Das Dresdner Büro der DGB Rechtsschutz GmbH hat einen Produktionsarbeiter vertreten, der arbeitsvertraglich für einen Stundenlohn von 6,90 € angestellt ist.

Zuschläge von 50 bzw. 150% des Stundelohns

Für Überstunden, Nacht-, Samstags- und Sonntagsschichten sind Zuschläge zwischen 25 % und 50 % vereinbart, für Feiertagsarbeit bis zu 150 %.

Außerdem besteht ein arbeitsvertraglicher Anspruch auf zusätzliches Urlaubsgeld und eine Weihnachtsgratifikation. Diese beiden Verdienstbestandteile hat der Arbeitgeber seit Januar 2015 mit Einführung des Mindestlohnes auf eine anteilige monatliche Zahlung umgestellt.

Dadurch ergibt sich unter Einrechnung auch der Zuschläge sowie der monatlichen Sonderzahlungen in der Regel ein durchschnittlicher Stundenlohn von über 8,50 €. Der Arbeitgeber hatte gehofft, dass eine solche Durchschnittsberechnung ausreicht und das Mindestlohngesetz damit erfüllt wäre.

Umgehung des Mindestlohngesetzes

Das Arbeitsgericht hat zu dieser Umgehung des Mindestlohngesetzes klare Worte gefunden: Weder die Zeitzuschläge noch die Sonderzahlungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) sind auf den Mindestlohn anrechenbar. Das heißt, auch ohne diese zusätzlichen Zahlungen muss der Lohn pro Stunde mindestens 8,50 € betragen.

Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung können auch monatlich abgerechnete Sonderzahlungen nur dann auf den Mindestlohn angerechnet werden, wenn sie keine unmittelbare Gegenleistung für die verrichtete Tätigkeit, darstellen. 

Im hier entschiedenen Fall handelt es sich aber um zusätzliche Leistungen, die auch an die Dauer der Betriebszugehörigkeit anknüpfen oder bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zurückzuzahlen wären und damit gerade nicht nur als Gegenleistung für die erbrachte Arbeit gezahlt werden.

Zuschläge berechnen sich nach dem Mindestlohn

Auch die Anrechnung der Zuschläge für ungünstige Zeiten etwa nachts, an Wochenenden und an Feiertagen hat das Arbeitsgericht nicht zugelassen, da diese Zeitzuschläge nicht die „Normalleistung“ der Arbeitnehmer*innen vergüten, sondern gerade überobligatorische Leistungen honorieren sollen.

Schließlich hat das Arbeitsgericht auch die Frage entschieden, woraus sich die prozentualen Zeitzuschläge errechnen. Nach Auffassung des Arbeitgebers sollten die Zeitzuschläge aus dem vertraglich vereinbarten, mindestlohnwidrigen Stundensatz von 6,90 € berechnet werden.

Das Gericht ist demgegenüber der Auffassung der DGB Rechtsschutz GmbH gefolgt, wonach die Zeitzuschläge nach der vertraglichen Regelung auf den „Normallohn“ zu zahlen sind. Dieser „Normallohn“ muss aber nach dem Mindestlohngesetz mindestens 8,50 € betragen, so dass für die Berechnung der Zuschläge auch der Mindestlohn zu Grunde zu legen ist.

Anmerkung der Redaktion:

Auch wenn das Arbeitsgericht Dresden die Entscheidung kurz und erfreulich klar begründet hat, ist das letzte Wort auch hier vermutlich noch nicht gesprochen. Die Berufung ist zulässig und insbesondere die Frage, welcher Stundensatz für die Berechnung der Zuschläge anzusetzen ist (vertraglich vereinbarter oder Mindestlohn), ist in der Rechtsprechung umstritten.

Dennoch ist Prozessvertreter Thomas Kallabinsky zunächst erleichtert: „Mindestlohn gilt auch für Zuschläge, damit ist ein erster Erfolg erreicht!“ Er hofft, dass sich die Rechtsansicht des Arbeitsgerichts Dresden auch an höherer Stelle durchsetzt.


Das vollständige Urteil des Arbeitsgericht Dresden vom 09.02.2016, Az.: 1 Ca 2744/15 gibt es hier


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Im Praxistipp: § 1 Mindestlohn - Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (Mindestlohngesetz - MiLoG)

Rechtliche Grundlagen

§ 1 Mindestlohn - Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (Mindestlohngesetz - MiLoG)

Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (Mindestlohngesetz - MiLoG)

§ 1 Mindestlohn

(1) Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber.

(2) Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Januar 2015 brutto 8,50 Euro je Zeitstunde. Die Höhe des Mindestlohns kann auf Vorschlag einer ständigen Kommission der Tarifpartner (Mindestlohnkommission) durch Rechtsverordnung der Bundesregierung geändert werden.

(3) Die Regelungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen gehen den Regelungen dieses Gesetzes vor, soweit die Höhe der auf ihrer Grundlage festgesetzten Branchenmindestlöhne die Höhe des Mindestlohns nicht unterschreitet. Der Vorrang nach Satz 1 gilt entsprechend für einen auf der Grundlage von § 5 des Tarifvertragsgesetzes für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag im Sinne von § 4 Absatz 1 Nummer 1 sowie §§ 5 und 6 Absatz 2 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes.