Mit der Hilfe des DGB Rechtsschutz konnte ein Mitglied der IG BAU eine Entlohnung gemäß einer höheren Lohngruppe als Glasreiniger durchsetzen.
Mit der Hilfe des DGB Rechtsschutz konnte ein Mitglied der IG BAU eine Entlohnung gemäß einer höheren Lohngruppe als Glasreiniger durchsetzen.


Mit Hilfe des Hamburger Büros der DGB Rechtsschutz GmbH konnte ein Mitglied der IG BAU eine höhere Eingruppierung und damit ein höheres Gehalt durchsetzen.

Kläger putzt im Einkaufszentrum

Der Kläger war bei der Beklagten, einem Unternehmen der Dienstleistungsbranche, als Reinigungskraft beschäftigt. Die wöchentliche Arbeitszeit betrug 36,65 Stunden. Sowohl der Rahmentarifvertrag (RTV) als auch der Lohntarifvertrag (LTV) für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung fanden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. 

Bisher wurde der Kläger in die Lohngruppe 1 eingruppiert. Der Stundenlohn betrug im Jahr 2017 10,00 EUR brutto und seit dem 1. Januar 2018 nunmehr 10,30 EUR brutto. Zudem legten die Parteien fest, dass der Kläger jede Woche in vier Objekten als Reinigungskraft tätig wird, darunter im Alstertal Einkaufszentrum. Hier reinigt der Kläger 24 Stunden in der Woche, jeweils von Montag bis Samstag vier Stunden. 

Im Alterstal Einkaufszentrum reinigt der Kläger unter anderem einen Glasaufzug, Glastüren und Glaswände sowie Glasfronten der Rolltreppe, Glasgeländer und diverse Glastüren. Die Türen sind drei Meter hoch, der Kläger muss die Glasflächen und Türrahmen reinigen. 

Ist der Kläger Glasreiniger?

Außerdem reinigt der Kläger etwa alle vier Wochen die gläserne Außenfront des sogenannten Kinderclubs. Alle drei Wochen säubert der Kläger zudem die Schaufenster eines weiteren Ladenlokals. Die hierfür geleisteten Arbeitsstunden wurden von der Beklagten bisher als Überstunden abgerechnet. So leistete der Kläger von März 2017 bis Juni 2017 rund 127 Überstunden.

Lohngruppe 6 des RTV umfasst:

„Glas- und Fassadenreinigungsarbeiten, insbesondere Reinigung, pflegende und schützende Behandlung von Glasflächen und Außenbauteilen an Bauwerken […]. 

Nach § 8 Ziffer 3.1.1 des RTV gilt:

Der/die Beschäftigte werden aufgrund ihrer überwiegenden Tätigkeit in eine Lohngruppe […] eingruppiert. 

In Hinblick auf den Geltungsbereich regelt der RTV in § 1 II.:

  1. Reinigung […] von Außenbauteilen […] aller Art
  2. Reinigung […] von Innenbauteilen aller Art 

Kläger fordert höhere Vergütung

Im Juli 2017 reichte der Kläger, vertreten durch das Hamburger Büro des DGB Rechtsschutz, beim Arbeitsgericht Hamburg Klage ein. 

Er machte geltend, er sei nach Lohngruppe 6 des RTV zu vergüten. Mithin schulde die Beklagte ihm die Differenz zwischen Lohngruppe 1 und Lohngruppe 6 und den Mehrarbeitszuschlag von 25% pro geleisteter Überstunde.

In seiner Klage führte der Kläger weiter aus, er sei mindestens 24 Stunden pro Woche mit dem Reinigen von Glasflächen beschäftigt. Im Rahmen seines Einsatzes im Alstertal Einkaufszentrum reinige er von Montag bis Samstag ausschließlich Glasflächen. Für die Glasflächen im Alstertal Einkaufszentrum benötige er insgesamt drei Stunden pro Arbeitstag, für die Glasfronten der Rolltreppen und gläsernen Geländer täglich rund eine Stunde. 

Beklagte lehnt Forderungen ab

Die Beklagte hielt eine Höhergruppierung des Klägers für nicht gerechtfertigt. So reinige der Kläger zwar durchaus Glasflächen. Aber allein aus dieser Tatsache lasse sich nicht ableiten, dass der Kläger als Glasreiniger einzugruppieren sei.

Hierfür bedürfe es einer expliziten Einteilung für eben die Tätigkeit als Glasreiniger. Der Kläger sei aber stets nur für generelle Reinigungstätigkeiten eingeteilt worden. Lediglich zufällig müsse der Kläger auch Glasflächen reinigen. Glasreinigung im Sinne der tarifvertraglichen Regelungen umfasse vielmehr Tätigkeiten wie Glasfassadenreinigung, Tonnengewölbe, Rotunden, Außenfenster und Glasdächer. 

Mitarbeiter, die als Glasreiniger tätig sind, würden zudem Sicherungsgurte und sogenannte Steiger bei ihrer Arbeit verwenden. Dies alles erfordere eine spezielle Ausbildung als Fachkraft. Der Kläger sei demgegenüber lediglich in der sogenannten Unterhaltsreinigung tätig. 

Arbeitsgericht betont einheitlichen Arbeitsvorgang

Die Ausführungen der Beklagten überzeugten das Arbeitsgericht Hamburg nicht. Das Arbeitsgericht bejaht eine „überwiegende“ Tätigkeit des Klägers als Glasreiniger im Sinne der tarifvertraglichen Regelungen.

