Einige Betriebsrentner aus der Zuckerindustrie haben die Streichung ihres Rentnerweihnachtsgeldes nicht hingenommen. Auch die süße Leckerei, ein mit dem Firmenlogo verziertes Marzipantörtchen, entfiel nach dem Willen des Arbeitgebers ab 2015. Betroffen waren 1.350 Betriebsrentner an unterschiedlichen Firmenstandorten.
Arbeitgeber streicht Weihnachtsgeld
Begründet wurde die Streichung mit dem Sparzwang im Zuge des Auslaufens der Zuckermarktordnung 2017. Jahrzehnte lang haben Betriebsrentner bei der Beklagten zusätzlich zu ihrer Betriebsrente ein kleines Weihnachtsgeld erhalten und besagtes Marzipantörtchen.
Einige der Betroffenen sind auch als Rentner ihrer Gewerkschaft NGG treu geblieben und konnten diese eingeschalten. Die NGG forderte die Zahlung des ausgebliebenen Weihnachtsgeldes und auch das Marzipantörtchen sollte es weiter geben.
Der Arbeitgeber lehnte ab, daraufhin erhoben die Büros der DGB Rechtsschutz GmbH in Detmold, Duisburg, Düren und Köln Klage vor dem Arbeitsgericht.
Anspruch aus Betrieblicher Übung auch für Betriebsrentner
Die Parteien stritten vor Gericht darum, ob der Arbeitgeber aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung weiterhin verpflichtet ist, diese zusätzlichen Leistungen zu erbringen. Das Bundesarbeitsgericht hatte sich mehrfach mit Fragen der betrieblichen Übung bei Betriebsrentnern befasst.
In neueren Entscheidungen des BAG wurde hierzu ausgeführt, dass der Gesetzgeber im Bereich der betrieblichen Altersversorgung die Betriebliche Übung als Rechtsquelle anerkannt hat. Danach steht der Verpflichtung aus einer ausdrücklichen Versorgungszusage eine auf betrieblicher Übung beruhende Versorgungsverpflichtung gleich.
Grundsätzlich kann eine betriebliche Übung also auch bei Betriebsrentnern entstehen.
Aber liegt auch eine betriebliche Übung vor?
Was ist Betriebliche Übung?
Betriebliche Übung liegt vor bei einem gleichförmigen und wiederholten Verhalten des Arbeitgebers, aus dem die Arbeitnehmer oder Betriebsrentner schließen dürfen, dass ihnen die Leistung auch künftig gewährt wird.
Beim Weihnachtsgeld entsteht eine betriebliche Übung, wenn es der Arbeitgeber drei Jahre hintereinander vorbehaltlos gewährt hat. Einige der Kläger sind erst seit kurzem im Ruhestand und haben die Leistung nicht mehrere Jahre bekommen.
Daran scheitert ein Anspruch nicht, es kommt nicht darauf an, ob derjenige individuell dreimal die Leistung bekommt. Vielmehr werden die „Neuen“ in die gegenüber den übrigen Betriebsrentnern begründete betriebliche Übung mit einbezogen. Also war auch das geklärt.
Kein Bildungswille des Arbeitgebers?
Der Arbeitgeber lässt in den Verfahren vortragen, dass eine solche betriebliche Übung nicht entstanden sei, denn es fehle am Bindungswillen des Arbeitgebers. Die Kläger hätten jeweils bei Zahlung des Weihnachtsgeldes und Gewährung der Torte ein Begleitschreiben erhalten.
Aus diesem Schreiben hätte sich eindeutig ergeben, dass die Leistungen nur für das konkrete Jahr erfolgen sollten, mit der Folge, dass kein Vertrauen auf erneute Zahlung in den Folgejahren entstehen konnte. Vorgelegt wurde ein Schreiben eines Jahres mit dem Wortlaut:
„Deshalb freuen wir uns, Ihnen auch in diesem Jahr gemeinsam mit der Marzipantorte ein Weihnachtsgeld… als Zeichen unserer Verbundenheit gewähren zu können.“
Aus der Formulierung - „auch in diesem Jahr“ - hat das Arbeitsgericht Detmold geschlossen, dass hier nur eine Entscheidung für das laufende Jahr getroffen wurde, und damit keine betriebliche Übung entstehen konnte.
Die Klagen wurden abgewiesen, die Berufungsverfahren laufen.
Ein Kläger bewahrte alle Anschreiben auf
Meine Recherchen zu den Anschreiben ergaben einen anderen Sachverhalt. Es gab zwar jedes Jahr Anschreiben, sie hatten jedoch nicht alle den gleichen Wortlaut.
Ein Kläger besaß tatsächlich noch fast alle Anschreiben. Aus diesen ergab sich, dass in drei fortlaufenden Jahren in den Schreiben eben nur auf die Zahlung hingewiesen wurde und dass man diese und das Törtchen als Zeichen der Verbundenheit gewährt.
Es wurde also vorbehaltlos mindestens für drei Jahre gewährt. Damit konnte der Nachweis einer betrieblichen Übung erbracht werden.
Eine einmal entstandene betriebliche Übung bleibt bestehen, auch wenn später andere Schreiben verwendet werden. So brachten die archivierten Unterlagen eines Klägers für die Klagen, die in Euskirchen geführt wurden, bereits die Wende.
Gute Erfolgschancen, nur leider nicht für das Marzipantörtchen
Das Arbeitsgericht Bonn hat das beklagte Unternehmen ebenfalls verurteilt, das Rentnerweihnachtsgeld für 2015 nachzuzahlen. Das Marzipantörtchen gibt's nach dem Urteil aber nicht, dies sei eine reine Annehmlichkeit.
Die anderen Arbeitsgerichte Wesel, Köln und Aachen müssen noch entscheiden, ebenso das Landesarbeitsgericht Hamm. Aber allen Gerichten liegen jetzt die Unterlagen vor, die eine betriebliche Übung bestätigen.
Auch wenn der Arbeitgeber inzwischen mitgeteilt hat, er werde das Weihnachtsgeld zahlen, das in Euskirchen erstritten wurde: Ein Ende des Streits ist noch nicht in Sicht.
Und außerdem ist ja schon fast wieder Weihnachten, das Weihnachtsgeld für 2016 ist bald fällig. Es wird spannend, ob die Beklagte dieses freiwillig zahlt, oder ob er es erneut auf einen Rechtsstreit ankommen lässt.
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Das sagen wir dazu:
Ein Teil einer starken Gemeinschaft zu sein, hat sich hier wieder als klarer Vorteil rausgestellt. Denn alle profitieren davon, dass durch Unterlagen eines Klägers, den Behauptungen des Arbeitgebers erfolgreich entgegengetreten werden konnte.
Aufgrund ihrer Vernetzung konnten die Rechtsschutzsekretär*innen der vier Büros diese Informationen in allen Verfahren vor den fünf Arbeitsgerichten nutzen und die NGG-Mitglieder erfolgreich vertreten.
Das sagen wir dazu