Trainer filmt heimlich
Mit seinem Urteil vom 01.11.2017 trifft das Arbeitsgericht Berlin eine Entscheidung, die zur derzeitigen gesellschaftlichen Diskussion in Hinblick auf sexuelle Belästigung von Frauen passt.
Der Kläger war als Radsporttrainer am Olympiastützpunkt Berlin beschäftigt. Der beklagte ehemalige Arbeitgeber ist ein Sportverein.
Mit einer von ihm installierten, versteckten Kamera filmte der Kläger heimlich über längere Zeit Sportlerinnen in der Umkleidekabine, während diese sich umzogen.
Arbeitgeber erfährt durch Ermittlungen von der Tat
Das Treiben des Klägers wurde bemerkt. Er wurde daraufhin angezeigt, Polizei und Staatsanwaltschaft nahmen Ermittlungen auf. Erst durch diese erfuhr der Beklagte von dem Tatvorwurf, welchem sich der Kläger ausgesetzt sah und der sich später, nach Ende der Ermittlungen bewahrheitete.
Der Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis fristlos. Hilfsweise, das heißt für den Fall der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung, sprach der Beklagte die ordentliche Kündigung aus. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage.
Er machte geltend, der Beklagte habe die Frist von zwei Wochen nicht eingehalten. Der von dem Beklagten behauptete Grund für die Kündigung sei bereits länger als zwei Wochen bekannt gewesen, eine fristlose Kündigung scheide daher bereits deshalb aus. Zudem sei die fristlose Kündigung, wie auch die ordentliche Kündigung nicht verhältnismäßig.
Gericht bejaht Fristwahrung durch Beklagten
Das Arbeitsgericht Berlin hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Die fristlose Kündigung ist nach Ansicht des Gerichts wirksam. Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Der Kläger kann gegen das Urteil Berufung einlegen.
Das Arbeitsgericht macht deutlich, dass der Beklagte die Frist zu Erklärung der fristlosen Kündigung eingehalten hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.
Den Zeitpunkt der Kenntniserlangung sieht das Arbeitsgericht in jenem Moment, in welchem die Staatsanwaltschaft dem Beklagten tatsächlich Akteneinsicht gewährte. Dem Beklagten war lange Zeit die Akteneinsicht verwehrt worden.
Wie bei der Verdachtskündigung muss der Arbeitgeber alles tun, um den Sachverhalt zu ermitteln und darf sich nicht schuldhaft der Möglichkeit der Erkenntnisgewinnung verschließen.
Der Beklagte hatte nach Einschätzung des Gerichts alles ihm Mögliche getan, um wegen der im Raum stehenden Tat Nachforschungen anzustellen.
Gericht sieht wichtigen Kündigungsgrund
Im Verhalten des Klägers sah das Arbeitsgericht einen wichtigen Grund für die fristlose Kündigung. Dem Beklagten sei es nicht zuzumuten, das Arbeitsverhältnis auch nur einen Tag länger fortzuführen.
Der im Raum stehende Grund zur Kündigung muss „an sich“ geeignet sein, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. In Frage kommen hierbei nicht nur Verstöße gegen die arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten. Auch die Verletzung von Nebenleistungspflichten können Grund für eine fristlose Kündigung sein.
Das heimliche Filmen der Sportlerinnen stellt eine nebenvertragliche Pflichtverletzung dar. Als Trainer war der Kläger gehalten, die Sportlerinnen respektvoll zu behandelnd und alles zu unterlassen, was die Intimssphäre der Frauen verletzt.
Es versteht sich eigentlich von selbst: Belästigungen aller Art gegenüber Frauen sind von Männern, so auch von dem Kläger als ihrem Trainer, zu unterlassen.
Keine positive Entwicklung zu erwarten
Das Arbeitsgericht sieht keine positive Entwicklung des Arbeitsverhältnisses im Falle der Fortsetzung.
Die Kündigung ist als solche stets zukunftsorientiert.
Sie stellt keine Strafe für die Vergangenheit dar, sondern soll ein Rechtsverhältnis beenden, dessen zukünftig zu erwartende Entwicklung für eine Vertragspartei eine Härte darstellen würde, die nicht hinnehmbar ist.
Das Verhalten des Klägers legt nahe, dass solche Belästigungen von Sportlerinnen in dieser oder anderer Art und Weise erneut passieren können.
Abmahnung nicht notwendig
Da die fristlose Kündigung das Arbeitsverhältnis sofort beendet, darf sie nur das letzte Mittel sein, zu welchem ein Arbeitgeber greifen darf, um seine Rechte zu wahren. Regelmäßig fordern die Arbeitsgerichte eine einschlägige Abmahnung wegen eines Fehlverhaltens, sei es im Bereich der Hauptleistungspflichten, sei im Bereich der Nebenleistungspflichten.
Der Kläger hat jedoch nach Ansicht des Arbeitsgerichtes eine Pflichtverletzung begangen, die auch ohne Abmahnung eine fristlose Kündigung rechtfertigt. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine fristlose Kündigung dann entbehrlich, wenn die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens für den Arbeitnehmer erkennbar ist und er vernünftigerweise davon ausgehen muss, dass der Arbeitgeber das Verhalten nicht noch einmal hinnimmt.
Das Verhalten des Klägers im vorliegenden Fall ist im negativsten Sinne „ein starkes Stück“!
Nach Ansicht des Arbeitsgerichtes durfte der Kläger vernünftigerweise nicht davon ausgehen, der Beklagte würde das -über lange Zeit andauernde- heimliche Filmen als einmaligen „Fehltritt“ hinnehmen.
Ordentliche Kündigung reicht nicht
Das Gericht sah es für den Beklagten als unzumutbar an, dass Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist fortzuführen.
Mit seinem Verhalten bewege sich der Kläger im strafrechtlich relevanten Bereich. Außerdem sei das Vertrauensverhältnis zu dem Beklagten endgültig zerbrochen. Der Kläger stellt eine Gefahr für den Betrieb des Beklagten dar. Der Beklagte ist seinerseits dazu verpflichtet, bei ihm tätige Sportlerinnen vor Belästigungen so gut es geht zu schützen.
Auch die Interessenabwägung ging zu Lasten des Klägers. Dieser habe vorsätzlich gehandelt. Man könne dem Kläger mit Fug und Recht kriminelle Energie unterstellen. Außerdem sei er als Trainer auch Repräsentant seines Arbeitgebers und werfe damit auch auf ihn ein schlechtes Licht.
Das sagen wir dazu:
Dem Urteil des Arbeitsgerichtes ist voll und ganz zuzustimmen. Der vom Gericht zu beurteilende Sachverhalt steht im markanten Kontext zu der derzeitigen gesellschaftlichen Diskussion um sexuelle Belästigungen von Frauen.
Der Kläger hat die Sportlerinnen zu Objekten degradiert, indem er heimliche Filmaufnahmen aus der Umkleidekabine machte.
Zu Recht stellt das Arbeitsgericht Berlin fest, dass die Rechtsordnung dem Kläger in Anbetracht der Schwere seines Verhaltens den Schutz versagt und das Arbeitsverhältnis fristlos beendet. Allerdings gilt dies endgültig erst, wenn das Urteil des Arbeitsgerichts rechtskräftig ist.
Das sagen wir dazu