Geklagt hatten zwei muslimische Lehrerinnen aus Nordrhein-Westfalen, die sich vor den Arbeitsgerichten bis hin zum Bundesarbeitsgericht (BAG) vergeblich gegen arbeitsrechtliche Sanktionen ihrer Dienstherren gewehrt hatten. Eine angestellte Lehrerin, die muttersprachlichen Unterricht in türkischer Sprache erteilt hatte, weigerte sich, das Kopftuch während des Unterrichts abzulegen und erhielt daraufhin Abmahnung und Kündigung.

In dem zweiten Fall, in dem die Lehrerin vor Arbeits- und Landesarbeitsgericht vom Düsseldorfer Büro der DGB Rechtsschutz GmbH vertreten worden war, ging es um eine Abmahnung des Dienstherren. Die Klägerin hatte nach entsprechender Aufforderung zwar das Kopftuch während des Dienstes abgelegt, dieses aber durch eine Baskenmütze mit Strickbund und gleichfarbigem Rollkragenpullover ersetzt. Darin sahen die Arbeitsgerichte eine religiöse Bekundung und bestätigten die erteilte Abmahnung.

Kopftuchverbot bedeutet Eingriff in Grundrechte

Beide Fälle wurden jetzt vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) an die Landesarbeitsgerichte zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Die Verfassungsrichter begründeten ihre Entscheidung damit, dass ein pauschales Kopftuchverbot nicht mit der Verfassung vereinbar ist. Darin liege ein schwerwiegender Eingriff in die durch Artikel 4 Grundgesetz (GG) geschützte Glaubens- und Bekenntnisfreiheit. Auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Artikel 2 GG) und die durch Artikel 12 GG geschützte Berufsfreiheit können betroffen sein, ebenso das Gleichbehandlungsgebot, Artikel 3 GG.

Ein derart schwerwiegender Eingriff in grundrechtlich geschützte Bereiche  sei bei lediglich abstrakter Gefährdung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität nicht zulässig. Erforderlich ist vielmehr eine hinreichend konkrete Gefahr.

 

Der von der DGB Rechtsschutz GmbH vertretene Fall, der an das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf zurückverwiesen worden war, konnte inzwischen positiv für die klagende Lehrerin erledigt werden: Das Land Nordrhein-Westfalen hat erklärt, dass es an der erteilten Abmahnung nicht mehr festhält. Nach der Erledigung des Rechtsstreites hat das LAG dem Land die Kosten des Verfahrens auferlegt, weil es nach Einschätzung des Gerichtes voraussichtlich unterlegen wäre.

Die Pressemitteilung zu dieser Entscheidung kann hier nachgelesen werden.

Anmerkung der Redaktion:

Kopftuch in der Schule: nein  --  Kruzifix: ja ?

Diese schon Jahre andauernde Debatte wird auch nach dem jüngsten Beschluss der BVerfG nicht beendet sein.

Zwar stehen jetzt alle Landesschulgesetze, die das pauschale Tragen eines Kopftuchs während des Dienstes untersagen, auf dem Prüfstand. Aber spätestens, seitdem bekannt geworden ist, dass die Bayrische Landesregierung im Hinblick auf das Bayrische Schulgesetz keinen Änderungsbedarf sieht, wird klar, dass die Arbeitsgerichte auch in Zukunft mit derartigen Fällen rechnen müssen.

Es wird Zeit, dass sich endlich überall die Erkenntnis durchsetzt:  Es kommt darauf an, dass in den Schulen vernünftiger Unterricht erteilt wird und nicht darauf, was die Lehrkraft auf dem Kopf oder um den Hals trägt. Dann muss sich auch das BAG nicht mehr quälen, um in dem Tragen einer handelsüblichen Baskenmütze ein religiöses Symbol hinein zu interpretieren.

Den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27.01.2015, 1 BvR 471/10 und 1 BvR 1181/10 können Sie hier nachlesen

Hier geht es zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20.8.2009, 2 AZR 499/08


Auszüge Grundgesetz im Praxistipp

Rechtliche Grundlagen

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Artikel 2, 3, 4 und 12

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

Artikel 2
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Artikel 3
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Artikel 4
(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.
(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

Artikel 12
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.