Wenn die berufliche Eingliederung nicht beeinträchtigt wird, muss ein Jobcenter die Zustimmung zu einer dreiwöchigen Urlaubsabwesenheit eines Langzeitarbeitslosen erteilen.
Urlaubsanspruch auch für "schwierigen" Langzeitarbeitslosen
Bei der Entscheidung über den Urlaubsantrag eines ALG II-Beziehers hat eine Sanktionierung wegen unbotmäßigem Verhalten zu unterbleiben. Zu diesem Ergebnis kam das Sozialgericht (SG) Dortmund in seiner Entscheidung vom 16.12.2016.
Bei dem Kläger handelt es sich um einen arbeitslosen Familienvater, der seit 2005 im Leistungsbezug des Jobcenters Märkischer Kreis steht. Das Jobcenter war der Auffassung, es bestehe Aussicht auf Vermittlung in Arbeit.
Überdies habe sich der Mann in der Vergangenheit nicht regelkonform verhalten und drohe mit Anwalt oder Klage. Mit dieser Begründung verweigerte die Behörde die Zustimmung zur Ortsabwesenheit und strich für drei Wochen das Arbeitslosengeld II.
Unrechtmäßige Verweigerung der Zustimmung zur Ortsabwesenheit
Gegen die Entscheidung des Jobcenters erhob der Kläger Klage beim SG Dortmund Die Richter*innen der 19. Kammer verurteilten das Jobcenter, das einbehaltene Arbeitslosengeld II nachzuzahlen, da die Zustimmung zur Ortsabwesenheit zu erteilen gewesen sei.
Für sachfremd hielt es das Gericht, dem Kläger deshalb keinen Urlaub zu gewähren, weil man dessen Verhalten als nicht konformes Verhalten bewertete. Denn es komme allein darauf an, so die Dortmunder Sozialrichter*innen, ob die berufliche Eingliederung durch die Ortsabwesenheit beeinträchtigt werde. Dies sei nicht schon dann der Fall, wenn noch einzelne Bewerbungen liefen.
Der Kläger sei auf Grund einer Eingliederungsvereinbarung zu monatlich sechs Bewerbungen verpflichtet gewesen. Von daher drohe der Urlaubsanspruch des Arbeitslosen ins Leere zu laufen, wenn das Jobcenter zwei noch offene Bewerbungen für die Annahme einer mehr als nur entfernten Möglichkeit der Eingliederung in Arbeit genügen lasse.
Hier geht es zur Pressemitteilung des Sozialgerichts Dortmund vom 16.01.2017 zum Urteil vom 16.01.2017, Az.: S 19 AS 3947/16
Das sagen wir dazu:
Hartz IV Betroffene haben einen Anspruch auf Urlaub. Zuvor müssen sie sich allerdings eine Genehmigung vom Jobcenter einholen. Insgesamt stehen ihnen 21 Tage Urlaub pro Kalenderjahr zu.
Voraussetzung hierfür ist, dass sich Erwerbslose vorher rechtzeitig beim Jobcenter ordnungsgemäß abmelden. Wenn das geschehen ist, können sie sich während dieser Zeit außerhalb ihres Wohnortes oder auch im Ausland aufhalten. Einzelheiten sind in der so genannten Erreichbarkeits-Anordnung (EAO) geregelt.
Keine Rechtssicherheit, aber auch keine Willkür!
Einen rechtssicheren Urlaubsanspruch haben ALG II-Empfänger nicht. Ein Urlaubsantrag kann zurückgewiesen werden, wenn z.B. eine Ein-Euro-Job-Vermittlung während der geplanten Ortsabwesenheit möglich ist. Eine Beurlaubung wird völlig ausgeschlossen, wenn in der geplanten Abwesenheit am Wohnort ein Saisonjob kurzfristig frei wird.
Hierzu können Aushilfstätigkeiten in Hotels- und Gaststätten sowie auch auf Messen gehören. Hat man schulpflichtige Kinder, so zeigen die Erfahrungen, dass der Urlaub in einem wesentlich höheren Maße genehmigt wird.
In dem vom SG Dortmund entschiedenen Fall sind keine Gründe ersichtlich die eine Nichtzustimmung im Sinne der EAO hätten begründen können.
Vor dem Hintergrund der Argumentation des Jobcenters erscheint auch das Argument des unbotmäßigen Verhaltens fragwürdig: Sollte das Jobcenter den Kläger in der Vergangenheit mit ähnlich absurden Begründungen drangsaliert haben, so wäre es nur verständlich, wenn er sich dagegen gewehrt hat. Der vorliegende Fall zeigt ja gerade, dass das Jobcenter juristische Nachhilfe ganz offensichtlich nötig hatte.
