Landessozialgericht Hessen: Praktikanten im Anerkennungsjahr müssen sich nicht vorzeitig arbeitssuchend melden
Landessozialgericht Hessen: Praktikanten im Anerkennungsjahr müssen sich nicht vorzeitig arbeitssuchend melden

Arbeitnehmer*innen und Auszubildende müssen sich grundsätzlich spätestens drei Monate vor Beendigung des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses persönlich bei der Agentur für Arbeit melden. Bei einem betrieblichen Ausbildungsverhältnis besteht diese Meldepflicht jedoch nicht.

 

Personen, die im Rahmen eines Praktikantenverhältnisses ein Anerkennungsjahr absolvieren, müssen sich nicht vorzeitig arbeitssuchend melden. Zu diesem Ergebnis kam der 7. Senat des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) in seiner Entscheidung vom 16.12.2016.

 

Die Klägerin studierte Sozialpädagogik an einer Fachhochschule. Anschließend absolvierte sie ein einjähriges Anerkennungsjahr. Nach Beendigung des Anerkennungsjahr meldete sie sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.


Die Arbeitsagentur gewährte dies, überzog die Klägerin aber mit einer Sperrfrist von sieben Tagen. Begründet wurde dies damit, dass die Klägerin sich nicht vor Beendigung des Anerkennungsjahres arbeitsuchend gemeldet habe. Bei der Ausbildung zur Sozialpädagogin handele es sich nicht um ein betriebliches Ausbildungsverhältnis. Das Anerkennungsjahr werde auch nicht zum Zweck der Übernahme in ein anschließendes Beschäftigungsverhältnis eingegangen.


Dem widersprach die Sozialpädagogin. Sie vertrat die Auffassung, dass das Anerkennungsjahr wie ein betriebliches Ausbildungsverhältnis behandelt werden müsse, für welches keine entsprechende Meldepflicht gelte.

Anerkennungsjahr steht betrieblichem Ausbildungsverhältnis gleich

Das Gericht gab der Klägerin Recht. Erfolge die Meldung der Arbeitsuche erst nach Beendigung des Anerkennungsjahres, so dürfe keine Sperrzeit verhängt werden. Das Anerkennungsjahr stehe insoweit einem betrieblichen Ausbildungsverhältnis gleich.Die für die Klägerin positive Entscheidung folge aus Sinn und Zweck der entsprechenden Sperrzeitregelung. Die Pflicht zur frühzeitigen Meldung der Arbeitsuche diene grundsätzlich dazu, die Eingliederung in Arbeit zu beschleunigen, die Vermittlung effektiver zu machen und damit Arbeitslosigkeit und Entgeltersatzleistungen möglichst zu vermeiden.

 

Bei einem betrieblichen Ausbildungsverhältnis indes habe der Gesetzgeber eine frühe Meldepflicht nicht für erforderlich gehalten, weil die Auszubildenden überwiegend vom Ausbildungsbetrieb weiterbeschäftigt würden. Zudem entscheide sich dies meist erst unmittelbar nach dem Bestehen der Abschlussprüfung.

Meldepflicht entbehrlich - Übernahmequote von 70 Prozent

Die Berufspraktikanten im Anerkennungsjahr würden eine der dualen Ausbildung vergleichbare Ausbildung in Betrieb und Berufsschule durchlaufen. Da die Übernahmequote 70 Prozent betrage, seien eine frühzeitige Vermittlungstätigkeit und somit auch eine Meldepflicht entbehrlich.

 

Da das Berufspraktikum erst mit dem bestandenen Kolloquium erfolgreich abgeschlossen sei, könne vorher die Arbeitsverwaltung kaum etwas für eine beschleunigte Eingliederung unternehmen.
Hier geht es zur vollständigen Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts vom 16.12.2016

Rechtliche Grundlagen

§ 38 und 159 Sozialgesetzbuch (SGB) III


SGB III - Arbeitsförderung
§ 38 Rechte und Pflichten der Ausbildung- und Arbeitsuchenden
(1) Personen, deren Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis endet, sind verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor dessen Beendigung persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Liegen zwischen der Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnisses weniger als drei Monate, haben sie sich innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu melden. Zur Wahrung der Frist nach den Sätzen 1 und 2 reicht eine Anzeige unter Angabe der persönlichen Daten und des Beendigungszeitpunktes aus, wenn die persönliche Meldung nach terminlicher Vereinbarung nachgeholt wird. Die Pflicht zur Meldung besteht unabhängig davon, ob der Fortbestand des Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnisses gerichtlich geltend gemacht oder vom Arbeitgeber in Aussicht gestellt wird. Die Pflicht zur Meldung gilt nicht bei einem betrieblichen Ausbildungsverhältnis. Im Übrigen gelten für Ausbildung- und Arbeitsuchende die Meldepflichten im Leistungsverfahren nach den §§ 309 und 310 entsprechend.

