Das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen hat entschieden, dass die Verzugskostenpauschale in Höhe von 40 Euro im Arbeitsrecht auch dann gilt, wenn der Arbeitgeber nur eine äußerst geringfügige Summe schuldig geblieben ist.
Arbeitgeber behält Porto ein
Die Klägerin ist im Gebäudereinigungsunternehmen der Beklagten als Reinigungskraft beschäftigt. Die Beklagte übersendete die Lohnabrechnungen per Post und zog der Klägerin die Kosten hierfür in Höhe von 70 Cent jeweils vom Monatslohn ab.
Die Klägerin wehrte sich gegen diesen Abzug und klagte für die Monate Juli und August 2016 jeweils 70 Cent sowie jeweils 40 Euro Verzugspauschale ein.
Das Arbeitsgericht Oldenburg sprach ihr die 70 Cent für die Monate Juli und August zu, lehnte aber die Verzugspauschale ab, da diese im Arbeitsverhältnis nicht gelte. Hiergegen legte die Klägerin Berufung ein.
Verzugspauschale gilt auch im Arbeitsrecht
Das LAG Niedersachsen gab ihr in vollem Umfang Recht. In der Begründung verwies das Gericht auf die bereits vorliegenden Urteile der Landesarbeitsgerichte Köln und Baden-Württemberg, die ebenfalls von einer Anwendbarkeit der Verzugspauschale ausgehen.
Die Verzugspauschale fuße auf der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr, daher sei der Anwendungsbereich auch im Arbeitsrecht eröffnet.
Zudem sei es widersinnig, wenn Arbeitnehmer bei verspäteter oder unvollständiger Zahlung des Arbeitsentgeltes zwar den „normalen“ Verzugszins geltend machen könnten, nicht aber den neuen Pauschalschadensersatz.
Pauschale gilt auch bei geringen Beträgen
Auch die Tatsache, dass die Klägerin lediglich einen kleinen Betrag gelten gemacht hat, stehe einem Anspruch nicht entgegen. Denn eine Pauschale werde ohne Rücksicht auf die tatsächlich entstandenen Kosten und Aufwendung gezahlt.
Im Übrigen gebe es keinen Erfahrungssatz, wonach der Aufwand für die Geltendmachung einer geringfügigen Forderung geringer ist, als bei einer Forderung größeren Umfanges. Entscheidend sei nicht die Höhe der Forderung, sondern die Komplexität der Rechtslage.
Das LAG Niedersachsen hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Urteil des Landesarbeitsgericht Niedersachsen vom 20.04.2017, Az.: 5 Sa 1263/16
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Dem Urteil des Landesarbeitsgerichts ist uneingeschränkt zuzustimmen. Zur Anwendbarkeit der Kostenpauschale im Arbeitsrecht haben sich mittlerweile schon einige Landesarbeitsgerichte geäußert, so dass sich hier langsam eine Tendenz abzeichnet.
Einer „Bagatellgrenze“ hat das LAG mit überzeugenden Argumenten einen Riegel vorgeschoben. Es ist gerade der Sinn einer Pauschale, dass die Kostenhöhe eben keine Rolle spielt, sondern dass sie auf jeden Fall anfällt.
Wäre dies anders, hätte man ein fatales Signal gesetzt, nämlich dass Arbeitgeber unterhalb einer bestimmten Grenze quasi ungestraft Lohn einbehalten dürfen. Dies liefe aber dem Anliegen der EU-Zahlungsverzugsrichtlinie entgegen, die ja die Zahlungsmoral im Geschäftsverkehr steigern will.
Und schließlich weist das Gericht zu Recht darauf hin, dass die Verzugspauschale ein Ausgleich für die Mühen sein soll, die man als Arbeitnehmer hat, wenn man seinem Lohn hinterherlaufen muss. Und diese Mühen müssen nicht geringer sein, weil der streitige Betrag gering ist.
Rechtliche Grundlagen
§ 288 Abs 5 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
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