Seit 1968 stand der im Januar 1953 geborene jetzige Rentner in Lohn und Brot beim selben Arbeitgeber. Die Stimmung war zuletzt schlecht, geschuldet wohl der Position als unbequemer Betriebsratsvorsitzender. Arbeitnehmer und Arbeitgeber schlossen einen Altersteilzeitvertrag mit einer Laufzeit bis Ende Februar 2016. Dies mit Blick auf die Möglichkeit, direkt im Anschluss eine Altersrente mit Abschlägen (Altersrente nach Altersteilzeitarbeit) zu beziehen.
Während der Freistellungsphase wird Rente mit 63 eingeführt
Soweit der Plan. Im Juli 2014 wurde dann die Rente für besonders langjährig Versicherte eingeführt. Dadurch entstand die Möglichkeit wie geplant mit 63 in Rente zu gehen, dies aber sogar ohne Abschläge. Allerdings passte der geplante Zeitpunkt für die Rente, also der erste März, nicht mehr. Während es für die Inanspruchnahme der Altersrente nach Altersteilzeitarbeit unerheblich war, ob dies zum ersten März oder April 2016 erfolgt wäre, lag der Fall bei der Rente mit 63 anders. Bei der Altersrente für besonders langjährig Versicherte gilt für Versicherte, die nach dem 31.12.1952 geboren sind, eine Anhebung der Altersgrenze von 63. Für den Kläger betrug diese Anhebung 2 Monate. Deshalb konnte er zum 01.04.2016 abschlagsfrei in Rente gehen.
Agentur für Arbeit verhängt Sperrzeit
Um die zwei Monate zu überbrücken, beantragte der Kläger Arbeitslosengeld. Die Bundesagentur für Arbeit Bielefeld verhängte eine Sperrzeit für die Zeit vom 01.02.2016 bis zum 24.04.2016. Faktisch gab es damit gar kein Arbeitslosengeld.
Der Kläger wandte sich an seine Gewerkschaft die IG Bau, die den DGB Rechtsschutz in Bielefeld mit der Vertretung beauftragte. Auf das Widerspruchsverfahren, indem die Arbeitsagentur erwartungsgemäß seine Entscheidung nicht änderte, folgte ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Detmold.
Intention des Klägers bei Abschluss des Altersteilzeitvertrages maßgeblich
Die Beklagte hat die Sperrzeit damit begründet, dass der Kläger sein Arbeitsverhältnis mit einer Vereinbarung über Altersteilzeit zu Ende Januar 2016 aufgelöst und dann den Eintritt der Altersrente auf April 2016 verschoben hat.
Im Verfahren berief sich der Kläger darauf, dass er den Altersteilzeitarbeitsvertrag im Oktober 2009 geschlossen hat. Zu diesem Zeitpunkt gab es die Rente für besonders langjährig Versicherte nicht. Diese ist erst zum 01.07.2014 in Kraft getreten. Bei Abschluss des Altersteilzeitvertrages war es nicht seine Intention, Arbeitslosengeld zu beziehen, sondern direkt im Anschluss eine Altersrente mit Abschlägen zu beziehen.
Und genau darauf stellten die Detmolder Richter*innen ab, nämlich auf den ursprünglichen Plan des Klägers. Es komme nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer im Anschluss an die Altersteilzeit seine ursprüngliche Absicht auch umsetze und tatsächlich nahtlos Altersrente beantrage. Denn für die Prüfung des wichtigen Grundes seien ausschließlich die Verhältnisse bei Lösung des Beschäftigungsverhältnisses maßgeblich, also bei Abschluss des Altersteilzeitarbeitsvertrages.
Wichtiger Grund kann nicht nachträglich entfallen
Das Sozialgericht gelangte zu der Überzeugung, dass der Kläger seine ursprüngliche Absicht nachträglich geändert hat und zwar im Hinblick auf die neue rentenrechtliche Situation. Ein wichtiger Grund für die Arbeitsaufgabe zum Zeitpunkt der Vereinbarung der Altersteilzeit – die Absicht aus dem Erwerbsleben auszuscheiden – lag also vor. Und ein zu diesem Zeitpunkt vorliegender wichtiger Grund könne nicht nachträglich entfallen, so die Begründung des Sozialgerichts.
Dieser Punkt ist allerdings nicht unumstritten und eine höchstrichterliche Entscheidung steht noch aus.
