Das Bundesarbeitsgericht sah den Klageverzicht, den der Arbeitnehmer in einer Abwicklungsvereinbarung erklärt hatte, als unwirksam an und gab auch der Kündigungsschutzklage des Klägers statt.
Arbeitnehmer unterschreibt Abwicklungsvereinbarung
Der Kläger war bei der Beklagten seit März 2002 als Fleischer beschäftigt.
Er war einem Schwerbehinderten gleichgestellt und genoss daher besonderen Kündigungsschutz.
Nach längerer Erkrankung und erfolgreicher Wiedereingliederung nahm der Kläger am 1. März 2013 seine Arbeit wieder auf.
Am 5. März 2013 übergab der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger ein Kündigungsschreiben. Mit der Kündigung sollte das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 30. Juni 2013 beendet werden. Zugleich überreichte der Geschäftsführer dem Kläger eine Abwicklungsvereinbarung, die beide Seiten unterschrieben. Sie lautete auszugsweise:
"Arbeitgeberin und Arbeitnehmer sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche und fristgemäße Kündigung vom 28.02.2013 aus betrieblichen Gründen zum 30. Juni 2013 sein Ende finden wird.
Die Arbeitgeberin verpflichtet sich, dem Arbeitnehmer mit Ablauf der Kündigungsfrist ein qualifiziertes Endzeugnis mit guter Leistungs- und Führungsbewertung zu erteilen.
Der Arbeitnehmer verzichtet hiermit ausdrücklich auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage."
Mit Schreiben vom 14. März 2013 erklärte der Kläger „die Anfechtung/den Widerruf“ der Abwicklungsvereinbarung. Außerdem hat er fristgerecht gegen die Kündigung Klage erhoben. Die Abwicklungsvereinbarung sei unwirksam, weil er getäuscht worden sei.
Klage wegen Verzicht in Abwicklungsvereinbarung unzulässig?
Die Beklagte sah die Abwicklungsvereinbarung dagegen als wirksam an. Sie sei mit dem Einverständnis des Klägers getroffen worden. Dieser habe selbst Zweifel gehabt, ob er aufgrund seines gesundheitlichen Zustands seine Arbeitsleistung künftig werde erbringen können.
Der Kläger sei auch nicht unangemessen benachteiligt. Im Gegenzug habe er ja ein gutes Zeugnis erhalten, was als Gegenleistung für den Klageverzicht anzusehen sei.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter und hatte schließlich vor dem Bundesarbeitsgericht Erfolg.
Bundesarbeitsgericht: unangemessene Benachteiligung
Das Bundesarbeitsgericht sah die Kündigung schon wegen des besonderen Kündigungsschutzes für schwerbehinderte Menschen als unwirksam an, ein wirksamer Klageverzicht liege nicht vor.
Auf die Abwicklungsvereinbarung seien die Regelungen über allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) anwendbar. Weil der Arbeitgeber solche AGB verwendet habe, dürften diese keine unangemessene Benachteiligung darstellen.
Der Verzicht auf die Klagemöglichkeit stelle aber eine solche unangemessene Benachteiligung dar. Das BAG verwies auf seine bisherige Rechtsprechung, wonach ein Klageverzicht, der zu einem Zeitpunkt erklärt wurde, in dem die Kündigungsschutzklage noch möglich ist, nur wirksam ist, wenn dem Verzicht eine kompensierende Gegenleistung des Arbeitgebers gegenübersteht.
Klageverzicht nur gegen angemessene Kompensation
Diese Kompensation müsse aber von einem solchen Gewicht sein, dass sie einen angemessenen Ausgleich für die Beeinträchtigung darstellt. Also müssten im konkreten Fall der vereinbarte Nachteil einerseits und der gewährten Vorteil andererseits gegeneinander abgewogen werden.
Im Streitfall habe die Beklagte dem Kläger im Zusammenhang mit seinem Verzicht keinen Vorteil gewährt, der als angemessener Ausgleich angesehen werden könne. Ein gutes Zeugnis reiche als Gegenleistung nicht aus.
Ein Arbeitnehmer habe gegen den Arbeitgeber einen gesetzlichen Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis. Da sich der Anspruch schon aus dem Gesetz ergebe, liege in der Vereinbarung kein spezifischer Vorteil für den Arbeitnehmer. Etwas anderes gelte auch nicht deshalb, weil der Arbeitgeber ein Zeugnis mit einer überdurchschnittlichen Beurteilung auszustellen verpflichtet ist.
Auch mit der Verständigung auf ein überdurchschnittliches, „gutes“ Zeugnis wolle der Arbeitgeber typischerweise nur seine gesetzlichen Pflichten erfüllen. Denn wenn der Arbeitgeber sich verpflichte, ein objektiv unzutreffendes, „zu gutes“ Zeugnis zu erteilen, wäre dies rechtlich zumindest bedenklich.
Anmerkung
Nicht entschieden hat das Bundesarbeitsgericht, ob die Vereinbarung wegen arglistiger Täuschung anfechtbar und auch aus diesem Grunde unwirksam war. Dies musste es nicht, weil die Vereinbarung schon aufgrund der unangemessenen Benachteiligung unwirksam war. Dies ist ein Vorteil für den Arbeitnehmer, weil eine Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung schwer zu beweisen ist.
Denn zunächst muss sich der Arbeitnehmer vom Gericht entgegen halten lassen, dass er die Vereinbarung ja schließlich selbst unterschrieben hat. Jetzt muss er dem Gericht plausibel erklären, warum er davon nichts mehr wissen will, etwa weil sein Vertragspartner ihn getäuscht oder bedroht hat und er nur deshalb unterschrieben hat.
Dies zu beweisen ist schon allein deshalb schwierig, weil die meisten Arbeitnehmer alleine in derartige Gespräche gehen, wohingegen die Arbeitgeberseite oft mit mehreren Personen vertreten ist. Und diese sind sich in der Regel einig und erinnern sich anders als der Arbeitnehmer.
Es empfiehlt sich daher, zu Gesprächen über den Arbeitsvertrag mit einer Person seines Vertrauens, etwa einem Mitglied des Betriebsrates, zu gehen, um gegebenenfalls einen Zeugen zu haben. Und schließlich darf man nicht vergessen, die Kündigungsschutzklage innerhalb der Drei-Wochen-Frist einzulegen. Ist die Klagfrist abgelaufen, ist die Kündigung in jedem Fall wirksam.
Rechtliche Grundlagen
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 307 Inhaltskontrolle
§ 307 Inhaltskontrolle
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1.mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.