Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat die Klage eines 62jährigen Klempners abgewiesen, der sich gegen eine fristlose Kündigung gewehrt hatte.
Streit um technisches Problem eskaliert
Der Klempner war über 23 Jahre bei dem Arbeitgeber beschäftigt. Dort waren neben ihm drei weitere Gesellen und ein Auszubildender beschäftigt. Außerdem arbeiteten noch die beiden Geschäftsführer und ihre Mutter im Betrieb mit.
Im Februar 2016 hatte der Kläger die Geschäftsführer aufgesucht, um mit diesen ein technisches Problem zu besprechen. Der im Büro anwesende Seniorchef hatte dem Kläger dahingehend Recht gegeben, dass es ein Problem gebe. Im Hinblick auf eine vorherige Tätigkeit des Klägers sagte der Seniorchef sinngemäß, er sei doch Seemann gewesen, zur Not könne er ja knoten.
Diesen erkennbar nicht ernst gemeinte Vorschlag empfand der Kläger als unpassend und sarkastisch. Es folgte eine längere Auseinandersetzung. Schließlich sagte der Kläger wörtlich: „Dann kündigt mich doch!“
„Dann kündigt mich doch!“
Dem widersprach der Geschäftsführer mit den Worten: „Damit wir dann als soziale Arschlöcher dastehen“. Als Antwort gab ihm der Kläger: „Das seid ihr doch sowieso!“ Damit endete das Gespräch. Drei Tage später erhielt er die fristlose Kündigung.
Im darauf folgenden Kündigungsschutzprozess begründete der Arbeitgeber die Kündigung mit der letzten Aussage des Klägers, die er als Beleidigung aufgefasst hatte. Der Kläger verteidigte sich, er sei provoziert worden und habe sich „in die Ecke gedrängt“ gefühlt.
Erst auf Anraten des Arbeitsgericht versuchte der Kläger, sich bei seinem Arbeitgeber für die verbale Entgleisung zu entschuldigen. Dennoch hielt das Arbeitsgericht die fristlose Kündigung für gerechtfertigt.
Fristlose Kündigung durch „soziale Arschlöcher“ gerechtfertigt
Dieser Meinung schloss sich auch das Landesarbeitsgericht an. Der Kläger habe den Seniorchef und den Geschäftsführer grob beleidigt und sich dafür auch nicht entschuldigt. Eine Affektsituation erkannte das Landesarbeitsgericht nicht an.
Diese Beleidigung stelle einen wichtigen Grund dar und sei auch nach Abwägung der Interessen im Einzelfall geeignet, eine fristlose Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung zu rechtfertigen.
Denn unstreitig habe der Kläger gesagt, der Vater des Geschäftsführers habe sich ihm gegenüber „wie ein Arsch“ verhalten und der Geschäftsführer sei auf dem besten Wege sei, seinem Vater den Rang abzulaufen. Dies wertete das Gericht als Frontalangriff.
Hinzu kam die Aussage, die Firma sei sowieso schon ein „soziales Arschloch“, die ebenfalls eine Beleidigung darstelle. Die Aussagen seien durch nichts gerechtfertigt und auch nicht vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt.
Interessenabwägung geht zu Lasten des Klägers
Insgesamt sei es dem Arbeitgeber nicht zuzumuten, den Kläger bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen. Dieser sei zwar lange bei der Beklagten beschäftigt gewesen und stehe kurz vor der Rente.
Zu seinen Lasten sei aber zu werten, dass es sich bis zuletzt für sein Verhalten nicht entschuldigt habe. Der Arbeitgeber habe ihm hierfür drei Tage Zeit gegeben, bevor er die Kündigung ausgesprochen hat.
Zudem sei die Kündigungsfrist ist mit sieben Monaten zum Monatsende äußerst lang, so dass die vier im Betrieb tätigen Familienmitglieder noch lange mit einem Arbeitnehmer zusammenarbeiten müssten, der sie für „soziale Arschlöcher“ hält. Gerade in einem Kleinbetrieb, in dem man einander nicht ausweichen könne und in dem viel mehr emotionale Nähe bestehe, könne ein derart belastetes Arbeitsverhältnis nicht länger aufrechterhalten werden.
Links
Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein
Lesen Sie auch
Beleidigung von Vorgesetzten auf Facebook rechtfertigt nicht zwingend eine Kündigung
Mitarbeiter beleidigt Vorgesetzten - Kündigung trotzdem unwirksam
Angriff auf Verlobte kostet den Job
Das sagen wir dazu:
Der gekündigte Klempner war in einem Kleinbetrieb beschäftigt, in dem das Kündigungsschutzgesetz nicht gilt. Eine fristgerechte Kündigung wäre also in jedem Fall rechtmäßig gewesen. Es ging nur noch um die Kündigungsfrist.
Hier ergibt sich die paradoxe Situation, dass ein sozialer Besitzstand sich in sein Gegenteil verkehren kann: Der Kläger wäre noch sieben Monate bei seinem Arbeitgeber beschäftigt gewesen, weil er über 20 Jahre dort beschäftigt war. Wäre er kürzer beschäftigt gewesen, hätte er eine kürzere Frist gehabt und dem Arbeitgeber wäre es möglicherweise eher zuzumuten gewesen, ihn bis zum Ablauf der Frist zu beschäftigen.
Auch die Tatsache, dass es sich um einen kleinen Betrieb handelt, wurde dem Kläger gleich doppelt zum Verhängnis: Zum einen hat er keinen Kündigungsschutz, zum anderen war bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass er seinen Arbeitgebern quasi täglich über den Weg läuft und diesem eine nur fristgerechte Kündigung eher nicht zumutbar ist.
Besser entschuldigen
In der Sache selbst ist unbestritten, dass grobe Beleidigungen grundsätzlich eine fristlose Kündigung rechtfertigen können. Im Einzelfall ist zu berücksichtigen, ob und inwieweit die Auseinandersetzung vom Arbeitgeber mitverursacht wurde. Von Bedeutung sind weiterhin der betriebliche beziehungsweise der branchenübliche Umgangston und die Gesprächssituation.
Vor diesem Hintergrund hätte man sicher auch eine andere Interessenabwägung vornehmen können, nachdem es ja insgesamt eine hitzige Situation gab, in der auch die Vertreter der Arbeitgeberseite nicht zurückhaltend agierten - immerhin stammte der Begriff „soziale Arschlöcher“ vom Geschäftsführer und nicht vom Kläger selbst.
Entscheidend war für das Landesarbeitsgericht wohl, dass der Kläger sich nicht entschuldigte, als die Situation abgeklungen war und eine solche Entschuldigung auch bis zuletzt nicht nachgeholt hat. So entstand der Eindruck, der Kläger habe nicht nur aus der Situation heraus gepöbelt, sondern bleibe bei dieser Meinung.
Hätte sich der Kläger zügig entschuldigt, wäre der Fall möglicherweise anders ausgegangen. Gerade Mitarbeiter in Klein- und Familienbetrieben sollten sich also nach entsprechenden Eskalationen darum bemühen, die Wogen möglichst schnell zu glätten. Ansonsten stehen sie, wie im vorliegenden Fall ziemlich schutzlos da.
Rechtliche Grundlagen
§ 626 BGB
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
Das sagen wir dazu