Nicht jede Tätigkeit ist während der Arbeitsunfähigkeit erlaubt.
Nicht jede Tätigkeit ist während der Arbeitsunfähigkeit erlaubt.

Einer der klassischen und häufigsten Gründe für verhaltensbedingte Kündigungen ist eine „vorgetäuschte Krankheit“. Auch wenn Arbeitnehmer*innen sich während einer Krankheit nicht wohl fühlen, werden gelegentlich Dinge erledigt, die auf den ersten Blick mit einer Arbeitsunfähigkeit nicht zu vereinbaren sind.

Kündigung während der Krankheit

Jedenfalls kann manches Verhalten das Misstrauen des Arbeitgebers hervorrufen: Das fängt bereits beim notwendigen Einkauf im Supermarkt an und reicht über ausgedehnte Shoppingtouren oder das Fußballturnier im Verein bis hin zu bezahlten Nebentätigkeiten. Wenn der Arbeitgeber davon erfährt, steckt die fristlose Kündigung häufig schnell im Briefkasten.

Dabei kommen grundsätzlich zwei Kündigungsgründe in Betracht:

  • das Vortäuschen einer (tatsächlich nicht bestehenden) Krankheit oder
  • ein Verhalten während der Arbeitsunfähigkeit, das den Heilungserfolg der Krankheit gefährdet

 

Welches Verhalten ist arbeitsrechtlich trotz Krankheit erlaubt?

Natürlich bedeutet nicht jede Krankheit automatisch, dass man Bettruhe einhalten muss. Insbesondere nicht vom ersten bis zum letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit. Je nach Art der Erkrankung sind auch körperliche Tätigkeiten durchaus möglich oder sogar medizinisch empfohlen und sinnvoll. Die Frage, welches Verhalten bei einer Krankheit erlaubt ist, lässt sich deshalb nicht für alle Einzelfälle einheitlich beantworten.

Grundsätzlich kann man aber sagen, dass es einen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten darstellt, wenn ein/e Arbeitnehmer*in sich während einer Krankheit „genesungswidrig“ verhält. D.h., alles was aus medizinischer Sicht die Heilung / Genesung verzögern würde, ist zumindest problematisch. Was medizinisch zur Genesung hilfreich oder wünschenswert ist, kann demgegenüber natürlich ausgeübt werden.

Es kommt auf die Diagnose an

Dabei kommt es in erster Linie auf die jeweilige Diagnose an. Bei einer schweren Grippe oder einem Bandscheibenvorfall dürfte es schwerfallen zu begründen, dass Gartenarbeit oder Freizeitsport während der akuten Erkrankung medizinisch sinnvoll sind. Demgegenüber können körperliche Arbeit, Bewegung und Sport z.B. bei psychischen Erkrankungen gerade notwendig für die erfolgreiche Therapie sein.

Außerdem ist natürlich die Dringlichkeit der jeweiligen Tätigkeit ein Gesichtspunkt für die Beurteilung. So sind notwendige Erledigungen, wie der Einkauf von Lebensmitteln, das Abholen der Kinder vom Kindergarten o.ä. in der Regel auch im Fall einer Erkrankung unbedenklich. Demgegenüber ist bei reinen Freizeitbeschäftigungen dringend Zurückhaltung anzuraten, auch wenn man selbst dies als unschädlich für die Genesung ansieht.

Was würde mein Arzt dazu sagen?

Wenn man sich dabei unsicher ist, sollte man sich die Frage stellen: „Was würde mein/e Ärzt*in dazu sagen?“ In Zweifelsfällen auch ruhig die Ärzt*in fragen! Dann ist man in jedem Fall auf der sicheren Seite.

Aber selbst bei einer klaren ärztlichen Handlungsempfehlung (z.B. „machen Sie viel Mannschaftssport“ bei einer Depression) ist es ratsam, sich auch in die Situation des Arbeitgebers hineinzuversetzen. Ein Arbeitgeber, der die Diagnose der Arbeitsunfähigkeit nicht kennt, wird sicherlich hellhörig, wenn ein/e Mitarbeiter*in während der Krankheit bei einem Fußballturnier mitspielt.