Rechtliche Grundlagen
Erreichbarkeitsanordnung – EAO
"(4a) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer sich ohne Zustimmung des persönlichen
Ansprechpartners außerhalb des in der Erreichbarkeits-Anordnung vom 23. Oktober 1997 (ANBA 1997,1685), geändert durch Anordnung vom 16. November 2001 (ANBA 2001, 1476), definierten zeit- und ortsnahen Bereiches aufhält; die übrigen Bestimmungen dieser Anordnung gelten entsprechend.“
Erreichbarkeit-Anordnung - EAO
Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit zur Pflicht des Arbeitslosen, Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten zu können (Erreichbarkeits-Anordnung - EAO -) Vom 23. Oktober 1997 (Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit 1997 S. 1685, ber. S. 1100) geändert durch 1. Änderungsanordnung zur EAO vom 16. November 2001 (ANBA Nr. 12 vom 28. 12. 2001 S. 1476), in Kraft ab 1. 1. 2002
Aufgrund der §§ 152 Nr. 2, 376 Abs. 1 Satz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch erläßt der Verwaltungsrat der
Bundesanstalt für Arbeit mit Genehmigung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung folgende
Anordnung:
§ 1 Grundsatz
(1) Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung kann zeit- und ortsnah Folge leisten, wer in der Lage ist, unverzüglich
1. Mitteilungen des Arbeitsamtes persönlich zur Kenntnis zu nehmen,
2. das Arbeitsamt aufzusuchen,
3. mit einem möglichen Arbeitgeber oder Träger einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme in Verbindung zu treten und bei Bedarf persönlich mit diesem zusammenzutreffen und
4. eine vorgeschlagene Arbeit anzunehmen oder an einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme
teilzunehmen.
Der Arbeitslose hat deshalb sicherzustellen, daß das Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann.
Diese Voraussetzung ist auch erfüllt, wenn der Arbeitslose die an einem Samstag oder an einem Tag vor einem gesetzlichen Feiertag eingehende Post erst am folgenden Sonn- bzw. Feiertag zur Kenntnis nehmen kann.
(2) Über Ausnahmen von diesem Grundsatz entscheidet das Arbeitsamt im Rahmen der nachfolgenden Vorschriften.
Es läßt sich von dem Ziel leiten, den Arbeitslosen beruflich einzugliedern und Leistungsmißbrauch zu
vermeiden.
(3) Kann der Arbeitslose Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung wegen der
nachgewiesenen Wahrnehmung eines Vorstellungs-, Beratungs- oder sonstigen Termins aus Anlaß der Arbeitssuche nicht zeit- oder ortsnah Folge leisten, steht dies der Verfügbarkeit nicht entgegen.
§ 2 Aufenthalt innerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs
Der Arbeitslose kann sich vorübergehend auch von seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt
entfernen, wenn
1. er dem Arbeitsamt rechtzeitig seine Anschrift für die Dauer der Abwesenheit mitgeteilt hat,
2. er auch an seinem vorübergehenden Aufenthaltsort die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 erfüllen kann
und
3. er sich im Nahbereich des Arbeitsamtes aufhält. Zum Nahbereich gehören alle Orte in der Umgebung des Arbeitsamtes, von denen aus der Arbeitslose erforderlichenfalls in der Lage wäre, das Arbeitsamt täglich ohne unzumutbaren Aufwand zu erreichen.
§ 3 Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs
(1) Erfüllt der Arbeitslose nicht die Voraussetzungen des § 2 Nrn. 1 bis 3, steht dies der Verfügbarkeit bis zu drei Wochen im Kalenderjahr nicht entgegen, wenn das Arbeitsamt vorher seine Zustimmung erteilt hat. In den ersten drei Monaten der Arbeitslosigkeit soll das Arbeitsamt die Zustimmung nur in begründeten Ausnahmefällen erteilen.
Die Zustimmung darf jeweils nur erteilt werden, wenn durch die Zeit der Abwesenheit die berufliche
Eingliederung nicht beeinträchtigt wird.
(2) Abs. 1 ist entsprechend anzuwenden
1. bei Teilnahme des Arbeitslosen an einer ärztlich verordneten Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation,
2. bei Teilnahme des Arbeitslosen an einer Veranstaltung, die staatspolitischen, kirchlichen, gewerkschaftlichen Zwecken dient oder sonst im öffentlichen Interesse liegt. Der Arbeitslose muß sicherstellen, daß er während der Teilnahme werktäglich persönlich unter der dem Arbeitsamt benannten Anschrift durch Briefpost erreichbar ist; er muß die Teilnahme jederzeit abbrechen können und sich vor der Teilnahme für den Fall der beruflichen Eingliederung glaubhaft zum jederzeitigen Abbruch bereit erklärt haben,
2. bei Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit.
(3) In Fällen außergewöhnlicher Härten, die aufgrund unvorhersehbarer und für den Arbeitslosen
unvermeidbarer Ereignisse entstehen, kann die Drei-Wochenfrist nach Abs. 1 und 2 vom Arbeitsamt
tageweise, höchstens um drei Tage verlängert werden.
(3) Abs. 1 und 2 finden keine Anwendung, wenn sich der Arbeitslose zusammenhängend länger als sechs Wochen außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereiches aufhalten will.
§ 4 Sonderfälle
(1) In Fällen des § 428 und 429 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch beträgt die Frist nach § 3 Abs. 1
siebzehn Wochen. In besonderen Fällen kann der Zeitraum nach Satz 1 mit Zustimmung des Arbeitsamtes im notwendigen Umfang überschritten werden.
Das Arbeitsamt kann den Arbeitslosen aus gegebenem Anlaß in der Verlängerungszeit vorladen.
Der Vorladung ist innerhalb eines Zeitraums von vier Wochen Folge zu leisten.
§ 5 Inkrafttreten
Diese Anordnung tritt am 1. 1. 1998 in Kraft.
Das sagen wir dazu