
Der Hersteller von Bestecken und Kochgeschirr in Geislingen/Steige wollte infolge eines Nachfragerückganges einen Teil des Betriebs, die Fertigung Hotelküchenzubehör, nach Tschechien verlagern. Vorstand und Betriebsrat vereinbarten einen Interessenausgleich mit einer Namensliste gemäß § 1 Absatz 5 Kündigungsschutzgesetz. Die Produktion in Deutschland sollte umstrukturiert und Mitarbeiter entlassen werden.
Darunter war auch ein Handschleifer, der seit 19 Jahren in dieser Abteilung angestellt war. Er klagte mit Hilfe der DGB Rechtsschutz GmbH gegen seine Kündigung, weil sie sozial ungerechtfertigt sei. In der zweiten Instanz konnte er dies nachweisen – vertreten durch Sabine Martini, Juristin im DGB Rechtsschutz-Büro Stuttgart: „Erst das Landesarbeitsgericht prüfte, ob überhaupt eine Betriebsänderung vorlag.“
Es lag keine Betriebsänderung vor
Siehe da: Die vom Gesetz geforderten fünf Prozent der von einer Änderung betroffenen Belegschaft kamen gar nicht zusammen. Fünf Prozent von den 2.390 Beschäftigten vor dem Personalabbau hätten 119,5 Mitarbeitern entsprochen. Da nur 112 Arbeitnehmern gekündigt wurde, lag eine Betriebsänderung nicht vor.
Diese Feststellung machte den Weg frei für eine genauere Überprüfung der Sozialauswahl. Die erste Instanz hatte aufgrund der Vermutung einer Betriebsänderung die Namensliste nur auf grobe Fehlerhaftigkeit zu prüfen. „Die ist schwer zu beweisen“, weiß Sabine Martini, „erst vor dem Landesarbeitsgericht konnten wir darlegen, dass die Kriterien für eine Sozialauswahl bei unserem Mandanten nicht standhielten.“
Wie sich herausstellte, hatte der Arbeitgeber die Sozialdaten bei der Zusammenstellung der Namensliste außer Acht gelassen und sich nicht nach der gesetzlich vorgeschriebenen Vorgehensweise gerichtet.
Erstaunen bei den Arbeitsrichtern
Demnach muss in einem ersten Schritt der Kreis der vergleichbaren Beschäftigten eingegrenzt werden. Dabei stellte das Landesarbeitsgericht erstaunt fest, dass von 370 Mitarbeitern einer Entgeltgruppe angeblich nur 16 miteinander vergleichbar sein sollten. „Der Arbeitgeber hat sich einfach mit den Vorgesetzten beraten, wer wo einsetzbar ist und wer gehen soll“, vermutet die Juristin, „da wurden intern alle möglichen Kriterien vermischt.“
Besonders stark konzentrierte sich der Arbeitgeber darauf, dass der Kläger angeblich nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfüge. Die Juristin konnte jedoch nachweisen, dass dies nicht der Fall war.