Abweichend von der Rechtsprechung anderer Landesarbeitsgerichte (LAG) hat das LAG Berlin-Brandenburg die Ansprüche von Arbeitnehmern auf Schichtzulagen sowie auf Zuschläge für Nachtarbeit-, Sonntags- und Feiertagsarbeit für unpfändbar angesehen, weshalb diese auch nicht abgetreten werden können.
Der bei dem beklagten Landkreis als Angestellter tätige Kläger trat im Rahmen eines Privatinsolvenzverfahrens seine pfändbaren Bezüge an eine Treuhänderin ab. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Auszahlung von tariflichen Wechselschichtzulagen sowie Zuschlägen für Dienste zu ungünstigen Zeiten mit der Begründung, dass diese Zuschläge unpfändbar seien.
Kläger in zwei Instanzen erfolgreich
Wie schon das Arbeitsgericht, so hat auch das LAG Berlin-Brandenburg der Klage entsprochen. Nach § 850 a Nr. 3 Zivilprozessordnung – ZPO sind u. a. „Schmutz- und Erschwerniszulagen“ unpfändbar. Eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Erschwernissen der Arbeit, so das LAG, sei nicht vorzunehmen. Denn Erschwernisse für den Arbeitnehmer könnten sich sowohl aufgrund der Art der auszuübenden Tätigkeit, als auch regelmäßig wechselnder Dienstschichten oder einer Arbeitsleistung in der Nacht oder an Feiertagen ergeben. Die Unmöglichkeit der Abtretung ergebe sich aus § 400 BGB, wonach unpfändbare Forderungen nicht abgetreten werden können.
Grundsätzliche Bedeutung – Revision zugelassen
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und wegen einer Abweichung von Entscheidungen anderer Landesarbeitsgerichte hat das LAG Berlin die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen.
Anmerkung: Grundsatzentscheidung wünschenswert
Die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg ist begrüßenswert, da hierdurch die Möglichkeit eröffnet wird, höchstrichterlich für Klarheit zu sorgen, ob Schichtzulagen und Zuschläge für Nachtarbeit-, Sonntags- und Feiertagsarbeit unter § 850a Nr. 3 ZPO zu subsumieren sind, wonach unter anderem “Gefahrenzulagen sowie Schmutz- und Erschwerniszulagen” unpfändbar sind, soweit diese Bezüge den Rahmen des Üblichen nicht überschreiten.
Die Tatsachengerichte der Arbeitsgerichtsbarkeit haben sich bisher schwer getan, Zuschläge, wie von dem Kläger in der vom LAG Berlin-Brandenburg entschiedenen Sache begehr, für unpfändbar zu erklären. Das war auch Anlass für das Berliner LAG,die Revision zum Erfurter BAG zuzulassen, um eine Grundsatzentscheidung zu ermöglichen.
Während die Arbeitsgerichte bisher zu Lasten der mit Pfändungen überzogenen Kläger eine strenge Auslegung des § 850a Nr. 3 ZPO praktizieren, die Schichtzulagen und Zuschläge für Nachtarbeit-, Sonntags- und Feiertagsarbeit nicht erfasst, haben die Richter der 3. Kammer des LAG Berlin-Brandenburg auch diese für unpfändbar erklärt, weil sie ebenfalls zum Ausgleich von Erschwernissen gezahlt werden.
Dies haben die Richter der Verwaltungsgerichtsbarkeit schon längst erkannt (Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart, Urteil vom 11. Juni 2012 – 3 K 878/12; VG Düsseldorf, Urteil vom 4 Mai 2012, - 13 K 5526/10; VG Hannover, Beschluss vom 15. Juni 2009, - 2 B 1717/09; Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 17. September 2009, 5 ME 186/09).Für das BAG besteht im Falle der Revisionseinlegung die Möglichkeit, mit der Verwaltungsgerichtsbarkeit gleich zu ziehen. Diese führen gute Gründe für die Unpfändbarkeit für Schichtzulagen und Zuschläge für Nachtarbeit-, Sonntags- und Feiertagsarbeit ins Feld.
Bei zutreffender Auslegung des § 850a Nr. ZPO sind unter Erschwerniszulagen nicht nur Zulagen zu verstehen, durch die Erschwernisse auf Grund der Art der ausgeübten Tätigkeit abgegolten werden, sondern alle Zulagen, die zum Ausgleich von Erschwernissen gezahlt werden. Dabei können die abzugeltenden Nachteile und Belastungen der Dienstleistung sowohl materieller als auch immaterieller Art sein und sie können sich auch aus der ungünstigen zeitlichen Lage und/oder dem zeitlichen Rahmen der Tätigkeit ergeben.
Da mit Schichtzulagen und Zuschläge für Nachtarbeit-, Sonntags- und Feiertagsarbeit ein mit einer Erschwernis verbundener Aufwand und eine damit einhergehende Mehrbelastung abgegolten werden sollen, ist es gerechtfertigt, sie als unpfändbare Zulagen einzustufen. Dies steht zudem im Einklang mit dem Zweck der Gewährung von Pfändungsschutz. Denn dessen Zweck ist der Schutz vor sogenannter “Kahlpfändung”. Dem Schuldner, in dessen Arbeitseinkommen vollstreckt wird, soll ein Teil des Arbeitseinkommens pfändungsfrei belassen werden, der ihm und seiner Familie die Führung eines menschenwürdigen Lebens ermöglicht und ihn darüber hinaus in der Motivation stärkt, aus eigener Kraft seinen Lebensunterhalt zu verdienen und seine Verschuldung zu überwinden.
Zum nachlesen im Voll-/Langtext
Verwaltungsgericht - VG - Stuttgart, Urteil vom 11.06.2012, Az:3 K 878/12
Verwaltungsgericht - VG - Düsseldorf, Urteil vom 04.05.2012, Az: 13 K 5526/10
Verwaltungsgericht - VG - Hannover, Beschluss vom 15.06.2009, Az: 2 B 1717/09
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht -OVG - Beschluss vom 17.09.2009, Az: 5 ME 186/09
§ 850a Zivilprozessordnung - ZPO (Unpfändbare Bezüge) im Praxistipp
Rechtliche Grundlagen
§ 850a Zivilprozessordnung - ZPO (Unpfändbare Bezüge)
§ 850a Zivilprozessordnung - ZPO (Unpfändbare Bezüge)
Unpfändbar sind
1. zur Hälfte die für die Leistung von Mehrarbeitsstunden gezahlten Teile des Arbeitseinkommens;
2. die für die Dauer eines Urlaubs über das Arbeitseinkommen hinaus gewährten Bezüge, Zuwendungen aus Anlass eines besonderen Betriebsereignisses und Treugelder, soweit sie den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen;
3. Aufwandsentschädigungen, Auslösungsgelder und sonstige soziale Zulagen für auswärtige Beschäftigungen, das Entgelt für selbstgestelltes Arbeitsmaterial, Gefahrenzulagen sowie Schmutz- und Erschwerniszulagen, soweit diese Bezüge den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen;
4. Weihnachtsvergütungen bis zum Betrag der Hälfte des monatlichen Arbeitseinkommens, höchstens aber bis zum Betrag von 500 Euro;
5. Heirats- und Geburtsbeihilfen, sofern die Vollstreckung wegen anderer als der aus Anlass der Heirat oder der Geburt entstandenen Ansprüche betrieben wird;
6. Erziehungsgelder, Studienbeihilfen und ähnliche Bezüge;
7. Sterbe- und Gnadenbezüge aus Arbeits- oder Dienstverhältnissen;
8. Blindenzulagen.