Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die die Rückzahlung von Ausbildungskosten in jedem Fall einer vom Arbeitnehmer ausgesprochenen Kündigung vorsieht, ohne solche Kündigungen des Arbeitnehmers auszunehmen, die aus Gründen erfolgen, die der Sphäre des Arbeitgebers zuzurechnen sind, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
Welcher Sachverhalt lag dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts zu Grunde?
Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Rückzahlung von Ausbildungskosten in Höhe von 7.500,00 Euro.
Der Beklagte war bei der Klägerin, die einen örtlichen Zugverkehr betreibt, seit dem 1. August 2003 als Mitarbeiter im Service auf Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 14. Juli 2003 tätig. Er absolvierte nach vorangegangener Bewerbung ab dem 4. Oktober 2005 eine von der Klägerin finanzierte Ausbildung zum Triebwagenführer. Die Parteien schlossen darüber eine Vereinbarung über Ausbildungskostenerstattung, die vom 31. Januar 2006 datiert und auszugsweise lautet:
„1. Der Mitarbeiter wird in der Zeit vom 04.10.2005 bis vsl. 10.02.2006 an der Ausbildung für Triebfahrzeugführer teilnehmen. Die Ausbildung gilt als beendet, wenn der Mitarbeiter alle Prüfungen erfolgreich bestanden hat und die Gesellschaft auf Basis dieser Prüfungsergebnisse den Einsatz als Triebfahrzeugführer erlaubt. Im Zweifel gilt als Tag der Beendigung der Ausbildung der letzte Werktag vor der ersten eigenverantwortlichen Fahrt des Mitarbeiters als Triebfahrzeugführer.
Die Teilnahme an dieser Ausbildung erfolgt nach übereinstimmender Auffassung der Gesellschaft und des Mitarbeiters im Interesse seiner beruflichen und fachlichen Fort- und Weiterbildung.
2. Der Mitarbeiter wird im Hinblick auf die Ausbildung unter Fortzahlung seiner Bezüge als Servicekraft von seiner Arbeit einvernehmlich freigestellt.
…
4. Die Gesellschaft übernimmt für den Mitarbeiter die Kosten der Ausbildung. Dazu gehören neben den unter Nr. 2 genannten Kosten der Freistellung insbesondere Unterrichtsgebühren, der Aufwand der praktischen Ausbildung, Prüfungsgebühren, Übernachtungskosten sowie Reisekosten entsprechend der Reisekostenordnung der Gesellschaft.
5. Kündigt der Mitarbeiter entweder vor Beendigung der Ausbildung oder vor Ablauf von 2 Jahren nach deren Beendigung (s. Nr. 1) oder wird seitens der Gesellschaft gegenüber dem Mitarbeiter eine Kündigung aus Gründen, die in der Person bzw. dem Verhalten des Mitarbeiters liegen, ausgesprochen, so ist der Mitarbeiter verpflichtet, sämtliche Aufwendungen und Kosten, die der Gesellschaft durch die Ausbildungsteilnahme entstanden sind, zurückzuzahlen. Als Höchstsumme wird ein Betrag von 7.500,00 EUR festgelegt.
Die Rückzahlungsverpflichtung staffelt sich wie folgt: Bei Kündigung
• während der Ausbildung oder vor Ablauf eines Jahres nach Beendigung sind 100 %
• nach Ablauf eines Jahres seit Beendigung der Ausbildung, jedoch vor Ablauf von 18 Monaten sind 50 %
• nach Ablauf von 18 Monaten seit Beendigung der Ausbildung, aber vor Ablauf von 2 Jahren sind 25 %
• der angefallenen Kosten und Aufwendungen für die Ausbildung zurück zu erstatten.
6. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter den unter Nr. 5 genannten Umständen wird der Rückzahlungsbeitrag sofort zur Zahlung fällig. Die Gesellschaft ist berechtigt, etwaige Rückzahlungsbeträge gegen fällige Lohn-, Gehaltsforderungen aufzurechnen.
…
9. Sollten einzelne Bestimmungen dieser Vereinbarung unwirksam sein oder sollten sie ihre Rechtswirksamkeit später verlieren, oder sollte sich in dieser Vereinbarung ein Lücke befinden, so wird hierdurch die Rechtswirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt. Anstelle der unwirksamen Vertragsbestimmungen oder zur Ausfüllung einer Lücke soll eine angemessene Regelung treten, die, soweit rechtlich möglich, dem am nächsten kommt, was die Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn sie diesen Punkt bedacht hätten.
…“
Die Klägerin hat mit ca. 25 Arbeitnehmern entsprechende Vereinbarungen abgeschlossen.
Der Beklagte absolvierte die Prüfung am 12. März 2006. Aufgrund eines Vorfalls vom 13. April 2006 wurde der Eisenbahnfahrzeugführerschein des Beklagten Ende April 2006 eingezogen. Er durfte nicht mehr als Triebwagenführer eingesetzt werden und war deshalb wieder im Servicebereich tätig. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis selbst zum 31. Dezember 2006.
Die Klägerin hat im vorliegenden Rechtsstreit Zahlung der angefallenen Kosten begrenzt auf einen Betrag von 7.500,00 Euro verlangt. Sie hat die Auffassung vertreten, der Beklagte müsse aufgrund der vertraglichen Regelung die Ausbildungskosten in vereinbarter Höhe zuzüglich Zinsen erstatten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Versäumnisurteil abgewiesen und dieses nach Einspruch der Klägerin aufrechterhalten. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und unter Aufhebung des Versäumnisurteils den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung verurteilt.
