Tarifverträge sehen je nach Branche unterschiedliche Voraussetzungen für den Erschwerniszuschlag vor.Neumann arbeitet als Innenreiniger in der Gebäudereinigung. Hier gilt der allgemeinverbindliche Rahmentarifvertrag für gewerbliche Beschäftigte. Es wurde im August 2020 die Maskenpflicht eingeführt. Er meint, für die Erschwernis mit der Maske zu arbeiten, müsste es doch einen Zuschlag geben.
Regelung in der Gebäudereinigung
§ 10 des Rahmentarifvertrags sieht einen Zuschlag von 10% pro Stunde vor, wenn Arbeiten mit persönlicher Schutzausrüstung mit vorgeschriebenen Atemmasken geleistet werden.
Genau das ist es doch, meint Neumann. Er beansprucht für die Stunden ab August 2020, in denen er mit Maske arbeiten musste, den Erschwerniszuschlag von 10% und klagt vor dem Arbeitsgericht.
Vorschrift galt schon vor Corona
Das Arbeitsgericht und danach das Berufungsgericht, das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, schauten genau hin:
Neumann muss bei der Arbeit eine sog. OP-Maske tragen. Das sind die medizinischen Masken, meist außen blau, die leichter sind und durch die sich besser atmen lässt, als durch die FFP2 Masken. Die Gerichte haben auf den Zweck der tariflichen Vorschrift abgestellt. Die Vor-Corona-Vorschrift wollte damit besondere Erschwernisse mit einem Zuschlag belohnen. Die OP-Maske sei zwar eine Atemschutzmaske, das Wesen einer persönlichen Schutzausrüstung sei aber der Eigenschutz. Und die OP-Maske diene nicht vor allem dem Eigenschutz, anders als FFP2- oder FFP3-Masken.
So kamen die Richter*innen zu dem Ergebnis: Nur das Tragen der FFP2- oder FFP3-Maske ist eine Schutzmaßnahme zur Verhinderung der eigenen Ansteckung (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. November 2021 - 17 Sa 1067/21).
Eine Berufung ist beim Bundesarbeitsgericht anhängig.
Erschwerniszuschlag im öffentlichen Dienst
Neumanns Frau muss mit FFP2-Maske arbeiten. Sie ist hauswirtschaftliche Helferin in einer Klinik. Dort gilt der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst.
Die Vorschrift des § 19 TVöD hängt den Korb noch viel höher. Es müsse eine außergewöhnliche Erschwernis vorliegen. Es werden Wörter wie extrem und besondere Gefährdung verwendet, Beispiele sind eine extreme nicht klimabedingte Hitzeeinwirkung oder eine besonders starke Strahlenexposition.
Auch Neumanns Frau klagt vergeblich. Das Gericht sah in dem Tragen von einer FFP2-Maske schon eine Erschwernis, aber keine außergewöhnliche Erschwernis, wie die Tarifvertragsparteien sie vorsähen (Arbeitsgericht Karlsruhe, Urteil vom 8. Dezember 2021 - 9 Ca 288/31).
Arbeiten auf einer Corona-Station
Hier wird man wohl eine außergewöhnliche Gefährdung annehmen müssen. Doch § 19 Absatz 3 TVöD regelt hierzu, dass dann kein Erschwerniszuschlag zu zahlen ist, wenn geeignete Schutzmaßnahmen dem Rechnung tragen.
Keine Gleichbehandlung bei unterschiedlichen Branchen
Neumanns Frau hat sich vergeblich auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen. In der Klinik arbeiten Kollegen*innen mit ähnlichen Tätigkeiten, die bei einer Gebäudereinigung arbeiten und FFP2-Masken tragen müssen. Diese bekommen einen Erschwerniszuschlag. Sie sieht darin einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
Auch damit hat sich das Arbeitsgericht Karlsruhe auseinandergesetzt. Der Anspruch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz besteht dann nicht, wenn Beschäftigte zwar dieselbe Arbeit verrichten, dies aber für Arbeitgeber aus verschiedenen Branchen tun, die unterschiedliche Tarifverträge mit andersartigen Vergütungssystemen anwenden.
Outgesourcte können profitieren
Unterschiedliche Branchen, unterschiedlich hohe Löhne, andere Voraussetzungen für Zuschläge - das ist die Realität. Gerade Kliniken haben Arbeiten etlicher Bereiche fremdvergeben. Oft ist das für die Beschäftigten von Nachteil. Hier aber, wenn die Mitarbeiter*innen einer Gebäudereinigung in der Klinik bei ihren Arbeiten eine FFP2- oder FFP3-Maske tragen müssen, dann sollten diese um den Erschwerniszuschlag nach § 10 RTV kämpfen, falls er nicht gewährt wird.
Das sagen wir dazu:
Obwohl zurzeit die meisten Corona-Maßnahmen aufgehoben sind, wird das Problem spätestens mit den nächsten Maßnahmen wieder aufploppen.
Wer den Fuß in der Tür haben will, um vielleicht von der Entscheidung zu profitieren, sollte seine Ansprüche fristgerecht geltend machen. Und, wenn sonst Ansprüche verfallen, ggfls. auch klagen, wenn keine Vereinbarung im Betrieb zu erreichen ist, wonach eine höchstrichterliche Entscheidung abgewartet werden kann.
Das sagen wir dazu