Durch zwei Bescheide vom 10.12.2014 bewilligte das Regierungspräsidium (RP) Kassel auf Antrag von Amazon, dass bis zu 900 Beschäftigte an den Sonntagen 14. und 21.12.2014 in zwei Bad Hersfelder Logistikzentren arbeiten dürfen.
ver.di vor Gericht erfolgreich
Hiergegen erhob die Gewerkschaft ver.di Klage, die vor dem Verwaltungsgericht (VG) Kassel Erfolg hatte.
In seiner Entscheidung vom 13.06.2017 kam die 3. Kammer des VG Kassel zu dem Ergebnis, dass die vom RP Kassel erteilte Bewilligung zur Sonntagsarbeit für den 21.12.2014 in zwei Logistikzentren rechtswidrig war.
Unter Hinweis auf die arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen wies das Gericht daraufhin, dass Arbeitnehmer an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen in der Zeit von 0-24 Uhr nicht beschäftigt werden dürfen.
Gesetzliche Ausnahmen greifen nicht
Die sich aus dem Arbeitszeitgesetz ergebenden Ausnahmemöglichkeiten, wonach Arbeitnehmer an bis zu fünf Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden dürfen, sei nur dann anwendbar, wenn besondere Verhältnisse zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens dies erforderlich mache.
Als Schaden sei jeder Nachteil anzusehen, den der Arbeitgeber aufgrund der besonderen Umstände erleide, zum Beispiel: Schadensersatzansprüche des Kunden, Vertragsstrafen oder, Verlust von Kunden.
Im vorliegenden Fall sei jedoch nicht substantiiert dargelegt worden, welcher Schaden zu erwarten und warum dieser unverhältnismäßig sei. Es reiche insoweit nicht aus, dass die Beklagte bei ausbleibender Sonntagsarbeit gegenüber ihren Lieferanten für nicht angenommene Ware und gegenüber Kunden für nicht rechtzeitig gelieferte Ware hafte. Auch die pauschale Angabe eines möglichen Kundenverlusts könne keine Ausnahme vom Verbot der Sonntagsarbeit rechtfertigen.
Geschäftsmodell muss sich nach dem Gesetz richten
Klar und unmissverständlich wies das VG Kassel darauf hin, dass die Beklagte
den Sonn- und Feiertagsschutz in ihrem Geschäftsmodell berücksichtigen habe und anders planen muss.
Durch Lieferversprechen gegenüber Kunden sei es nicht möglich sich vom Sonntagsarbeitsverbot einfach freizusprechen. Ein lediglich wirtschaftliches Umsatzinteresse des Unternehmens und ein täglich zu befriedigendes Erwerbsinteresse der Kunden genüge nicht, um Ausnahmen von dem verfassungsrechtlich unmittelbar verankerten Schutz der Sonn- und Feiertagsarbeit zu rechtfertigen.
Überdies sei die Sonntagsarbeit auch nicht erforderlich gewesen, denn man hätte die Abfertigung der erhöhten Bestellmenge in andere Logistikzentren auslagern und so eine Verteilung vornehmen können. Bevor eine Ausnahme vom Sonntagsverbot in Frage komme, müssten alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen werden. Eben hieran aber habe es gefehlt, weshalb der Klage stattzugeben war.
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Rechtliche Grundlagen
§ 9 Abs. 1 ArbZG, § 13 Abs. 3 Nr. 2 lit. b ArbZG
Sonn- und Feiertagsruhe
(1) Arbeitnehmer dürfen an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen von 0 bis 24 Uhr nicht beschäftigt werden.
Arbeitszeitgesetz (ArbZG)
§ 13 Ermächtigung, Anordnung, Bewilligung
(1) Die Bundesregierung kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zur Vermeidung erheblicher Schäden unter Berücksichtigung des Schutzes der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe
1. die Bereiche mit Sonn- und Feiertagsbeschäftigung nach § 10 sowie die dort zugelassenen Arbeiten näher bestimmen,
2. über die Ausnahmen nach § 10 hinaus weitere Ausnahmen abweichend von § 9
a) für Betriebe, in denen die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- oder Feiertagen zur Befriedigung täglicher oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich ist,
b) für Betriebe, in denen Arbeiten vorkommen, deren Unterbrechung oder Aufschub
aa) nach dem Stand der Technik ihrer Art nach nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten möglich ist,
bb) besondere Gefahren für Leben oder Gesundheit der Arbeitnehmer zur Folge hätte,
cc) zu erheblichen Belastungen der Umwelt oder der Energie- oder Wasserversorgung führen würde,
c) aus Gründen des Gemeinwohls, insbesondere auch zur Sicherung der Beschäftigung,
zulassen und die zum Schutz der Arbeitnehmer und der Sonn- und Feiertagsruhe notwendigen Bedingungen bestimmen.
(2) Soweit die Bundesregierung von der Ermächtigung des Absatzes 1 Nr. 2 Buchstabe a keinen Gebrauch gemacht hat, können die Landesregierungen durch Rechtsverordnung entsprechende Bestimmungen erlassen. Die Landesregierungen können diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf oberste Landesbehörden übertragen.
(3) Die Aufsichtsbehörde kann
1. feststellen, ob eine Beschäftigung nach § 10 zulässig ist,
2. abweichend von § 9 bewilligen, Arbeitnehmer zu beschäftigen
a) im Handelsgewerbe an bis zu zehn Sonn- und Feiertagen im Jahr, an denen besondere Verhältnisse einen erweiterten Geschäftsverkehr erforderlich machen,
b) an bis zu fünf Sonn- und Feiertagen im Jahr, wenn besondere Verhältnisse zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens dies erfordern,
c) an einem Sonntag im Jahr zur Durchführung einer gesetzlich vorgeschriebenen Inventur,
und Anordnungen über die Beschäftigungszeit unter Berücksichtigung der für den öffentlichen Gottesdienst bestimmten Zeit treffen.
(4) Die Aufsichtsbehörde soll abweichend von § 9 bewilligen, daß Arbeitnehmer an Sonn- und Feiertagen mit Arbeiten beschäftigt werden, die aus chemischen, biologischen, technischen oder physikalischen Gründen einen ununterbrochenen Fortgang auch an Sonn- und Feiertagen erfordern.
(5) Die Aufsichtsbehörde hat abweichend von § 9 die Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen zu bewilligen, wenn bei einer weitgehenden Ausnutzung der gesetzlich zulässigen wöchentlichen Betriebszeiten und bei längeren Betriebszeiten im Ausland die Konkurrenzfähigkeit unzumutbar beeinträchtigt ist und durch die Genehmigung von Sonn- und Feiertagsarbeit die Beschäftigung gesichert werden kann.