Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat die Klage von Amazon auf Untersagung des Streiks abgewiesen. Amazon muss eine Einschränkung des Besitzrechtes im Hinblick auf die gewerkschaftliche Betätigungsfreiheit hinnehmen.
Wem gehört der Parkplatz?
Schon seit längerer Zeit kämpfen die Mitarbeiter von Amazon Pforzheim darum, dass die Tarifverträge des Einzel- und Versandhandels in Baden-Württemberg auch bei ihnen zur Anwendung kommen. Dazu wollte die Gewerkschaft Streikposten vor dem Firmengelände postieren, um so mit der arbeitswilligen Belegschaft in Kontakt zu treten.
Problem dabei war allerdings, dass der Platz vor dem Betriebsgelände, auf dem diese Posten eingesetzt werden sollten, ein von der Firma Amazon gepachteter Parkplatz ist. Das Unternehmern berief sich auf sein Besitzrecht und beantragte beim Arbeitsgericht, den Streik zu verbieten.
Beim Arbeitsgericht Berlin war Amazon hiermit sogar erfolgreich: Die Richter*innen gaben dem Antrag mit der Begründung statt, der Versandhändler könne einen Streik auf seinem Grund und Boden verbieten.
Landesarbeitsgericht: Streikrecht verfassungsrechtlich geschützt
Das sah das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg anders und wies die Klage ab. Es sei zwar richtig, dass sich Amazon auf sein Besitzrecht berufen könne. Dies sei jedoch im Hinblick auf die von Grundgesetz geschützte gewerkschaftliche Betätigungsfreiheit eingeschränkt.
Angesichts der örtlichen Verhältnisse könne die Gewerkschaft ver.di nur auf dem Parkplatz mit der Belegschaft kommunizieren und arbeitswillige Mitarbeiter zur Teilnahme an dem Arbeitskampf auffordern.
Außerdem sei der Arbeitsablauf bei Amazon in keiner Weise beeinträchtigt. Vor diesem Hintergrund müsse das Besitzrecht hinter der gewerkschaftlichen Betätigungsfreiheit zurückstehen, Amazon könne die Streikmaßnahme nicht untersagen.
ver.di begrüßt die Entscheidung des Landesarbeitsgericht
Evelyn Räder vom Ressort Recht/Rechtspolitik der ver.di- Bundesverwaltung begrüßt die Entscheidung des Gerichts: „Seit mehr als zwei Jahren nimmt Amazon verschiedene Gerichte in Anspruch, um uns an der wirkungsvollen Ausübung unseres Streikrechts zu hindern.“
Nach dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg stütze nun auch das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg die Auffassung, eine Streikmaßnahme könne nicht allein aufgrund der besitzrechtlichen Verhältnisse untersagt werden.
Räder fordert von Amazon nun auf, sich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren: „Statt sich in solche Streitigkeiten zu verzetteln, sollte Amazon endlich Tarifverhandlungen mit ver.di aufnehmen!“
Pressemitteilung des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zum Urteil vom 29.03.2017 - 24 Sa 979/16 hier
Lesen sie auch unsere Beiträge
Ver.di bremst Amazon erneut aus!
Gericht untersagt Sonntagsarbeit bei Amazon im Logistikzentrum Leipzig
Ver.di im Kampf gegen die Sonntagsarbeit
Das sagen wir dazu:
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes setzt den richtigen Maßstab an. Anders, als noch die Vorinstanz, hat es die grundrechtlich geschützten Güter gegeneinander abgewogen und ist zu einem in der Sache überzeugenden Ergebnis gelangt.
Denn was ist das Recht auf gewerkschaftliche Betätigung wert, wenn keiner davon Notiz nehmen kann? Das LAG orientiert sich hier erkennbar an der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts zur Demonstrationsfreiheit: Geschützt ist nicht nur die Möglichkeit, sich irgendwie zu versammeln, sondern auch und gerade die Möglichkeit, hiermit andere Menschen zu erreichen.
Das LAG wertet die gewerkschaftlichen Betätigungsfreiheit richtigerweise als Kommunikationsgrundrecht, das auf Außenwirkung angelegt ist. Gemessen daran ist die Beeinträchtigung des Arbeitgebers zu vernachlässigen, da es sich nicht um umfriedetes Betriebsgelände, sondern nur um einen vorgelagerten Parkplatz handelt.
Würde man die Sache anders sehen, könnte man Arbeitgebern nur raten, möglichst viel Vorfeldgelände hinzu zu mieten, um nicht nur kampfbereite Gewerkschaften, sondern auch Demonstrationen von Verbrauchern oder Kamerateams auf Abstand zu halten.
So einfach darf es auch das Bundesarbeitsgericht , bei dem die Sache wahrscheinlich landen wird, nachdem das LAG die Revision zugelassen hat, den Arbeitgebern nicht machen.
Das sagen wir dazu