Jeder Arbeitnehmer hat nach § 1 BUrlG in jedem Kalenderjahr auch dann Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, wenn er im gesamten Urlaubsjahr arbeitsunfähig krank war. Dies gilt auch, wenn der Arbeitnehmer eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung bezogen hat und eine tarifliche Regelung bestimmt, dass das Arbeitsverhältnis während des Bezugs dieser Rente auf Zeit ruht.
Welcher Sachverhalt lag dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts zu Grunde?
Die als schwerbehindert anerkannte Klägerin war vom 1. Juli 2001 bis zum 31. März 2009 in der Rehabilitationsklinik der Beklagten gegen eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von zuletzt 2.737,64 Euro als Angestellte beschäftigt. Im Jahr 2004 erkrankte sie, bezog ab dem 20. Dezember 2004 eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung und nahm bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ihre Tätigkeit für die Beklagte nicht mehr auf.
Nach dem TVöD, der auf das Arbeitsverhältnis Anwendung fand, ruht das Arbeitsverhältnis während des Bezugs einer Rente auf Zeit und vermindert sich die Dauer des Erholungsurlaubs einschließlich eines etwaigen tariflichen Zusatzurlaubs für jeden Kalendermonat des Ruhens um ein Zwölftel. Die Klägerin hatte die Abgeltung von 149 Urlaubstagen aus den Jahren 2005 bis 2009 mit 18.841,05 Euro brutto beansprucht. Die Vorinstanzen haben der Klage bezüglich der Abgeltung des gesetzlichen Erholungsurlaubs und des Zusatzurlaubs für schwerbehinderte Menschen stattgegeben, die Beklagte zur Zahlung von 13.403,70 Euro brutto verurteilt und die Klage hinsichtlich der Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs abgewiesen (vgl. die Entscheidung der Vorinstanz: LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 29. April 2010 - 11 Sa 64/09 -).
Wie hat das Bundesarbeitsgericht entschieden?
Die Revision der Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts größtenteils Erfolg. Die Klägerin hat gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG nur Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Erholungsurlaubs und Zusatzurlaubs aus den Jahren 2008 und 2009 mit 3.919,95 Euro brutto. In den Jahren 2005 bis 2007 sind die nicht abdingbaren gesetzlichen Urlaubsansprüche trotz des Ruhens des Arbeitsverhältnisses zwar entstanden. Ihrer Abgeltung steht jedoch entgegen, dass sie vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG mit Ablauf des 31. März des zweiten auf das jeweilige Urlaubsjahr folgenden Jahres verfallen sind.
Der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch steht nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien. Bei langjährig arbeitsunfähigen Arbeitnehmern ist § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG, wonach im Fall der Übertragung der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden muss, unionsrechtskonform so auszulegen, dass der Urlaubsanspruch 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfällt. Der EuGH hat in der KHS-Entscheidung vom 22. November 2011 seine Rechtsprechung bezüglich des zeitlich unbegrenzten Ansammelns von Urlaubsansprüchen arbeitsunfähiger Arbeitnehmer geändert und den Verfall des Urlaubs 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres nicht beanstandet.
Auswirkungen der Entscheidung auf die Praxis: DGB Rechtsschutz GmbH, Margit Körlings
Erneut ein Fall zu Urlaubsansprüchen. Grund dafür ist die Rechtsprechung des EuGH. welche das Bundesarbeitsgericht jeweils im Sinne des BUrlbG umsetzen muss.
Der Grundsatz lautet, dass Urlaubsansprüche nicht verfallen, auch wenn diese durch Krankheit und/oder Rentenbezug nicht tatsächlich genommen werden könne. Soweit hier ein Abgeltungsanspruch, also Geld verlangt wird, ist weitere Voraussetzung, dass das Arbeitsverhältnis beendet ist.
Im vorliegenden Fall war zu entscheiden, ob in zeitlicher Hinsicht doch ein Verfall von Urlaubsansprüchen eintreten kann. Zudem musste entscheiden werden, ob nur der gesetzliche oder auch der darüber hinausgehende einzelvertraglich oder tarifvertraglich vereinbarte Urlaub gemeint ist.
Im ursprünglich vom EuGH entschiedenen Fall war ein Tarifvertrag anzuwenden. Nach diesem war eine Übertragung des Urlaubes auf 15 Monate begrenzt. Das Bundesarbeitsgericht ist der Ansicht, dass, auch wenn eine derartige Regelung nicht vorhanden ist, dass gelichwohl die Übertragungszeit von 15 Monaten ausreichend ist.
Weiterhin meint das Bundesarbeitsgericht, dass tarifvertragliche Ansprüche, die über das gesetzliche Maß hinausgehen, sehr wohl verfallen können.
Im Umkehrschluss heißt dies, dass nur die 24 Werktage, bei einer 6 Tagewoche Mo-Sa, bzw. 20 Arbeitstage bei einer 5 Tagewoche Mo. - Fr. nicht verfallen. Das Gleiche gilt für den gesetzlichen Zusatzurlaub von Schwebehinderten.
Zu beachten ist, dass der Arbeitnehmer seine Ansprüche geltend machen muss. Nach Ende des Arbeitsverhältnisses, kann dies in Geld erfolgen. Er darf damit aber nicht zu lange warten. Etwaige Ausschluss fristen aus dem Arbeitsvertrag oder dem Tarifvertrag sind zu beachten.
Pressemitteilung des BAG zum Urteil vom 07.08.2012, Az: 9 AZR 353/10