Tarifliches Weihnachtsgeld des Bäckerhandwerks ist zu zahlen nach der vollen Beschäftigungsdauer, auch für Zeiten der Ausbildung.
Tarifliches Weihnachtsgeld des Bäckerhandwerks ist zu zahlen nach der vollen Beschäftigungsdauer, auch für Zeiten der Ausbildung.

Die Bäckereifachverkäuferin hatte zum 1.1.1999 ihre Ausbildung in der Bäckerei begonnen. Im letzten Jahr zahlte ihr Arbeitgeber ein Weihnachtsgeld in Höhe von 480,- €. Der Manteltarifvertrag für das Bäckerhandwerk Nordrhein-Westfalen sieht diesen Betrag vor bei einer Betriebszugehörigkeit von 10 Jahren, nach einer Betriebszugehörigkeit von 15 Jahren beträgt das Weihnachtsgeld 550,- €. Ohne groß rechnen zu müssen, fällt auf: Das Jahr 1999 ist schon mehr als 15 Jahre her. Die Beschäftigte fragte sich deshalb, ob sie nicht zu wenig Weihnachtsgeld bekommen hat.

NGG und Kreishandwerkerschaft rechtlich uneins

Als Mitglied der Gewerkschaft NGG suchte sie dort Rat und fand ihn: Die Betriebszugehörigkeit zählt ab Januar 1999 und der Unterschiedsbetrag von 70,- € stehen ihr zu.
Auf die Geltendmachung der NGG teilte die Kreishandwerkerschaft Bielefeld für das Bäckereiunternehmen mit, es müsse bei der geringeren Summe verbleiben, die Ausbildungszeit würde bei der Bemessung der Betriebszugehörigkeit nicht mitgerechnet.

Auch weitere außergerichtliche Bemühungen der Gewerkschaft konnten zu keiner Einsicht der Arbeitgeberseite führen. Das sodann eingeschaltete Bielefelder Büro der DGB Rechtsschutz GmbH erhob Klage beim Arbeitsgericht Bielefeld. Mit Erfolg, die eingeklagten 70,- € brutto müssen nachgezahlt werden.

Arbeitsrichter widersprechen der Arbeitgeberseite deutlich

Auch im Klageverfahren verblieb die beklagte Bäckerei bei der Weigerung einer Nachzahlung, woran auch die deutlichen Worte der Vorsitzenden Richterin im Gütetermin nichts änderten. Diese konnte der Argumentation der Kreishandwerkerschaft als Prozessvertretung wenig abgewinnen.
Deren Argumentation war diese: Der Tarifvertrag regelt für Arbeitnehmerinnen eine Weihnachtsgeldzahlung gestaffelt nach Betriebszugehörigkeit. Auszubildende erhalten nach einer anderen Vorschrift Weihnachtsgeld. In der Zeit der Lehre erfülle die Klägerin das Tatbestandsmerkmal „Arbeitnehmer“ nicht. Daher habe die Betriebszugehörigkeit erst nach Ende der Ausbildung im Januar 2002 begonnen und betrage nur 13 Jahre.

Das Gericht sah es letztlich genauso wie die Klägerseite. Das Tatbestandsmerkmal „Arbeitnehmer“ muss für den Anspruch allein zum Stichtag (30. November) erfüllt sein. Keineswegs sei die Voraussetzung der Arbeitnehmereigenschaft an den gesamten Zeitraum der Betriebszugehörigkeit geknüpft. Die Dauer der Betriebszugehörigkeit spiele dann für die konkrete Höhe des Anspruchs eine Rolle.

Auslegung ergibt: Betriebszugehörigkeit meint auch die Ausbildungszeit

Nach allen Kriterien der Auslegung kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass darunter auch die Zeiten der Ausbildung fallen.
Schon der Wortlaut sei grundsätzlich ein weit zu verstehender Begriff, welcher seiner Grundbedeutung nach nicht zwischen Arbeitnehmer- und Ausbildendeneigenschaft unterscheide. Auch eine systematische Betrachtung des Tarifvertrags ergebe nichts anderes, da dieser einen einheitlichen Weihnachtsgeldanspruch regele und nur in der Höhe für Auszubildende eine speziellere Regelung getroffen wurde.
Ein Blick auf Sinn und Zweck der Tarifnorm bestätigt dies. Weihnachtgeldregelungen sollen regelmäßig die Betriebstreue belohnen und deshalb sei es widersprüchlich Zeiten, in denen Arbeitnehmer Betriebstreue gezeigt haben, sich aber „nur“ in einem Ausbildungsverhältnis befunden haben, auszunehmen.
Zuletzt weist das Gericht in seinem Urteil noch auf andere Bereiche hin wo bei der Berechnung der Betriebszugehörigkeit auch Zeiten von Ausbildungsverhältnissen mit einbezogen werden. Hier nennt das Urteil die gesetzliche Regelung für die Entgeltfortzahlung, weiter die Rechtsprechung, wonach bei der Berechnung der Kündigungsfristen Ausbildungszeiten mitzählen. 
 
Das vollständige Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 13.07.2016 kann hier nachgelesen werden.

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Das sagen wir dazu:

Urteil ist rechtskräftig


Schon eine eigenartige Argumentation, die die Beklagte an den Tag gelegt hat. In § 13 des Tarifvertrages heißt es: Arbeitnehmer, die am 30.11. in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehen, erhalten mit der November-Entgeltzahlung ein Weihnachtsgeld. Anspruchsvoraussetzung ist also, dass zum Stichtag die Eigenschaft als Arbeitnehmer vorliegt. Azubis sind keine Arbeitnehmer, soviel ist rechtlich einzugestehen. Daraus aber ableiten zu wollen, dass unter ununterbrochene Betriebszugehörigkeit, die der Tarifvertrag dann für die Höhe des Anspruchs nennt, die Ausbildungszeiten nicht fallen, findet rechtlich keinerlei Halt. Auch nicht das Argument, das Tatbestandsmerkmal „Arbeitnehmer“ hätte in den ganzen 15 Jahren vorliegen müssen, damit der Anspruch auf 550,- € besteht. Das widerspricht sämtlicher gängigen Systematik von Gesetzen und Tarifverträgen.

Das Urteil ist rechtskräftig, auf eine Berufung hat die Bäckerei wegen der Eindeutigkeit dann doch verzichtet. Betreffen wird dieses Urteil nicht nur die Klägerin, denn der Betrieb hat bisher immer das Weihnachtsgeld mit einer Betriebszugehörigkeit berechnet, die die Ausbildungszeit ausklammert.


Bäckerei informierte über tarifliche Ungebundenheit - Manteltarifvertrag allgemeinverbindlich

Am Rande sei noch das bemerkenswerte Schreiben erwähnt, welches die Bäckerei seinen Beschäftigten zusammen mit der Zahlung des Weihnachtsgeldes hat zukommen lassen. Über das Weihnachtsgeld bestehe absolute Verschwiegenheitspflicht und es sei eine Einmalzahlung ohne Erwirkung eines Gewohnheitsrechts; einem Tarif sei man nicht angeschlossen. Interessante Darstellung, denn der Manteltarifvertrag für das Bäckerhandwerk ist allgemeinverbindlich. Diese bewusst (?) falsche Information der Beschäftigten grenzt schon an Betrug. Gut, dass sich mit der Klägerin eine Arbeitnehmerin gefunden hat, die mit Hilfe der NGG und dem DGB Rechtsschutz für rechtliche Klarheit gesorgt hat. Der Betrieb wäre wohl besser damit gefahren, der Klägerin die 70,- € zu zahlen.