Grundsätzlich ist es erlaubt, Vertragsstrafen im Arbeitsvertrag zu vereinbaren. Eine solche Klausel räumt dem Arbeitgeber das Recht ein, ohne Schadensnachweis eine pauschale Geldsumme vom Arbeitnehmer fordern zu können, wenn der einen Vertragsverstoß begeht.
Gerichte überprüfen Vertragsstrafen
Diese Regelungen nehmen Arbeitgeber in von ihnen vorformulierten Arbeitsverträgen nur in ihrem eigenen Interesse auf. Folge ist, dass diese Klauseln als Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten.
Die Gerichte halten die Klauseln im Arbeitsrecht für zulässig, sie müssen sich aber einer strengen Prüfung unterziehen lassen. Denn der Arbeitnehmer soll genau wissen, welcher Pflichtverstoß zu welcher Strafe führt. Grundsätzlich sind Vertragsstrafen nur wirksam, wenn sie:
- klar und verständlich sind,
- nicht überraschend sind (überraschend wäre eine Klausel in winziger Schriftgröße oder an versteckter Stelle oder unter nichtssagender Überschrift)
- den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen. (Es darf nicht zu einer Übersicherung des Arbeitgebers kommen, die Strafe darf nicht zu hoch sein, nicht jedes Verhalten darf durch Vertragsstrafe sanktioniert werden)
Außerdem darf nur schuldhaftes, also fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten, des Arbeitnehmers sanktioniert werden.
Für Ausbildungsverträge hat der Gesetzgeber im Berufsbildungsgesetz geregelt, dass eine solche Vertragsklausel nichtig - also von vornherein unbeachtlich - ist.
Vertragsstrafen im Arbeitsvertrag
Neumann hat den neuen Arbeitsvertrag vor sich liegen. Lohn und Urlaubstage sind für ihn akzeptabel. Der Vertrag enthält acht Seiten. Neumann will nicht reinfallen und liest alles durch.
Die 7. Seite enthält unter dem Stichwort „Vertragsstrafen“ eine lange Liste von Verstößen, bei denen ihm Geld gekürzt werden soll (Anm. Die nachfolgenden Klauseln sind nicht ausgedacht. So oder ähnlich finden sie sich insbesondere in Arbeitsverträgen von Verleihfirmen).
Der Mitarbeiter hat eine Vertragsstrafe zu zahlen, wenn
- er die Arbeit nicht aufnimmt,
- er das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist löst,
- er Arbeitsbummelei begeht,
- er die Arbeit wiederholt verspätet aufnimmt,
- er wiederholt Tätigkeitsnachweise oder Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht rechtzeitig einreicht,
- er gegen die Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitspflicht aus dem Arbeitsvertrag verstößt,
- er mit Krankheit droht,
- er Nachweis- und Meldepflichten schuldhaft nicht nachkommt,
- er schuldhaft eine unverwertbare Arbeitsleistung erbringt,
- er unter Alkohol/Drogeneinfluss am Arbeitsplatz angetroffen wird,
Sind die Klauseln klar, verständlich und nicht überraschend?
Das Transparenzgebot gebietet es, dass die Klausel klar und verständlich sind. Daran scheitert Klausel Nr. 3. Oder wer kann konkret sagen, wann langsames Arbeiten eine Arbeitsbummelei ist?
Auch Klausel Nr. 9 dürfte nicht konkret genug sein, Arbeitnehmer schulden die bestmögliche Arbeitsleistung, zu der sie fähig sind. Wenn tatsächlich dem Arbeitnehmer ein gravierender Fehler unterläuft, und so die Arbeitsleistung nicht verwertbar ist, mag der Arbeitgeber das abmahnen können. Ist das Anstreichen einer Wand, die noch mal überstrichen werden muss, unverwertbar?
Bei den Klauseln 4 und 5 ist das Wörtchen „wiederholt“ wenig konkret. Heißt es, dass schon der zweite Verstoß zur Strafe führt, oder erst der dritte oder vierte? Zu diesen Klauseln gleich mehr.
