Die Differenzierung der Urlaubsdauer nach dem Lebensalter in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD benachteiligt Beschäftigte, die das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, unmittelbar und verstößt gegen das Verbot der Benachteiligung wegen des Alters.

Welcher Sachverhalt lag dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts zugrunde?


Die am 27. Oktober 1971 geborene und seit 1988 beim beklagten Landkreis beschäftigte Klägerin wollte festgestellt haben, dass ihr in den Jahren 2008 und 2009 und damit schon vor der Vollendung ihres 40. Lebensjahres über den tariflich vorgesehenen Urlaub von 29 Arbeitstagen hinaus jeweils ein weiterer Urlaubstag zugestanden hat. Sie hat gemeint, die altersabhängige Staffelung der Urlaubsdauer in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD verstoße gegen das Diskriminierungsverbot wegen des Alters. Das Arbeitsgericht hat ihrer Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des beklagten Landkreises das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen.

Wie hat das Bundesarbeitsgericht entschieden?


Die Revision der Klägerin hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg und führte zur Wiederherstellung der Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Klägerin steht für die Jahre 2008 und 2009 jeweils ein weiterer Urlaubstag als Ersatzurlaub zu.

Nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG in Verbindung mit. § 1 AGG dürfen Beschäftigte unter anderem nicht wegen ihres Alters benachteiligt werden, wobei eine unmittelbare Benachteiligung vorliegt, wenn eine Person wegen ihres Alters eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

§ 26 Abs. 1 Satz 2 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) regelt, dass bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr bis zum vollendeten 30. Lebensjahr 26 Arbeitstage, bis zum vollendeten 40. Lebensjahr 29 Arbeitstage und nach dem vollendeten 40. Lebensjahr 30 Arbeitstage beträgt. Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 3 TVöD ist für die Berechnung der Urlaubsdauer das Lebensjahr maßgebend, das im Laufe des Kalenderjahres vollendet wird.

Die Differenzierung der Urlaubsdauer nach dem Lebensalter in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD benachteiligt Beschäftigte, die das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, unmittelbar und verstößt gegen das Verbot der Benachteiligung wegen des Alters. Die tarifliche Urlaubsstaffelung verfolgt nicht das legitime Ziel, einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Menschen Rechnung zu tragen.

Ein gesteigertes Erholungsbedürfnis von Beschäftigten bereits ab dem 30. bzw. 40. Lebensjahr ließe sich auch kaum begründen. Der Verstoß der in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD angeordneten Staffelung der Urlaubsdauer gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters kann nur beseitigt werden, indem die Dauer des Urlaubs der wegen ihres Alters diskriminierten Beschäftigten in der Art und Weise »nach oben« angepasst wird, dass auch ihr Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr 30 Arbeitstage beträgt.

Auswirkungen der Entscheidung auf die Praxis:


 Dieses Verfahren wurde von der DGB Rechtsschutz GmbH geführt. Es reiht sich nahtlos in die positiven Entscheidungen ein, bei welchen es ausschließlich um Regelungen ging, die ausschließlich vom Alter abhängig waren.
Auch im vorliegenden Fall hing die Dauer des Urlaubes nur vom Alter ab. Eine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wie diese nach § 10 AGG möglich ist, gibt es hier nicht. Objektiv, angemessen sowie durch ein legitimes Ziel, ist die Ungleichbehandlung bei der Urlaubsdauer nicht. Eine solche kann es etwas bei der Höhe der Sozialplanabfindung geben. So auch bei der Sozialauswahl wegen einer ausgewogenen Altersstruktur (zumindest ist dies leider immer noch der Fall).
Bei einer Befristungsdauer hatte das BAG eine Altersdiskriminierung festgestellt, wenn ein jüngerer Arbeitnehmer bei gleicher Ausgangssituation eine längere Befristungsdauer erhält als es bei einem älteren Arbeitsnehmer vereinbart wurde ( BAG 6.04.2011, 7 AZR 524/09).
Der EugH hatte die BAT-Lebensaltersstufen für  europarechtswidrig erklärt (C-298-10, C-297-10).
Eine Vielzahl von Tarifverträgen und Arbeitsverträgen dürften von der Rechtsprechung des BAG zum Urlaub betroffen sein. Es kann daher nur jedem Arbeitnehmer geraten werden, die Urlaubsdauer zu prüfen. Sollte diese vom Lebensalter abhängen, sollte eine Einforderung des höheren Urlaubsanspruches erfolgen.
Margit Körlings

Pressemitteilung des BAG zum Urteil vom 20.03.2012, Az: 9 AZR 529/10