaufnahme stand für das Landesarbeitsgericht fest, dass der Kläger privat beschaffte Bild- oder Tonträger während der Arbeitszeit unter Verwendung seines dienstlichen Computers unbefugt und zum eigenen oder kollegialen Gebrauch auf dienstliche "DVD" bzw. "CD-Rohlinge" kopiert hat. Darin sah das Gericht eine erhebliche Pflichtverletzung, durch die das Vertrauensverhältnis endgültig zerstört sei. Auch unter Beachtung der berechtigten Interessen des Klägers sei kein anderes Ergebnis möglich.
Hier direkt zum Urteil des BUNDESARBEITSGERICHT vom 16.7.2015, 2 AZR 85/15
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Das sagen wir dazu:
Ein Urteil, das im Ergebnis wohl nicht anders hätte ausfallen können: Wer in ganz erheblichem Umfang für den Arbeitgeber Datenträger bestellt und sie dann für private Zwecke nutzt, darf sich wohl über eine Kündigung nicht wundern
Kläger hat erheblichen Schaden angerichtet
Es ist ja nicht nur der finanzielle Schaden, der durch die missbräuchlich georderten Rohlinge eintritt.
Der Kläger hat sich während der Arbeitszeit nicht seinen Dienstgeschäften, sondern seinem mutmaßlich lukrativen Nebenerwerb gewidmet. Und schließlich hat er die technischen Einrichtungen des Arbeitgebers hierfür in Anspruch genommen.
Umso erstaunlicher ist, dass die Instanzgerichte die Kündigung für unwirksam hielten. Offenbar bestand am Oberlandesgericht eine regelrechte „Daten-Mafia“: Der Kläger brannte die Daten und der Wachtmeister druckte schöne Cover aus. Weitere Tatbeteiligte nicht ausgeschlossen.
Peinlich für die Justiz
Möglicherweise haben sich die Instanzgerichte vom Ehrgeiz blenden lassen, man müsse dieses Konstrukt komplett durchschauen. Das BAG hat hier den Blickwinkel grade gerückt: Allein der Tatbeitrag des Klägers reichte aus, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.
Peinlich ist die ganze Sache in erster Linie für die Justiz in Sachsen-Anhalt. Sie hat es nicht nur lange geduldet, dass unter ihrem Dach offenbar ein schwarzer Markt für gebrannte Musik und Filme bestand.
Irgendjemand muss die über 1000 Datenträger ja auch gekauft haben. Die Vermutung liegt nahe, dass die Nutznießer dieses Systems auch in den höchsten Justizkreisen saßen.
Rechtliche Grundlagen
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
§ 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
Das sagen wir dazu