Der Kläger stritt mit seinem Arbeitgeber um die Zahlung von Nachtzuschlägen. Er arbeitete im Betrieb seit Januar 2003 als Zusteller und verrichtete seine Tätigkeit regelmäßig nachts; sein Arbeitsvertrag enthielt die Regelung, dass er für Nachtarbeit nach § 2 Abs. 4 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) einen Nachtzuschlag auf das ihm zustehende Bruttoarbeitsentgelt erhält. Die Beklagte zahlte dem Kläger auf die Nachtarbeitsstunden einen Zuschlag in Höhe von 10 %.
Über seine Bevollmächtigten vom DGB Rechtsschutzbüro Bayreuth forderte er einen Nachtzuschlag in Höhe von weiteren 20 % ein. Er hielt insgesamt 30 % für angemessen i.S.v. § 6 V ArbZG und stützte sich hierzu vor allem auf eine Entscheidung des BAG vom 10. November 2021 (10 AZR 261/20).
Es bleibt dabei
Das BAG habe dies zutreffend bereits 2021 entschieden, hielt das Arbeitsgericht der Beklagten vor. Mitarbeiter:innen, die ihre Arbeitsleistung in Dauernachtarbeit erbringen, stehe ein angemessener Ausgleich i.S.v. § 6 Abs. 5 ArbZG in Form eines Nachtarbeitszuschlages in Höhe von 30 % zu; dies gelte gerade auch für Zeitungszusteller. Das BAG habe sich in seinen Entscheidungen ausführlich mit den hiergegen von Arbeitgeberseite vorgebrachten Argumenten auseinandergesetzt. Der Arbeitgeber hatte beim BAG u.a. auf eine leichte Tätigkeit, einen wohnortnahen Einsatz, den Schutz der Pressefreiheit und auf eine wirtschaftliche Überforderung hingewiesen. Das rechtfertige keine niedrigeren Zuschläge.
Das BAG argumentierte in der Entscheidung von 2021, dass die Belastung, die mit einer Arbeitsleistung in Dauernachtarbeit verbunden ist, die gewöhnlich mit Nachtarbeit einhergehende Belastung übersteigt. Lange Nachtarbeitszeiträume seien besonders nachteilig für die Gesundheit der Arbeitnehmer:innen und könnten die Sicherheit bei der Arbeit beeinträchtigen. Der nach § 6 Abs. 5 ArbZG für Dauernachtarbeit geschuldete Ausgleich durch einen Zuschlag auf das Bruttoarbeitsentgelt erhöhe sich bei Dauernachtarbeit regelmäßig auf 30 %. Das sei bei Dauernachtschicht angemessen. Die Grundrechte des Arbeitgebers aus Art 12 Abs. 1 S. 1 (Berufsfreiheit) und Art 14 Abs. 1 S. 1 GG (Eigentumsschutz) stünden dem nicht entgegen.
Auch für das Austragen von Zeitungen in Dauernachtarbeit sei ein Ausgleich durch einen Zuschlag in Höhe von 30 % auf das Bruttoarbeitsentgelt regelmäßig angemessen i.S.v. § 6 Abs. 5 ArbZG. Die Medienfreiheit gewährleiste nicht, dass Medienerzeugnisse verbreitet werden könnten, ohne die allgemein geltende Rechtsordnung zu beachten. Der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer:innen, den § 6 Abs. 5 ArbZG mittelbar fördern solle, sei ein überragend wichtiges Gemeinwohlziel von Verfassungsrang. Er dürfe wirtschaftlichen Erwägungen nicht untergeordnet werden.
Arbeitgeber haben ein Wahlrecht
§ 6 Abs. 5 ArbZG sehe ein Wahlrecht vor. Soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen, könne der Arbeitgeber dem/der Nachtarbeitnehmer:in für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt gewähren. Dieses Wahlrecht stehe dem Anspruch des Klägers nicht entgegen.
Es handele sich hierbei um eine sog. Wahlschuld nach den §§ 262 ff. BGB. Habe der Arbeitgeber sein Wahlrecht ausgeübt, so sei diese Wahl grundsätzlich verbindlich. Das gelte nach der Rechtsprechung des BAG im Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis jeweils zumindest für den betreffenden Kalendermonat, d. h. der Arbeitgeber könne seine ausgeübte Wahl erst jeweils für den Folgemonat ändern.
Arbeitgeber hatte Wahlrecht ausgeübt
Im Fall des Klägers habe die Beklagte ihr Wahlrecht für die im Streit stehenden Monate ausgeübt, indem sie einen Zuschlag in Höhe von 10 % bezahlte. An die Ausübung dieses Wahlrechtes bleibt sie gebunden, sie habe sich für die Zahlung eines Zuschlages entschieden und diesen müsse das Gericht nun daraufhin prüfen, ob er angemessen i.S.d. Gesetzes ist.
Hinsichtlich der Höhe der Forderung machte sich das Arbeitsgericht die vom BAG getätigten Überlegungen und die hierauf fußende Rechtsauffassung zu eigen, dass nämlich vorliegend 30 % als Nachtarbeitszuschlag angemessen sind.
Die Beklagte hatte sich zwar auf ein anderes BAG-Urteil bezogen. Dieses habe jedoch einen anderen Sachverhalt betroffen. In der dortigen Konstellation hatte der Arbeitgeber sein Wahlrecht noch nicht ausgeübt.
Es bleibt also dabei: hat der Arbeitgeber sein Wahlrecht bei Beschäftigten in Dauernachtschicht einmal so ausgeübt, dass diesen Nachtzuschläge gezahlt werden sollen, dann muss er sich auch an die Rechtsprechung des BAG halten, wonach diese Zuschläge i.d.R. 30 % betragen.