Die gewerkschaftlich organisierten Eheleute bewohnen zu zweit ein Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 195 m². Nach der für den Landkreis einschlägigen Richtlinie zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten sowie der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sind Haus und Grundstück unangemessen groß.
Jobcenter drängt auf Verkauf des Hauses
Auf den Antrag der Eheleute aus Oktober 2015 auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gewährte das beklagte Jobcenter nur darlehensweise Leistungen für einen Zeitraum von sechs Monaten. Es verlangte gleichzeitig die Eintragung einer Sicherungshypothek ins Grundbuch sowie den Nachweis von Verwertungsbemühungen hinsichtlich des Eigenheims.
Dabei kam für das Jobcenter nur ein Verkauf in Betracht, denn nach dessen Schätzung hatte das Haus einen Verkehrswert von etwa 85.000,00 EUR. Die Nachfrage nach Immobilien sei so groß, dass das Haus leicht zu verkaufen sei.
Die rechtsschutzgewährende Gewerkschaft sowie der Prozessbevollmächtigte der Eheleute sahen das anders. Die Eheleute hatten sich an ihre Gewerkschaft IG Bau gewandt und erhielten Vertretung durch den DGB Rechtsschutz in Stralsund.
Immobilie (gegenwärtig) unverkäuflich
Im Verfahren war das wichtigste Argument, dass die Immobilie gegenwärtig unverkäuflich ist. Denn das Haus ist nicht wesentlich modernisiert und steht in einer ländlichen Gegend, in der regelmäßig sehr niedrige Verkaufspreise erzielt werden. Ein hinzugezogener Makler war auch nicht erfolgreich.
Ein weiteres Argument war, dass nach einem Verkauf des Hauses erhebliche Verbindlichkeiten zu tilgen sind, wozu Vorfälligkeitszinsen für die Ablösung eines Kredites und ein bereits in Raten gezahlter Straßenausbaubeitrag gehören.
Am Ende war klar: Vom Verkaufserlös würde kaum etwas übrig bleiben und bei der Suche nach einer neuen Bleibe entstünden dem beklagten Jobcenter erheblich höhere Unterkunftskosten.
Sozialgericht hält darlehnsweise Bewilligung für falsch
Nachdem der Widerspruch erfolglos blieb, hatte das Sozialgericht zu entscheiden. Dieses folgte dem Vortrag der Kläger und urteilte zu deren Gunsten.
Zwar seien Haus und Grundstück unangemessen groß, jedoch sei lediglich ein Verkaufspreis von nicht mehr als 64.000,00 EUR, was in etwa dem ursprünglichen Kaufpreis entspricht, realisierbar. Das beklagte Jobcenter habe das Grundstück der Kläger ausnahmslos als Bauland taxiert, was jedoch angesichts der durch das Bauamt bestätigten schwierigen Bebaubarkeit im Rahmen der geltenden Baugesetze nicht zutreffend sein könne. Ein Großteil des Grundstückes sei daher als Gartenland und damit mit einem Preis von 20% des Baulandpreises einzuschätzen.
Richter sehen „Verschleuderung des Vermögens“ als unwirtschaftlich an
Vom erzielbaren Kaufpreis seien sodann Verbindlichkeiten von wenigstens 40.300,00 EUR sowie der Vermögensfreibetrag von 17.550,00 EUR abzuziehen. Was bleibt, sei ein Rest, der nicht ausreichen würde, um den monatlichen Bedarf von ca. 1.100,00 EUR für einen Bewilligungszeitraum von sechs Monaten zu decken.
Darüber hinaus würde der Bedarf durch die Neuanmietung einer Wohnung erheblich steigen, ein weiteres Kriterium bei der Beurteilung des Gerichts.
Es sah insofern eine Verschleuderung des Vermögens für einen kurzzeitigen Effekt als unwirtschaftlich und damit rechtswidrig an und verurteilte die Beklagte zur Umwandlung des Darlehens in einen Zuschuss.
Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig
Zwischenzeitlich befindet sich einer der Kläger wieder in Arbeit, verbunden mit der Hoffnung von Leistungen des Jobcenters nicht mehr abhängig sein zu müssen und so das gemeinsame Heim vor staatlichem Zugriff bewahren zu können.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Ob das beklagte Jobcenter sich dem nach Auffassung des Verfassers richtigen Urteil beugen wird, bleibt abzuwarten.
Hier geht es zum Urteil des Sozialgericht Neubrandenburg vom 09.11.2016:
Rechtliche Grundlagen
Gesetzestext § 22 SGB II
§ 22 Bedarfe für Unterkunft und Heizung
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.
(1a) Bei leistungsberechtigten Personen, die einer Wohnsitzregelung nach § 12a Absatz 2 und 3 des Aufenthaltsgesetzes unterliegen, bestimmt sich die Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Ort, an dem die leistungsberechtigte Person ihren Wohnsitz zu nehmen hat.
(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 3 Satz 1 Nummer 4 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll.
(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.
(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.
(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn
1.die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2. der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3. ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.
(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.
(7) Soweit Arbeitslosengeld II für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn
1. Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2. Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3. konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4. konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.
(8) Sofern Arbeitslosengeld II für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:
1. den Tag des Eingangs der Klage,
2. die Namen und die Anschriften der Parteien,
3. die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4. die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5. den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.
(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.