Die Arbeitnehmerin war bei einem Blutspendedienst beschäftigt. Dabei kam sie zwangsläufig in Kontakt mit Blut und Blutplasma.
Anfang des jeweiligen Jahres wurde in dem Betrieb der Jahresurlaubsplan aufgestellt. Auch die Klägerin trug für bestimmte Zeiten ihre Urlaubswünsche ein, die vom Arbeitgeber genehmigt wurden. Wegen der besseren Planbarkeit für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber ist dies in vielen Betrieben üblich.
Gesetzliches Beschäftigungsverbot
Im Laufe des Jahres wurde die Arbeitnehmerin schwanger. Aufgrund des Infektionsrisikos bei der Tätigkeit sprach der Arbeitgeber ein Beschäftigungsverbot aus. Dies umfasste auch Zeiten, die an sich als Urlaubstage verplant waren.
Nach Ende des Arbeitsverhältnisses verlangte die Arbeitnehmerin die Abgeltung nicht genommener Urlaubstage. Dabei unter anderem auch der Tage, die ihr an sich während der Zeit des Beschäftigungsverbotes gewährt worden waren.
Der Arbeitgeber meinte jedoch, den bereits vereinbarten Urlaub nicht ausbezahlen zu müssen. Der Anspruch auf Urlaub sei durch die Festlegung des Urlaubsplans erfüllt worden. Das Beschäftigungsverbot stehe der Erfüllung des Urlaubsanspruchs nicht entgegen.
Bundesarbeitsgericht: Urlaubsanspruch nicht erfüllt
Der Arbeitgeber ist in allen Instanzen mit seiner Rechtsauffassung gescheitert. Das BAG hat seine Revision nun zurückgewiesen. Der Urlaubsanspruch kann demnach nur erfüllt werden, wenn für den jeweiligen Freistellungszeitraum eine Arbeitspflicht besteht.
Gerade hieran fehlte es. Werdende Mütter dürfen nicht mit gesundheitsgefährdenden Arbeiten beschäftigt werden.
Zu den potentiell schädlichen Stoffen gehören nach § 4 der Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz (MuSchArbV) auch biologische Arbeitsstoffe wie Blut. Das Beschäftigungsverbot tritt kraft Gesetzes ein.
Keine Ersatztätigkeit möglich
Arbeitnehmern mit Beschäftigungsverbot kann der Arbeitgeber eine Ersatztätigkeit zuweisen. Aber auch daran fehlte es hier. Der Arbeitgeber hatte einen solchen Ersatzarbeitsplatz gerade nicht zugewiesen. Eine Arbeitspflicht bestand daher nicht.
Dass die Arbeitnehmerin sich möglicherweise während des Beschäftigungsverbotes erholen kann und der Urlaubszweck auch so eintrete, ist laut BAG unbeachtlich.
Der Untergang des Urlaubsanspruchs soll gerade durch § 17 S. 2 MuschG verhindert werden. Danach kann die Arbeitnehmerin den vor Beginn des Beschäftigungsverbotes nicht oder nicht vollständig genommenen Erholungsurlaub auch im Anschluss an den Mutterschutz nehmen. Die Regelung differenziert nicht nach dem Grund für das Beschäftigungsverbot.
Das Risiko eines Beschäftigungsverbotes während des zuvor festgelegten Urlaubs wird dem Arbeitgeber zugewiesen. Dies entspreche der Regelung, wonach auch bei Erkrankungen des Arbeitnehmers während des Erholungsurlaubs dieser als nicht genommen gilt.
Urlaubsanspruch der Mutter wird geschützt
Die Entscheidung zugunsten schwangerer Arbeitnehmerinnen ist zu begrüßen. Ansonsten bestünde die Möglichkeit, dass die Arbeitnehmerin den Urlaubsanspruch komplett verliert, wenn der Arbeitgeber allein durch die Festlegung der Tage den Anspruch erfüllen könnte.
Die Entscheidung ist auf die Einführung des § 17 S. 2 MuSchG zurückzuführen. 1994 hatte das BAG noch entschieden, dass der Arbeitgeber mit der Urlaubsfestlegung alles erforderliche getan habe. Der Wechsel in der Risikoverteilung geht auf den Gesetzgeber zurück. Der Betriebsrat hat die Aufgabe, die Einhaltung dieser Vorgaben zu überwachen.
Für den Verfall des Resturlaubs gilt übrigens auch nicht die Frist des § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), nach der Resturlaub bis zum 31.03. des Folgejahres genommen werden muss. Der Resturlaub darf in dem Jahr, in dem das Beschäftigungsverbot endet sowie im darauf folgenden Jahr bis zum 31.12. genommen werden. Eine vergleichbare Regelung findet sich in § 17 Abs. 2 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) für die Elternzeit.
(Dieser Artikel ist zuerst erschienen in: „AiB-Newsletter, Rechtsprechung für den Betriebsrat“ des Bund-Verlags, Ausgabe 09/2017 vom 22.03.2017.)
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 9.8.2016 - 9 AZR 575/15 im Volltext
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§ 17 Erholungsurlaub
Für den Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub und dessen Dauer gelten die Ausfallzeiten wegen mutterschutzrechtlicher Beschäftigungsverbote als Beschäftigungszeiten. Hat die Frau ihren Urlaub vor Beginn der Beschäftigungsverbote nicht oder nicht vollständig erhalten, so kann sie nach Ablauf der Fristen den Resturlaub im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr beanspruchen