Herstellung von "Raubkopien" auf Dienst PC kann Kündigung begründen!
Herstellung von "Raubkopien" auf Dienst PC kann Kündigung begründen!

Der seit Februar 1992 bei dem beklagten Land beschäftigte Kläger nahm die Funktion des „IT-Verantwortlichen“ beim Oberlandesgericht N. wahr. Unter anderem gehörte zu seinen Aufgaben die Verwaltung des „ADV-Depots“, womit auch
die Bestellung des für die Datenverarbeitung benötigten Zubehörs - etwa von Datensicherungsbändern, CDs und DVDs – verbunden war.

Kläger nutzt Dienstrechner zur Herstellung von "Raubkopien"

In einem Anfang März 2013 geführten Personalgespräch räumte der Leiter der Wachtmeisterei ein, den dienstlichen Farbdrucker seit längerer Zeit zur Herstellung sog. „CD-Cover“ genutzt zu haben. Im Rahmen einer Mitte März 2013 erfolgten Geschäftsprüfung wurden auf den Festplatten eines vom Kläger genutzten Rechners mehr als 6.400 E-Book-, Bild-, Audio- und Videodateien vorgefunden.

Auch war ein Programm installiert, das geeignet war, den Kopierschutz der Hersteller zu umgehen. Es stellte sich heraus, dass in der Zeit von Oktober 2010 bis März 2013 über 1.100 DVDs bearbeitet worden waren. Die Anzahl dieser DVDs entsprach im gleichen Zeitraum der Bestellung und Lieferung von DVD Rohlingen des Gerichts.

Im Rahmen einer Untersuchung und Auswertung der vom Kläger benutzten Festplatten wurden Anfang April 2013 weitere (Audio-)Dateien aufgefunden. Der Kläger ließ sich im Verlauf der Ermittlungen dahin ein, alles, was auf dem Rechner bezüglich der DVDs sei, habe er „gemacht“.

Er habe für andere Mitarbeiter „natürlich auch kopiert“. Die Äußerungen nahm er einige Tage später „ausdrücklich zurück“. Hieraufhin erklärte das beklagte Land mit Schreiben vom 18. April 2013 die außerordentliche fristlose und mit Schreiben vom 13. Mai 2013 hilfsweise die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Arbeits- und Landesarbeitsgericht gaben der Klage statt


Die Vorinstanzen haben der Kündigungsschutzklage des Klägers stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Sachsen-Anhalt ging in seinem Urteil vom 19. Dezember 2014 - 4 Sa 10/14 – davon aus, dass die Kündigungen schon deshalb unwirksam seien, weil nicht feststellbar sei, welchen Tatbeitrag gerade der Kläger zu den in Rede stehenden Kopier- und Brennvorgängen geleistet habe.

Zudem habe das beklagte Land durch lediglich eigene Ermittlungen - ohne Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden - weder eine umfassende, den Kläger möglicherweise entlastende Aufklärung leisten, noch den Beginn der zweiwöchigen Frist für die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung gem. § 626 BGB hemmen können.

Auch ging das LAG davon aus, dass das beklagte Land gegenüber den anderen Beteiligten keine vergleichbaren Maßnahmen ergriffen und den Personalrat nicht ordnungsgemäß unterrichtet habe.

BAG hebt Entscheidung der Vorinstanzen auf


Die Begründungen der Vorinstanzen vermochten den Zweiten Senat des BAG nicht zu überzeugen. Die Revision des beklagten Landes hatte vor dem Zweiten Senat des BAG Erfolg.

Eine (fristlose) Kündigung komme auch dann in Betracht, wenn der Kläger nicht alle fraglichen Handlungen selbst vorgenommen, sondern dabei mit anderen Bediensteten zusammengewirkt oder das Herstellen von „Raubkopien“ durch diese bewusst ermöglicht habe.

Aus dem Umstand, dass es dem Kläger erlaubt gewesen sein mag, seinen dienstlichen Rechner für bestimmte andere private Zwecke zu nutzen, habe er nicht schließen können, ihm seien die behaupteten Kopier- und Brennvorgänge gestattet.

Zügige Ermittlungen des Arbeitgebers hemmen Ausschlussfrist gem. § 626 (2) BGB


Keine Unwirksamkeitsgründe vermochte das BAG darin zu erkennen, dass das beklagte Land die Ermittlungen zunächst selbst angestellt und nicht sofort die Strafverfolgungsbehörden eingeschaltet hat, da ein solches Vorgehen dem Arbeitgeber grundsätzlich unbenommen sei. Solange die Ermittlungen zügig durchführt werden, wird dadurch der Beginn der Frist des § 626 Abs. 2 BGB gehemmt.

Bei verhaltensbedingten Gründen gilt kein Gleichbehandlungsgrundsatz


Unbeachtlich sei es, so das BAG, welche Maßnahmen das beklagte Land gegenüber den anderen Bediensteten ergriffen hat, da derer Gleichbehandlungsgrundsatz im Rahmen verhaltensbedingter Kündigungen grundsätzlich keine Anwendung findet.

Im Übrigen sei auch nicht festgestellt worden, inwieweit sich die Sachverhalte unter Berücksichtigung der Einzelheiten und der Stellung der anderen Beschäftigten wirklich gleichen.

Da auch die Anhörung des Personalrats ordnungsgemäß erfolgte, hat das Bundesarbeitsgericht das zweitinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung an das LAG zurückverwiesen.

Anmerkung:

Durch die Entscheidung des BAG sind nun Grenzen aufgezeigt, die deutlich machen, dass die Erstellung von Raubkopien auf einem Dienst PC durchaus geeignet sein können eine fristlose Kündigung zu begründen. Dies gilt vor allem wenn der Arbeitnehmer ein Programm einsetzt, das geeignet ist, den Kopierschutz der Hersteller zu umgehen.


Der Zweite Senat hat die Sache zur weiteren Aufklärung an das LAG zurück verwiesen, was bedeutet, dass die Sache ein weiteres Mal zweitinstanzlich zur Entscheidung anstehen wird. Aus der Pressemitteilung des BAG wird leider nicht deutlich, welcher konkreter Aufklärungsbedarf noch bestehen soll.


Auskunft hierüber wird wohl das vollständige Urteil geben können, dass erst in einigen Wochen vorliegen wird. Klar ist aber, dass das BAG verbindliche Vorgaben gemacht hat die das LAG bei einer erneuten Entscheidungsfindung nicht unberücksichtigt lassen kann.

 

Link zur Pressmitteilung vom 16.07.2015 zur BAG Entscheidung 2 AZR 85/15