Wird ein Arbeitnehmer fristlos gekündigt und obsiegt er im anschließenden Kündigungsschutzprozess, steht ihm für die Zeit vom Zugang der Kündigung bis zur Verkündung des die Unwirksamkeit der Kündigung feststellenden Urteils kein Annahmeverzugslohn zu, wenn er sich in diesem Zeitraum an einem Streik beteiligt.
Anmerkung von Matthias Beckmann, DGB Rechtsschutz GmbH:
Spricht ein Arbeitgeber eine Kündigung aus und stellt den Arbeitnehmer gleichzeitig frei, so gerät er üblicherweise in Annahmeverzug. Der Arbeitnehmer ist leistungsbereit, so dass der Arbeitgeber zur Zahlung des Lohns verpflichtet ist – auch wenn er die Leistung nicht annimmt. Für den Arbeitgeber kann daher ein langes Kündigungsschutzverfahren teuer werden. Obsiegt der Arbeitnehmer muss der Lohn für die gesamte Dauer des Verfahrens nachgezahlt werden.
Nimmt ein Arbeitnehmer hingegen an einem Streik teil, erlischt für diese Zeit sein Vergütungsanspruch.
Im vorliegenden Fall war beides gegeben. Dem Arbeitnehmer war gekündigt worden und er beteiligte sich trotz Kündigung weiter an dem Streik der Kollegen.
Das BAG hat ihm nach gewonnener Kündigungsschutzklage wegen der Streikbeteiligung den Anspruch auf Annahmeverzugslohn abgesprochen.
Entscheidend sei der Wille des Arbeitnehmers zur Beteiligung am Arbeitskampf. Die Bedeutung des arbeitgeberseitigen Willens zur Nichtbeschäftigung trete dahinter zurück. Die maßgebliche Ursache für das Ausbleiben der Arbeitsleistung sei nicht mehr die Kündigung sondern die Streikteilnahme.
Es könne auch nicht sein, dass gekündigte streikende Mitarbeiter besser gestellt werden als am Streik teilnehmende ungekündigte Beschäftigte.
Das BAG hatte bei vergleichbaren Situationen ähnlich entschieden. So soll nach seiner Rechtsprechung auch der erkrankte Arbeitnehmer kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung haben, wenn er sich an Streikmaßnahmen beteiligt.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass auch der gekündigte Arbeitnehmer seine Solidarität und Streikteilnahme mit dem Verlust seines Lohnanspruches „bezahlt“. Die Gewerkschaft des Arbeitnehmers ist hier aber durch die Zahlung einer Solidarunterstützung eingetreten.
Pressemitteilung des BAG zum Urteil vom 17.07.2012, Az: 1 AZR 563/11