Wie hat das Bundesarbeitsgericht entschieden?
Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung der Klägerin zu Unrecht stattgegeben und den Beklagten zur Zahlung der Ausbildungskosten verurteilt. Die Klage ist unbegründet, so dass die arbeitsgerichtlichen Entscheidungen wiederherzustellen sind. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Rückzahlung von Ausbildungskosten in Höhe von 7.500,00 Euro zu.
Die Vereinbarung über Ausbildungskostenerstattung vom 31. Januar 2006 ist am Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach §§ 305 ff. BGB zu messen. Die Rückzahlungsklausel in Nr. 5 der Vereinbarung benachteiligt den Beklagten unangemessen und ist deshalb nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Die Klausel entfällt ersatzlos und ist weder im Wege einer geltungserhaltenden Reduktion noch im Wege ergänzender Vertragsauslegung mit einem zulässigen Inhalt aufrechtzuerhalten.
Nr. 5 der Vereinbarung über Ausbildungskostenerstattung vom 31. Januar 2006 ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Der Beklagte wird durch die Rückzahlungsklausel unangemessen benachteiligt. Die von der Klägerin gestellte Klausel belastet den Beklagten ohne Ausnahme für jeden Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Eigenkündigung mit einer Rückzahlungspflicht für entstandene Ausbildungskosten.
Die Bestimmung unterscheidet nicht danach, ob der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Eigenkündigung der Sphäre des Arbeitgebers oder der des Arbeitnehmers zuzuordnen ist. Sie sieht eine Rückzahlungspflicht im Falle der Eigenkündigung ohne Ausnahme vor, also auch dann, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber (mit)veranlasst wurde, zum Beispiel durch Eigenkündigung des Arbeitnehmers wegen eines vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers. Das führt zu einer unangemessenen Benachteiligung des Beklagten.
Die Auslegung der Klausel ergibt, dass der Beklagte nach einer Eigenkündigung die Ausbildungskosten in jedem Fall zurückzuzahlen hat, das heißt auch dann, wenn die Kündigung durch Gründe in der Sphäre der Klägerin als Arbeitgeberin veranlasst wurde.
Es kann auch nicht angenommen werden, dass solche Kündigungen des Arbeitnehmers, trotz fehlender Einschränkung im Wortlaut, die vom Arbeitgeber veranlasst wurden, von vornherein keine Rückzahlungspflicht auslösen sollten. Die vom Arbeitgeber (mit)verantwortete Kündigung des Arbeitnehmers stellt im Arbeitsleben keinen so seltenen und fern liegenden Beendigungstatbestand dar, dass sie nicht gesondert erwähnt werden müsste. Soll die Rückzahlungsklausel gerade diese Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer nicht erfassen, so muss dies auch hinreichend klar formuliert sein. Daran fehlt es hier.
Die Rückzahlungsklausel ist auch nicht lediglich insoweit teilunwirksam, als die Rückzahlungsverpflichtung für Gründe gelten soll, die in den Risiko- und Verantwortungs-bereich des Arbeitgebers fallen. Die Klausel ist hinsichtlich des Beendigungstatbestandes „Kündigung des Arbeitnehmers“ nicht teilbar. Eine Teilung von Vertragsklauseln in einen zulässigen und einen unzulässigen Teil kommt nur in Betracht, wenn der unzulässige Teil sprachlich und inhaltlich eindeutig abtrennbar ist.
Auswirkungen der Entscheidung auf die Praxis:
Vereinbarungen, nach denen sich der Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen hat, soweit der Arbeitnehmer vor Ablauf einer bestimmten Frist aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, sind grundsätzlich in anderen Entscheidungen des BAG für zulässig erachtet worden. Es sind demnach nicht generell Rückzahlungsklauseln unwirksam, sondern diese müssen sich an der Rechtsprechung des BAG und auch an einer Prüfung der allgemeinen Geschäftsbedingungen messen lassen.
Die Vorteile der Ausbildung und die Dauer der Bindung an die Rückzahlung müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Hierbei ist jeder Einzelfall anders, jedoch spielt bei der Abwägung die Dauer der Ausbildung und der Vorteil, den der Arbeitnehmer hierdurch hat, sowie auch die Höhe der Kosten und das Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers selbst eine Rolle. Klar ist nun, dass vor allem dann eine solche Rückzahlungsklausel unwirksam ist, wenn sie nicht danach unterscheidet, ob der Grund der Beendigung in der Sphäre des Arbeitgebers (auch)anzusiedeln ist. So kann bei einer betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung keine Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers bestehen. Kündigt der Arbeitnehmer, weil z.B. den Arbeitgeber vertragswidriges Verhalten trifft, dann kann auch dies nicht automatisch zu einer Erstattung der Ausbildungskosten führen, sondern ist im Einzelfall zu prüfen. Klar muss sein, dass ein Arbeitsverhältnis bei Vereinbarung der Rückzahlung besteht oder konkret mit Konditionen angeboten ist. Besteht kein Arbeitsverhältnis während der Bildungsmaßnahme und ist auch keins mit konkreten Bedingungen angeboten, dann ist eine Vereinbarung über die Rückzahlung unzulässig.
Bzgl. der Rückzahlung von Aus- oder Weiterbildungskosten gibt es eine Vielzahl von Entscheidungen der Gerichte, die oft auch Einzelfälle betreffen, so dass sich als Arbeitnehmer eine rechtliche Beratung lohnt.