Damit stellt sich das Gericht gegen die Auffassung des höchsten deutschen Gerichts für Arbeitssachen: Bislang gilt die Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG), wonach Urlaub im jeweiligen Kalenderjahr von den Arbeitnehmer*innen beantragt und gegebenenfalls auch durchgesetzt werden muss, ansonsten droht er zu verfallen.

Urlaub bleibt nur bei Krankheit erhalten

Es tauchen immer wieder Fälle auf, in denen Arbeitnehmer*innen aus den verschiedensten Gründen ihren Urlaub im laufenden Urlaubsjahr oder im Übertragungszeitraum bis 31.März des Folgejahres nicht beantragen oder nicht nehmen konnten.


Wenn das wegen einer längeren Krankheit passiert, steht nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des BAG fest, dass der gesetzliche Mindesturlaub erst 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres verfallen kann.


Wenn der Urlaub aber aus anderen Gründen nicht beantragt worden ist, hatten Arbeitnehmer*innen bisher bei den Arbeitsgerichten keine Hilfe zu erwarten: Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes verfällt der Urlaubsanspruch, wenn er nicht von der Arbeitnehmer*in im laufenden Urlaubsjahr beantragt worden ist. 


Arbeitgeber können sich daher zurücklehnen und brauchen sich um die Urlaubsplanung nicht weiter zu kümmern: Wenn der Urlaub nicht rechtzeitig beantragt wird, hat der/die Arbeitnehmer*in eben Pech gehabt.

Urlaub dient auch dem Gesundheitsschutz

Hierzu vertritt das LAG Berlin-Brandenburg jedoch inzwischen eine abweichend Auffassung: Zumindest der gesetzliche Mindest-Urlaubsanspruch dient auch dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten. Für das Arbeitsschutzrecht ist anerkannt, dass der Arbeitgeber seiner Pflicht zum Gesundheitsschutz der Beschäftigten auch ohne Aufforderung nachkommen muss. 


Daraus leitet das LAG nachvollziehbar und folgerichtig ab, dass der Arbeitgeber - auch ohne vorherige Aufforderung oder Beantragung durch die Arbeitnehmer*innen -  zur Gewährung des Mindesturlaubs verpflichtet ist. Das heißt, wenn ein/e Arbeitnehmer*in keine Urlaubswünsche äußert und keinen Urlaub beantragt, muss der Arbeitgeber zumindest den gesetzlichen Mindesturlaub von sich aus festlegen und gewähren.


Tut er dies nicht, kann die Arbeitnehmer*in im Nachhinein Schadensersatz verlangen, der entweder aus der Gewährung der entsprechenden Urlaubstage oder (bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses) aus der finanziellen Abgeltung des Urlaubs besteht.

Reaktion des BAG ?

Eine Reaktion des BAG auf diese Rechtsprechung liegt bislang noch nicht vor. Zumindest die Berliner Entscheidung aus dem vergangenen Jahr ist rechtskräftig geworden. In der aktuellen Entscheidung wurde die Revision zugelassen.

Die vollständige Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 07.05.2015, Az.: 10 Sa 86/15 gibt es hier


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