Für überraschend hält die Verfasserin keine der Klauseln. Der Passus ist in gleicher Schriftgröße wie der Rest des Vertrages verfasst und er ist erkennbar mit „Vertragsstrafen“ überschrieben.
Nichtantreten der Stelle oder fristlos Hinschmeißen kann teuer werden.
Neumann hat unterschrieben und denkt sich, morgen habe ich zwar noch ein besseres Jobangebot, wenn ich das bekomme, kann ich einfach diese Stelle nicht antreten.
Gerade für diesen Fall sind aber Vertragsstrafen zulässig. Es leuchtet ein, dass Arbeitgeber mit Arbeitskräften disponieren. Wenn dann jemand fristlos hinschmeißt oder die Stelle gar nicht erst antritt, führt das beim Arbeitgeber schnell zu einem Schaden.
Wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich Vertragsbruch begeht, hat der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an der Einhaltung der arbeitsvertraglichen Hauptpflicht, während der Arbeitnehmern weder ein Recht noch ein schützenswertes Interesse daran hat, den Arbeitsvertrag zu brechen.
Diese Fälle dürfen durch Vertragsstrafen sanktioniert werden. Die Klauseln Nr. 1. und Nr. 2. müssen vom Arbeitnehmer beachtet werden. Auch eine Klausel, die sanktioniert, wenn dem Arbeitnehmer fristlos verhaltensbedingt gekündigt wird, wurde von den Gerichten für zulässig gehalten.
Umstritten: Vertragsstrafen bei Nebenpflichtverletzungen
Die Klauseln Nr. 4 (Zuspätkommen), Nr. 5 (verspätetes Einreichen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen), Nr.8 (Meldepflichtverstöße) sanktionieren Nebenpflichten des Arbeitsvertrags.
Hier kann der Arbeitgeber mit normalen arbeitsrechtlichen Mitteln wie zum Beispiel einer Abmahnung reagieren. Außerdem versteht sich von selbst, dass er die nicht gearbeitete Zeit nicht bezahlen muss. Die Rechtsprechung hat die Klauseln früher aber trotzdem grundsätzlich für möglich gehalten.
In neueren Entscheidungen wird betont, dass der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an diesem pauschalierten Schadensersatz haben muss. Nach Auffassung der Unterzeichnerin stellen diese Klauseln eine Übersicherung des Arbeitgebers da, weil ihm andere Möglichkeiten der Sanktionierung zur Verfügung stehen. Das hat zur der Folge, dass sie unwirksam sind. Es darf nicht jeder Pflichtverstoß mit Geldabzügen belegt werden.
Firmengeheimnisse weitergeben kann ebenfalls teuer werden
Diese Klausel Nr. 6 (Verrat von Firmengeheimnissen) hat für Neumann inhaltlich keine Bedeutung. An Firmengeheimnisse kommt er bei der beabsichtigen Stelle gar nicht ran. Auch ein Wettbewerbsverbot (das zulässig mit einer Vertragsstrafe gesichert werden kann) betrifft Neumann nicht.
Drohen mit Krankheit (Klausel Nr. 7) ist ohnehin keine geschickte Strategie des Arbeitnehmers. Denn wenn er sich nach Androhung tatsächlich krankmeldet, kann das ein Vorwurf sein, der zur Kündigung berechtigt. Dieses Verhalten auch noch mit einer Vertragsstrafe zu belegen, stellt wieder eine Übersicherung dar.
Zu Klausel Nr. 10 (Drogen/Alkohol): Sicherlich verstößt ein Mitarbeiter, der berauscht zur Arbeit erscheint, gegen seine Vertragspflichten. Der Arbeitgeber kann seine Konsequenzen daraus ziehen, für eine Vertragsstrafe gibt es nach Auffassung der Autorin aber kein berechtigtes Interesse. Erst recht nicht, wenn Arbeitnehmer suchtkrank sind. Denn Krankheit darf nicht bestraft werden.
