Mit diesem Problem hat sich das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 19. Juni 2018 beschäftigt.
Tarifvertraglicher Anspruch auf zusätzliches Urlaubsgeld
Der Kläger arbeitet bei der Beklagten als Diplom-Ingenieur. Für das Arbeitsverhältnis gilt ein Tarifvertrag. Daraus ergibt sich ein Anspruch des Klägers auf ein zusätzliches Urlaubsgeld. Berechnungsgrundlage für die Höhe sind unter anderem die festen Entgeltbestandteile „ … des laufenden Monats …“
Betriebsvereinbarung
In einer Betriebsvereinbarung ist geregelt, dass das zusätzliche Urlaubsgeld
„ … als Einmalbetrag mit der Abrechnung Mai ausgezahlt wird.“
Verringerung der Arbeitszeit
Der Kläger arbeitete zunächst 40 Stunden pro Woche. Im März nahm er neun Tage Urlaub. Ab dem 1. April reduzierte der Kläger seine wöchentliche Arbeitszeit auf 35 Stunden.
Arbeitgeber reduziert zusätzliches Urlaubsgeld
Da der Kläger im Moment der Auszahlung, also im Mai, nur 35 Stunden pro Woche gearbeitet habe, sei das zusätzliche Urlaubsgeld auf der Grundlage dieser Stundenzahl zu berechnen. Dagegen hat der Diplom-Ingenieur geklagt.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts
Das Bundesarbeitsgericht hatte zu entscheiden, auf welchen Monat für die Berechnung des zusätzlichen Urlaubsgeldes abzustellen ist. Entweder auf den Monat, in dem der Kläger in Urlaub war. Oder auf den Monat, in dem die Arbeitgeberin das zusätzliche Urlaubsgeld ausgezahlt hat. Dazu hat das Gericht den Tarifvertrag ausgelegt.
Auslegung nach dem Wortlaut
Dem Wortlaut der Regelung, „Berechnungsgrundlage der zusätzlichen Urlaubsvergütung sind die festen Entgeltbestandteile des laufenden Monats …“, ist nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nicht zu entnehmen, auf welchen Monat abzustellen ist.
Auslegung nach dem systematischen Zusammenhang
Die tarifliche Regelung besteht nach dem Bundesarbeitsgericht aus zwei Teilen. Zum einen enthält sie einen Anspruch auf Fortzahlung der normalen Vergütung auch während des Urlaubes. Und zum anderen verpflichtet sie die Arbeitgeberin, ein zusätzliches Urlaubsgeld zu bezahlen. Daraus ziehen die Richter*innen den Schluss:
Wenn der Tarifvertrag „… eine Weiterzahlung des Arbeitsentgelts ‚während des Urlaubs` vorsieht` spricht alles dafür, bei der Bemessung der zusätzlichen Urlaubsvergütung denselben Bezugszeitraum, nämlich den Urlaubszeitraum, zugrunde zu legen.“
Außerdem, so das Bundesarbeitsgericht, sei das Urlaubsgeld neben der Fortzahlung der normalen Vergütung zu bezahlen. Es sei also von dieser abhängig. Diesem Gedanken entspreche es, „ … der Berechnung der zusätzlichen Urlaubsvergütung dieselben Parameter zugrunde zu legen wie der Berechnung der Urlaubsvergütung …“
Auslegung nach Gesetzeskonformität
Ist die eine Auslegung mit geltenden Gesetzen vereinbar, die andere jedoch nicht, ist der gesetzeskonformen grundsätzlich der Vorrang zu geben.
Hier führte die Auslegung der Arbeitgeberin zu einer mittelbaren Benachteiligung von Teilzeitkräften. Aber nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer. Etwas anderes gilt nur, wenn sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen.
Beim Kläger wäre die Verringerung der Arbeitszeit der einzige Grund für das geringere zusätzliche Urlaubsgeld. Einen sachlichen Grund, den Kläger schlechter als eine*n in Vollzeit beschäftigte*n Kolleg*in zu stellen, sieht das Bundesarbeitsgericht deshalb nicht. Daher sei nur die Auslegung zugunsten des Klägers gesetzeskonform. Sie sei also zwingend.
Hier finden Sie das vollständige Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Juni 2018 - 9 AZR 3/18