Kläger konnte Arbeitslosigkeit nicht durch längere Altersteilzeit abwenden
Im Verfahren hat der DGB Rechtsschutz auch vorgetragen, dass der Kläger nicht freiwillig in die Altersteilzeit gegangen ist. Vorausgegangen war eine Odyssee aus Mobbing und Abmahnungen.
Das Sozialgericht hat sich damit zumindest soweit auseinandergesetzt, wie es die Frage betrifft, ob der Kläger sich besonders bemüht hatte, die Arbeitslosigkeit abzuwenden. Im Einzelfall wurde dies als unzumutbar erachtet, da der Kläger im Unfrieden mit seinem Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden war. Als die Rente mit 63 eingeführt wurde, war der Kläger bereits in der Freistellungsphase. Die Sozialrichter hielten es deshalb für unwahrscheinlich, dass es zu einer Verlängerung der Altersteilzeitvereinbarung hätte kommen können.
Das Sozialgericht hob den Sperrzeitbescheid auf und verurteilte die Arbeitsagentur, für die Monate Februar und März 2016 Arbeitslosengelde an den Kläger zu zahlen.
Hier können Sie die in Bezug genommene Rechtsprechung nachlesen:
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Abfindung verloren durch Rente mit 63
Im Praxistipp: § 159 Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Ruhen bei Sperrzeit)
Das sagen wir dazu:
Es ist mehr als verständlich, dass in diesem Fall der ursprüngliche Plan geändert wurde und nicht wegen zwei Monaten eine Rente mit Abschlägen, die dauerhaft verbleiben würden, gewählt wurde. Das konnte der Kläger bei Abschluss des Altersteilzeitvertrages aber nicht wissen oder auch nur absehen. Er hatte seine Dispositionen zum Ausscheiden aus dem Erwerbsleben so getroffen, wie er sie zum damaligen Zeitpunkt treffen konnte.
Insofern ist die Entscheidung des Sozialgerichts richtig und wichtig.
Diese ist noch nicht rechtskräftig und es ist mit Rechtsmitteln durch die Bundesagentur für Arbeit zu rechnen.
So entschieden wurde ein vergleichbarer Fall auch vom Sozialgericht Kassel. Auch hier befanden die Richter es für unerheblich, wenn sich der Arbeitnehmer aufgrund einer Änderung der Rechtslage zu seinen Gunsten entschließt, erst zu einem späteren Zeitpunkt Altersrente zu beantragten. Dies widerspricht klar der Auffassung der Agentur für Arbeit, die im Verfahren auch darauf abstellte, dass sich die Rechtslage ja nicht zu Lasten, sondern zu Gunsten des Klägers geändert hat. Wenn der Kläger mit der Planänderung einen Vorteil in Anspruch nehmen wolle, könne er keine weiteren Vorteile verlangen, auch nicht den Bezug von Arbeitslosengeld, so die fragwürdige Argumentation.
Sozialgerichte uneinig beim Thema Sperrzeit nach Altersteilzeit bei Planänderung wegen Rente mit 63
Das Sozialgericht Detmold nimmt in seiner Entscheidung auch Bezug auf Rechtsprechung, die in eine andere Richtung gehen bei der Frage der Auswirkungen der Rente für langjährig Versicherte im Zusammenhang mit Altersteilzeit. So ist das Sozialgericht Stade der Ansicht, dass mit dem Beantragen von Arbeitslosengeld nach dem Ende der Altersteilzeit anstelle einer Altersrente, die erforderliche Absicht, aus dem Arbeitsleben ausscheiden zu wollen, widerlegt wird.
Auch das Sozialgericht Karlsruhe hat eine andere Meinung zur nachträglichen Planänderung wegen einer Gesetzesänderung. Für die Frage, ob ein wichtiger Grund vorliegt, müsse auch das spätere Verhalten des Versicherten Berücksichtigung finden.
Diese Bedenken rechtfertigten aber im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts keine Sperrzeit, wie das Sozialgericht Detmold dazu ausführt. Denn maßgeblicher Zeitpunkt der Beurteilung des wichtigen Grundes sei danach der Abschluss des Altersteilzeitvertrages. Soweit dies für die Versichertengemeinschaft als unzumutbar betrachtet wird, müsse der Gesetzgeber handeln.
