Der Kläger war vom 01.07.2013 bis 02.01.2014 als Diensthundeführer bei einem Wach- und Sicherheitsdienst beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein-Westfalen Anwendung. Darin ist geregelt, dass im Ein- bzw. Austrittsjahr die Arbeitnehmer je 1/12 des zustehenden Jahresurlaubs erhalten.
Der volle Jahresurlaub nach diesem Tarifvertrag beträgt 26 Tage. Während der Beschäftigung hatte der Kläger keinen Urlaub genommen. Der Arbeitgeber hatte ihm beim Ausscheiden 13 Tage Urlaubsabgeltung bezahlt. Der Kläger will weitere 13 Urlaubstage für das Jahr 2013 vergütet bekommen.
Voller und Teilurlaubsanspruch
Der volle Jahresurlaub wird erstmalig „nach sechsmonatigem Bestehen“ des Arbeitsverhältnisses erworben. Durch diese Formulierung wird festgelegt, dass der Anspruch erst mit Ablauf des sechsten Monats entsteht und nicht bereits mit dem sechsmonatigen Bestand.
Es besteht aber ein Teilurlaubsanspruch, wenn der Arbeitnehmer „nach erfüllter Wartezeit in der ersten Hälfte des Jahres“ aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Also auch bei einem Ausschieden mit Ablauf des 30.06. eines Jahres bekommt er nur den Teilurlaubsanspruch.
Es ist daher nur konsequent, wenn bei einem am 01.07. eines Jahres begonnenen Arbeitsverhältnis, nicht bereits mit Ablauf des 31.12. des Jahres der volle Jahresurlaubsanspruch entsteht. Eine andere Lesart kann es nicht geben. Dies ergibt sich aus der Formulierung »nach«.
Abgeltung nur bei beendetem Arbeitsverhältnis
Eine Urlaubsabgeltung setze die Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraus. Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des Urlaubes.
Dieser soll der Erholung in erster Linie dienen. Besteht das Arbeitsverhältnis daher noch, so muss der Urlaub in das Folgejahr übertragen werden und im Übertragungszeitraum bis zum 31.03. des Folgejahres genommen werden. Dies ergibt sich aus § 7 Abs. 3 BUrlG In Tarifverträgen kann diese Frist verlängert werden.
Lage des Urlaubs bleibt frei vereinbar
Die Entscheidung bedeutet nicht, dass die zweite Hälfte des Jahresurlaubs erst in der zweiten Hälfte des Jahres genommen werden kann. Dies bleibt der Entscheidung des Arbeitgebers vorbehalten, gegebenenfalls zusammen mit dem Betriebsrat.
Damit der Arbeitnehmer bei einem Arbeitgeberwechsel nicht mehr als dem ihm zustehenden Urlaub nimmt, hat der »alte« Arbeitgeber eine entsprechende Bescheinigung zu erteilen, aus welcher sich der genommene Urlaub ergibt.
Praxistipp: Urlaubsanspruch und Betriebsrat
Bei der betrieblichen Urlaubsplanung kann und darf der neu eingestellte Arbeitnehmer in den ersten sechs Monaten unberücksichtigt bleiben. Dieser Zeitraum entspricht auch häufig der Probezeit. Dies bedeutet aber nicht, dass der Arbeitsnehmer in dieser Zeit überhaupt keinen Urlaub nehmen darf.
In der Regel haben diejenigen Arbeitnehmer Vorrang, die bereits einen Urlaubswunsch vor Einstellung des neuen Mitarbeiters geäußert haben. Bei Konflikten kann und sollte der Betriebsrat versuchen zu vermitteln, wie das Gesetz es auch vorsieht.
(Dieser Artikel ist zuerst erschienen in: „AiB-Newsletter, Rechtsprechung für den Betriebsrat“ des Bund-Verlags, Ausgabe 11/2016 vom 18.05.2016.)
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 17.11.2015 – Az.: 9 AZR 179/15 hier im Volltext
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Arbeitgeber muss Urlaub von sich aus gewähren
Kurze Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses schadet beim Urlaubsanspruch nicht
Rechtliche Grundlagen
§ 5 Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz) - Teilurlaub
§ 5 Teilurlaub
(1) Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer
a) für Zeiten eines Kalenderjahrs, für die er wegen Nichterfüllung der Wartezeit in diesem Kalenderjahr keinen vollen Urlaubsanspruch erwirbt;
b) wenn er vor erfüllter Wartezeit aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet;
c) wenn er nach erfüllter Wartezeit in der ersten Hälfte eines Kalenderjahrs aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.
(2) Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, sind auf volle Urlaubstage aufzurunden.
(3) Hat der Arbeitnehmer im Falle des Absatzes 1 Buchstabe c bereits Urlaub über den ihm zustehenden Umfang hinaus erhalten, so kann das dafür gezahlte Urlaubsentgelt nicht zurückgefordert werden.