Für das Gericht nicht nachvollziehbar ist die Äußerung der Beklagten, wonach der Kläger lediglich „zufälligerweise“ Glasflächen reinigen würde. Alle im Einkaufzentrum zu reinigenden Gegenstände und Flächen bestehen aus Glas.

Unbeachtlich sei hierbei, dass die Türen auch Rahmen haben, die nicht aus Glas bestehen. Die Rahmen sind vom Kläger ebenfalls zu reinigen, er beschränkt sich nicht auf die Glasflächen. Hierbei handelt es sich aber um einen einheitlichen Arbeitsvorgang. 

Als Arbeitsvorgang definiert das Arbeitsgericht 

„eine Tätigkeit, die zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führt, welches in tatsächlicher Hinsicht abgrenzbar und rechtlich selbstständig zu bewerten ist. Dies unter Beachtung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten.“  

Entscheidend ist das Arbeitsergebnis

Das Arbeitsgericht macht deutlich: Entscheidend für die Bewertung des Arbeitsvorganges ist das Arbeitsergebnis. Hier nimmt das Gericht die „tarifliche Wertigkeit“ in den Blick und orientiert sich an der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.

Bei der Bewertung eines Arbeitsvorgangs könnten wiederkehrende und gleichartige Leistungen zusammengefasst werden. Dies gelte für den Fall, dass verschiedene Arbeitsschritte nicht von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch getrennt werden. Seien verschiedene Arbeitsschritte einer Person übertragen, sei die geübte Praxis entscheidend für die Eingruppierung.

So erkennt das Gericht die Reinigung von Glasflächen bei der Tätigkeit des Klägers als wesentlichen Bestandteil an. Zwar ist unbestritten, dass der Kläger auch Rahmen von Fenstern und Türen reinigt, dies ist aber für die Tätigkeit des Klägers keinesfalls prägend. 

Was der Tarifvertrag verlangt…

Eine Absage erteilt das Arbeitsgericht auch der Tätigkeitsbeschreibung der Beklagten. So seien Glasfassadenreinigung und das Reinigen von Außenfenster von den tariflichen Regelungen nicht als Tätigkeit verlangt. Glasreinigung und Außenreinigung seien zwei verschiedene Tätigkeitsbereiche, so das Arbeitsgericht. 

Der Rahmentarifvertrag differenziert zwischen der Reinigung von Außenbauteilen und der Reinigung von Innenbauteilen. 

Die Reinigung von Glasflächen unterfällt demnach der Lohngruppe 6 des RTV. Der Kläger übe die Tätigkeit als Glasreiniger auch „überwiegend“ im Sinne der tarifvertraglichen Normen aus. Mit rund 24 Stunden pro Woche überwiegt diese Tätigkeit andere Reinigungsarbeiten des Klägers, die lediglich 12-13 Stunden pro Woche ausmachen.

Beklagte muss auch Verzugspauschale zahlen

Die Beklagte muss dem Kläger die Differenz zwischen dem von ihr gezahlten Gehalt und dem Anspruch gemäß der Lohngruppe 6 zahlen. Außerdem erkannte das Arbeitsgericht auch den Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Verzugspauschale von jeweils 40 Euro netto pro Monat an. 

Hier bewegt sich das Arbeitsgericht auf Linie der Landesarbeitsgerichte Köln, Niedersachsen und Baden-Württemberg, die richtigerweise die entscheidende Norm, § 288 Absatz 5 BGB, auch im Arbeitsrecht anwenden. Eine höchstrichterliche Klärung durch das Bundesarbeitsgericht steht allerdings noch aus.

Links

Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 11.01.2018, Az.: 5 Ca 156/17 hier im Volltext

Das sagen wir dazu:

Das Urteil des Arbeitsgerichts ist richtig. Entscheidend ist die tatsächlich und überwiegend ausgeübte Tätigkeit des Klägers unter Einbeziehung des Arbeitsergebnisses. Er reinigt und pflegt überwiegend Glasflächen, schlicht und einfach. 

Ausflüchte des Arbeitgebers nützen nichts

Das Arbeitsgericht erteilt auch den blumigen, ja fantasievollen Ausführungen der Beklagten eine klare Absage: Es nutzte der Beklagten nichts, an der Schraube „Stellenanforderung“ zu drehen – die von ihr aufgeführten Kriterien sind in Ansehung der deutlichen tarifvertraglichen Normen völlig irrelevant.

Der Kläger hat als Gewerkschaftsmitglied nicht nur Anspruch auf Tariflohn. In seinem Mitgliedsbeitrag ist auch die rechtliche Beratung und Prozessvertretung durch die Juristinnen und Juristen der DGB Rechtsschutz GmbH, hier konkret durch das Büro Hamburg, inklusive. 

So konnte der Kläger seinen Anspruch geltend machen, ohne ein Kostenrisiko einzugehen. 

Dies sorgt für „Waffengleichheit“, sind doch Arbeitgeber oft Mitglied in Arbeitgeberverbänden und von diesen auch im Prozess vertreten.

Rechtliche Grundlagen

Lohngruppe 6 RTV

„Glas- und Fassadenreinigungsarbeiten, insbesondere Reinigung, pflegende und schützende Behandlung von Glasflächen und Außenbauteilen an Bauwerken […].

Nach § 8 Ziffer 3.1.1 des RTV gilt:

Der/die Beschäftigte werden aufgrund ihrer überwiegenden Tätigkeit in eine Lohngruppe […] eingruppiert.

In Hinblick auf den Geltungsbereich regelt der RTV in § 1 II.:

1. Reinigung […] von Außenbauteilen […] aller Art
2. Reinigung […] von Innenbauteilen aller Art