(2) Ausbildung- und Arbeitsuchende, die Dienstleistungen der Bundesagentur in Anspruch nehmen, haben dieser die für eine Vermittlung erforderlichen Auskünfte zu erteilen, Unterlagen vorzulegen und den Abschluss eines Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnisses unter Benennung des Arbeitgebers und seines Sitzes unverzüglich mitzuteilen. Sie können die Weitergabe ihrer Unterlagen von deren Rückgabe an die Agentur für Arbeit abhängig machen oder ihre Weitergabe an namentlich benannte Arbeitgeber ausschließen. Die Anzeige- und Bescheinigungspflichten im Leistungsverfahren bei Arbeitsunfähigkeit nach § 311 gelten entsprechend.

(3) Die Arbeitsvermittlung ist durchzuführen,
1.
solange die oder der Arbeitsuchende Leistungen zum Ersatz des Arbeitsentgelts bei Arbeitslosigkeit oder Transferkurzarbeitergeld beansprucht oder
2.
bis bei Meldepflichtigen nach Absatz 1 der angegebene Beendigungszeitpunkt des Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnisses erreicht ist.

Im Übrigen kann die Agentur für Arbeit die Arbeitsvermittlung einstellen, wenn die oder der Arbeitsuchende die ihr oder ihm nach Absatz 2 oder der Eingliederungsvereinbarung oder dem Verwaltungsakt nach § 37 Absatz 3 Satz 4 obliegenden Pflichten nicht erfüllt, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Die oder der Arbeitsuchende kann die Arbeitsvermittlung erneut nach Ablauf von zwölf Wochen in Anspruch nehmen.

(4) Die Ausbildungsvermittlung ist durchzuführen,
1.
bis die oder der Ausbildungsuchende in Ausbildung, schulische Bildung oder Arbeit einmündet oder sich die Vermittlung anderweitig erledigt oder
2.
solange die oder der Ausbildungsuchende dies verlangt.
Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend.




SGB III - Arbeitsförderung
§ 159 Ruhen bei Sperrzeit

(1) Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit. Versicherungswidriges Verhalten liegt vor, wenn
1.
die oder der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe),
2.
die bei der Agentur für Arbeit als arbeitsuchend gemeldete (§ 38 Absatz 1) oder die arbeitslose Person trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine von der Agentur für Arbeit unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Beschäftigung nicht annimmt oder nicht antritt oder die Anbahnung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere das Zustandekommen eines Vorstellungsgespräches, durch ihr Verhalten verhindert (Sperrzeit bei Arbeitsablehnung),
3.
die oder der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen die von der Agentur für Arbeit geforderten Eigenbemühungen nicht nachweist (Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen),
4.
die oder der Arbeitslose sich weigert, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen an einer Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (§ 45) oder einer Maßnahme zur beruflichen Ausbildung oder Weiterbildung oder einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben teilzunehmen (Sperrzeit bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme),
5.
die oder der Arbeitslose die Teilnahme an einer in Nummer 4 genannten Maßnahme abbricht oder durch maßnahmewidriges Verhalten Anlass für den Ausschluss aus einer dieser Maßnahmen gibt (Sperrzeit bei Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme)
6.
die oder der Arbeitslose einer Aufforderung der Agentur für Arbeit, sich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen (§ 309), trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht nachkommt oder nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei Meldeversäumnis),
7.
die oder der Arbeitslose der Meldepflicht nach § 38 Absatz 1 nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung).

Die Person, die sich versicherungswidrig verhalten hat, hat die für die Beurteilung eines wichtigen Grundes maßgebenden Tatsachen darzulegen und nachzuweisen, wenn diese Tatsachen in ihrer Sphäre oder in ihrem Verantwortungsbereich liegen.

(2) Die Sperrzeit beginnt mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, oder, wenn dieser Tag in eine Sperrzeit fällt, mit dem Ende dieser Sperrzeit. Werden mehrere Sperrzeiten durch dasselbe Ereignis begründet, folgen sie in der Reihenfolge des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 1 bis 7 einander nach.

(3) Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe beträgt zwölf Wochen. Sie verkürzt sich
1.
auf drei Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne eine Sperrzeit geendet hätte,
2.
auf sechs Wochen, wenn
a)
das Arbeitsverhältnis innerhalb von zwölf Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne eine Sperrzeit geendet hätte oder
b)
eine Sperrzeit von zwölf Wochen für die arbeitslose Person nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten würde.

(4) Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsablehnung, bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme oder bei Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme beträgt
1.
im Fall des erstmaligen versicherungswidrigen Verhaltens dieser Art drei Wochen,
2.
im Fall des zweiten versicherungswidrigen Verhaltens dieser Art sechs Wochen,
3.
in den übrigen Fällen zwölf Wochen.

Im Fall der Arbeitsablehnung oder der Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme nach der Meldung zur frühzeitigen Arbeitsuche (§ 38 Absatz 1) im Zusammenhang mit der Entstehung des Anspruchs gilt Satz 1 entsprechend.

(5) Die Dauer einer Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen beträgt zwei Wochen.

(6) Die Dauer einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis oder bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung beträgt eine Woche.