Deshalb kann es sinnvoll sein, offensiv mit einer solchen Situation umzugehen und den Arbeitgeber bereits im Vorfeld zu informieren, dass und warum bestimmte Tätigkeiten ärztlich angeraten sind. Denn nach einer Kündigung befindet man sich im Kündigungsschutzverfahren erstmal in der Defensive:

Verschiedene Tätigkeiten während einer Krankheit können dazu führen, dass der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zunächst erschüttert ist und der Verdacht einer vorgetäuschten Krankheit im Raum steht. Dann ist die/der Arbeitnehmer*in beweispflichtig dafür, dass er/sie tatsächlich krank gewesen ist.

Besonders gefährlich: Verdachtskündigung

Noch weitergehend wird von der Rechtsprechung teilweise auch eine „Verdachtskündigung“ als zulässig angesehen: Wenn nur der dringende Verdacht besteht, dass eine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht war. Dieser höchst fragwürdige Kündigungsgrund eines bloßen Verdachtes ist für betroffene Arbeitnehmer*innen so gefährlich, dass allein deshalb große Vorsicht bei Tätigkeiten während einer Krankheit angezeigt ist !

Aus der Rechtsprechung

Die grundlegende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hierzu betraf einen Schlosser, der während seiner Arbeitsunfähigkeit Reinigungsarbeiten bei einem anderen Arbeitgeber ausgeführt hatte.  Danach stellt im Gerichtsverfahren ein vorgelegtes ärztliches Attest über die Arbeitsunfähigkeit zunächst einen ausreichenden Beweis für das Bestehen der Krankheit dar.

Wenn der Arbeitgeber allerdings begründete Anzeichen und Indizien dafür vorbringen kann, dass die Krankheit gar nicht vorgelegen hat, muss wiederum die/der Arbeitnehmer*in das tatsächliche Bestehen der Arbeitsunfähigkeit nachweisen. Dies kann i.d.R. nur durch die Zeugenaussage des/der behandelnden Ärzt*in geschehen.

Ob allein der Verdacht einer vorgetäuschten Krankheit als Kündigungsgrund in Betracht kommen kann, hat das BAG ausdrücklich offen gelassen.

Betonbauer auf dem Schützenfest

In einem Urteil des LAG Hamm wurde eine Kündigung wegen angeblich vorgetäuschter Krankheit für unwirksam erklärt. Der Kläger arbeitete als Betonbauer und war wegen Knie- und Rückenbeschwerden krankgeschrieben. Während der Arbeitsunfähigkeit nahm er aktiv an einem Schützenfest teil.

Eine weitere Krankschreibung erfolgte  wegen psychischen Beschwerden. Während dieser Erkrankung wurde der Kläger von der Personalleiterin bei laufender Betonmischmaschine unter Verrichtung von Gartenarbeiten an seinem Wohnhaus angetroffen.

Das Gericht hat die Entscheidung darauf gestützt, dass allein die Teilnahme an einem Schützenfest nicht ausreichend war, ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit zu begründen. Dazu hätte genauer dargelegt werden müssen, in welcher Art und Weise und in welchem Umfang der Kläger auf dem Schützenfest tätig gewesen ist.

Sport und Gartenarbeit gut bei Depression

Auch die Gartenarbeit während der psychischen Erkrankung stellte nach dieser Entscheidung weder einen begründeten Zweifel an der bestehenden Arbeitsunfähigkeit dar, noch ein genesungswidriges Verhalten.

Kürzlich hat das LAG Rheinland-Pfalz über einen Fall entschieden, in dem der Kläger, Maschinenführer, während einer Arbeitsunfähigkeit an einem Fußballturnier seines Vereins teilnahm. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin fristlos.

Der Beweiswert des ärztlichen Attestes war zwar nach Auffassung des Gerichtes durch dieses Verhalten erschüttert, der Kläger konnte aber nachweisen, dass er wegen Depression krankgeschrieben war. Bei dieser Diagnose stellte die sportliche Betätigung weder einen Hinweis auf eine lediglich vorgetäuschte Erkrankung noch ein genesungswidriges Verhalten dar.

 

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