Höhe der Vertragsstrafe
Ist die Vertragsstrafe zu hoch, benachteiligt sie den Arbeitnehmern auch unzumutbar. In der Regel darf sie ein Bruttomonatsgehalt nicht überschreiten.
Die Vertragsstrafe bei vorzeitiger Vertragsauflösung darf nicht höher sein, als der Lohn, den der Arbeitnehmer bis zum nächstmöglichen ordentlichen Kündigungstermin verdienen würde.
Neumann kriegt die andere bessere Stelle und kündigt noch vor Arbeitsantritt fristlos. Der Arbeitgeber will einen Monatslohn von ihm. Bei Neumann war eine Probezeit mit 14tägiger Kündigungsfrist vereinbart. Ein Monatslohn - wie sein Vertrag vorsah - ist demnach unangemessen hoch, da die Kündigungsfrist nur halb so lang ist.
Unwirksame Klauseln werden nicht angepasst
Glück für Neumann: Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion besagt, dass die Strafe nicht auf den angemessenen Teil herabgesetzt werden darf. Da der Arbeitgeber nicht zwischen der Höhe der Vertragsstrafe bei Probezeit und danach unterschieden hat, benachteiligt Neumann diese Klausel unangemessen und er muss gar nicht zahlen.
Der Verwender der Klauseln soll das Risiko selber tragen, wenn er zu hoch greift.
Der Vertrag von Neumann sah auch beim Verstoß gegen Nebenpflichten ein Bruttotagesentgelt für die Zuwiderhandlung vor. Für fünf Minuten Zuspätkommen den Verdienst eines ganzen Tages einbehalten, ist nach den obigen Grundsätzen zu hoch.
Bei anderen Nebenpflichten leuchtet es überhaupt nicht ein, was für ein Schaden da entstehen soll. Dann aber ist ein Tagesverdienst nach der Auffassung der Autorin ebenfalls zu hoch.
Lesen sie auch
Das sagen wir dazu:
Arbeitnehmer, die von einer Zeitarbeitsfirmen einen Arbeitsvertrag vorgelegt bekommen, sind oft nicht in der Position Klauseln aus dem Arbeitsvertrag streichen zu lassen.
Lohnabrechnung genau prüfen
Bei Kündigungsrechtsstreiten werden uns Schlussabrechnungen vorgelegt. Da sind gerne Nettoabzüge enthalten: Für Werkzeug, Arbeitskleidung oder auch Vertragsstrafen.
Gerade Lohnabrechnungen mit vielen Positionen sollten sich Arbeitnehmer genauer anschauen und nicht nur unten den Auszahlungsbetrag. Denn unabhängig davon ob Einbehalte unwirksam sind, die Verträge sehen regelmäßig Fristen vor, innerhalb der der Arbeitnehmer dies reklamieren muss.
Wenn wegen Auszahlung von Stunden oder sonstigen Leistungen erst viel später auffällt, dass da unberechtigte Nettoabzüge gemacht wurden, ist das Kind im Brunnen.
Also rechtzeitig handeln und unberechtigte Abzüge zurückholen. Vor einer Eigenkündigung sollte daher besser Rat eingeholt werden. Auch eine solche Beratung ist eine Leistung des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes.
Rechtliche Grundlagen
§12 Abs.2 Nr. BBiG
(1) Eine Vereinbarung, die Auszubildende für die Zeit nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses in der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit beschränkt, ist nichtig. Dies gilt nicht, wenn sich Auszubildende innerhalb der letzten sechs Monate des Berufsausbildungsverhältnisses dazu verpflichten, nach dessen Beendigung mit den Ausbildenden ein Arbeitsverhältnis einzugehen.
(2) Nichtig ist eine Vereinbarung über
1. die Verpflichtung Auszubildender, für die Berufsausbildung eine Entschädigung zu zahlen,
2. Vertragsstrafen,
3. den Ausschluss oder die Beschränkung von Schadensersatzansprüchen,
4. die Festsetzung der Höhe eines Schadensersatzes in Pauschbeträgen.
Das sagen wir dazu