Urteil des Bundesozialgerichts aus Juli 2009 noch maßgebend
Maßgabe kann in der Tat zurzeit nur ein Urteil des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 2009 sein. Auf dieses hatte sich der DGB Rechtsschutz Bielefeld im Verfahren berufen und das Sozialgericht zitiert diese mehrfach in seiner Entscheidung. Danach liegt ein wichtiger Grund für die Lösung eines Beschäftigungsverhältnisses durch den Abschluss eines Altersteilzeitvertrages vor, wenn der Arbeitnehmer bei Abschluss der Vereinbarung beabsichtigt, aus dem Arbeitsleben auszuscheiden und eine solche Annahme prognostisch gerechtfertigt ist. Daraus muss geschlossen werden, dass es für den wichtigen Grund bei der Frage einer Sperrzeit allein auf den Willen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankommt, wie es das Sozialgericht Detmold folgerichtig tut.
Kläger belastet die Solidargemeinschaft nicht übermäßig
Für die Entscheidung des Gerichts war es letztlich nicht maßgeblich, aber bei der Bewertung des Sachverhalts hätte die Bundesagentur für Arbeit bedacht gehandelt, wenn sie auf den speziellen Einzelfall geschaut hätte. Denn der Kläger hat 45 Jahre gearbeitet und in die Sozialversicherung eingezahlt. Wenn er dann nach Einführung der neuen Rentenart diese in Anspruch nehmen möchte und den Eintritt in die Rente verschiebt, so belastet er damit wohl keineswegs die Solidargemeinschaft über Gebühr. Zumal es letztlich nur um 2 Monate Arbeitslosengeld geht.
Rechtliche Grundlagen
§ 159 Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Ruhen bei Sperrzeit)
§ 159 Ruhen bei Sperrzeit
(1) Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit. Versicherungswidriges Verhalten liegt vor, wenn
1.
die oder der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe),
2.
die bei der Agentur für Arbeit als arbeitsuchend gemeldete (§ 38 Absatz 1) oder die arbeitslose Person trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine von der Agentur für Arbeit unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Beschäftigung nicht annimmt oder nicht antritt oder die Anbahnung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere das Zustandekommen eines Vorstellungsgespräches, durch ihr Verhalten verhindert (Sperrzeit bei Arbeitsablehnung),
3.
die oder der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen die von der Agentur für Arbeit geforderten Eigenbemühungen nicht nachweist (Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen),
4.
die oder der Arbeitslose sich weigert, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen an einer Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (§ 45) oder einer Maßnahme zur beruflichen Ausbildung oder Weiterbildung oder einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben teilzunehmen (Sperrzeit bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme),
5.
die oder der Arbeitslose die Teilnahme an einer in Nummer 4 genannten Maßnahme abbricht oder durch maßnahmewidriges Verhalten Anlass für den Ausschluss aus einer dieser Maßnahmen gibt (Sperrzeit bei Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme),
6.
die oder der Arbeitslose einer Aufforderung der Agentur für Arbeit, sich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen (§ 309), trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht nachkommt oder nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei Meldeversäumnis),
7.
die oder der Arbeitslose der Meldepflicht nach § 38 Absatz 1 nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung).
Die Person, die sich versicherungswidrig verhalten hat, hat die für die Beurteilung eines wichtigen Grundes maßgebenden Tatsachen darzulegen und nachzuweisen, wenn diese Tatsachen in ihrer Sphäre oder in ihrem Verantwortungsbereich liegen.
(2) Die Sperrzeit beginnt mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, oder, wenn dieser Tag in eine Sperrzeit fällt, mit dem Ende dieser Sperrzeit. Werden mehrere Sperrzeiten durch dasselbe Ereignis begründet, folgen sie in der Reihenfolge des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 1 bis 7 einander nach.
(3) Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe beträgt zwölf Wochen. Sie verkürzt sich
1.
auf drei Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne eine Sperrzeit geendet hätte,
2.
auf sechs Wochen, wenn
a)
das Arbeitsverhältnis innerhalb von zwölf Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne eine Sperrzeit geendet hätte oder
b)
eine Sperrzeit von zwölf Wochen für die arbeitslose Person nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten würde.
(4) Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsablehnung, bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme oder bei Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme beträgt
1.
im Fall des erstmaligen versicherungswidrigen Verhaltens dieser Art drei Wochen,
2.
im Fall des zweiten versicherungswidrigen Verhaltens dieser Art sechs Wochen,
3.
in den übrigen Fällen zwölf Wochen.
Im Fall der Arbeitsablehnung oder der Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme nach der Meldung zur frühzeitigen Arbeitsuche (§ 38 Absatz 1) im Zusammenhang mit der Entstehung des Anspruchs gilt Satz 1 entsprechend.
(5) Die Dauer einer Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen beträgt zwei Wochen.
(6) Die Dauer einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis oder bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung beträgt eine Woche.
Das sagen wir dazu