In der Zeit vom 1. August 2001 bis zum 31. Dezember 2013 war der Kläger als Wissenschaftler bei der beklagten Max-Planck-Gesellschaft beschäftigt.
Arbeitgeber verweigert Urlaubsabgeltung
Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangte der Kläger erfolglos die Abgeltung der während seiner Beschäftigung angefallenen 51 Urlaubstage in Höhe von knapp 12.000 Euro brutto. Einen Antrag auf Gewährung dieses Urlaubs hatte er während des Arbeitsverhältnisses nicht gestellt. Nachdem die außergerichtlichen Bemühungen nicht von Erfolg gekrönt waren, erhob der Wissenschaftler Klage.
Langer Weg durch die Instanzen
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht (LAG) haben der Klage stattgegeben. Das LAG ging in seiner Entscheidung davon aus, dass der Urlaubsanspruch des Klägers zum Jahresende verfallen sei. Der Kläger habe jedoch Schadensersatz in Form von Ersatzurlaub verlangen können. Denn der Beklagte sei seiner Verpflichtung nicht nachgekommen, dem Kläger von sich aus rechtzeitig Urlaub zu gewähren. Somit sei der Ersatzurlaubsanspruch mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten gewesen. Gegen die Entscheidung des LAG legte der Beklagte beim Bundesarbeitsgericht (BAG) Revision ein.
Bundesarbeitsgericht gibt bisherige Rechtsprechung auf
In seiner Entscheidung kommt das BAG zu dem Ergebnis, dass Urlaub, der bis zum Ende eines Urlaubsjahres nicht gewährt und genommen wurde nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) verfällt.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG galt dies selbst für den Fall, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber rechtzeitig, aber erfolglos aufgefordert hatte, ihm Urlaub zu gewähren. Allerdings konnten Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen Schadensersatz verlangen, der während des Arbeitsverhältnisses auf Gewährung von Ersatzurlaub und nach dessen Beendigung auf Abgeltung der nicht genommenen Urlaubstage gerichtet war.
Nach Vorabentscheidung des EuGH - Weiterentwicklung der Rechtsprechung
Mit seiner Entscheidung vom 19. Februar hat das BAG die Vorgaben des EuGH in seiner Vorabentscheidung vom 6. November 2018 umgesetzt. Hiernach haben die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zu treffen haben, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten
Mindestjahresurlaub erhält
Nach dem BUrlG ist es dem Arbeitgeber vorbehalten, die zeitliche Lage des Urlaubs unter Berücksichtigung der Urlaubswünsche des Arbeitnehmers festzulegen. Entgegen der Annahme des LAG zwingt die Vorschrift den Arbeitgeber damit zwar nicht, dem Arbeitnehmer von sich aus Urlaub zu gewähren. Der Arbeitgeber ist jedoch verpflichtet den Arbeitnehmer zur Verwirklichung des Urlaubsanspruchs anzuhalten.
Nach der Rechtsprechung des EuGH hat der Arbeitgeber, „konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn - erforderlichenfalls förmlich - auffordert, dies zu tun“.
Hieraus ergibt sich, so das BAG, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer klar und rechtzeitig mitzuteilen hat, dass der Urlaub am Ende des Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums verfallen wird, wenn er nicht genommen wird.
Was bedeutet „klar und rechtzeitig“?
Durch die BAG Entscheidung wurde klargestellt, dass Arbeitgeber aktiv mitzuwirken haben, damit Arbeitnehmer ihren Urlaub während des Urlaubsjahres in Anspruch nehmen.
Wenn Arbeitnehmer nicht "klar und rechtzeitig" darauf hingewiesen werden ihren (Rest)Urlaub zu nehmen, so geht dieser Anspruch nicht wie bisher ersatzlos unter. Wann ein Hinweis rechtzeitig kommt, hatte das BAG jedoch nicht entschieden. Es ist daher zu erwarten, dass
diese Frage in den kommenden Monaten/Jahren eine große Streitfrage sein wird, die die Arbeitsgerichtsgerichtbarkeit beschäftigen dürfte.
Anspruch auf Erfüllung alter Urlaubsansprüche?
Soweit aus der Pressemitteilung des BAG ersichtlich, dürften auch noch alte und bisher als verfallen angesehene Urlaubsansprüche grundsätzlich durchsetzbar sein.
Dies wird aber nur dann gelten, wenn diese Ansprüche nicht infolge vertraglicher Ausschlussfristen, gesetzlicher Verjährung oder aufgrund einer Abgeltungsklausel im Aufhebungsvertrag ausgeschlossen sind.
Zurückweisung an das Landesarbeitsgericht
So erfreulich die Grundsatzentscheidung des BAG zum Thema „Urlaubsrecht“ für die Arbeitnehmer*innen ist, für den klagenden Wissenschaftler ist der Weg durch die Instanzen noch nicht beendet. Denn die Revision des Beklagten hatte vor dem BAG Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das LAG. Denn die Max-Planck-Gesellschaft behauptet, den Kläger bereits im Mai 2013 auf seine Urlaubsansprüche per Mail hingewiesen zu haben, während der Kläger den Zugang einer solchen Mail bestreitet. Ob die dem Kläger grundsätzlich zustehenden Ansprüche tatsächlich zuerkannt werden, hat nun das LAG zu entscheiden.
Hier finden Sie die Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.02.2019:
Für Interessierte:
Hier geht es zu § 7 Bundesurlaubsgesetz
Hier geht es zur Vorabentscheidung des EuGH vom 6. November 2018- C-684/16 - Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften
Hier geht es zu Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitzeitrichtlinie)