Zum Auskunftsverlangen des Jobcenters gegenüber dem “Partner“
Zum Auskunftsverlangen des Jobcenters gegenüber dem “Partner“

Das zweite Sozialgesetzbuch, das die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II oder auch Hartz IV) regelt, sieht in § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ein Auskunftsverlangen des Leistungsträgers gegenüber dem Partner eines AlG II-Beziehers vor. Wenn Einkommen oder Vermögen des Partners zu berücksichtigen sind, so hat dieser Partner auf Verlangen hierüber Auskunft zu erteilen.
Soweit die Regelung. Fraglich ist aber, was die Grundsicherungsträger daraus machen dürfen.

In dem vom Sozialgericht Gießen entschiedenen Fall wehrte sich der Kläger erfolgreich gegen das Auskunftsverlangen des Jobcenters. Dafür waren zwei Gründe maßgeblich:

1. Aufforderung zur Erteilung der Auskunft muss rechtsfehlerfrei sein

Zum einen wählte das Jobcenter nicht die richtige Form.
Denn es forderte Unterlagen und Angaben zu den Einkommensverhältnissen, dem Vermögen und den Kosten der Unterkunft an. Dazu sollte der Kläger Lohnabrechnungen einreichen und Anlagen ausfüllen, die zum Antrag auf Arbeitslosengeld II gehören und sich ausdrücklich an den Antragsteller richten.

In der Rechtsprechung des Bundesozialgerichts ist geklärt, dass der Leistungsträger von einem Partner, der selbst keine Leistungen beantragt, nur die Erteilung von Auskünften, nicht aber die Vorlage von Belegen verlangen kann.

Die Sozialrichter urteilten deshalb, dass die vom Jobcenter gewählte Vorgehensweise der rechtlichen Überprüfung nicht standhält. Der Kläger hätte nicht aufgefordert werden dürfen, Lohnabrechnungen einzureichen und die Anlagen zum Antrag auf AlG II auszufüllen. Es läge keine rechtsfehlerfreie Aufforderung zur Erteilung der Auskunft vor.

Hinzu kam eine weitere ganz grundsätzliche Überlegung.

2. Auskunft kann nur verlangt werden, wenn Partnerschaft unstreitig ist

Der Grundsicherungsträger kann vom Partner einer Leistungen nach dem SGB II beantragenden oder beziehenden Person überhaupt nur dann Auskunft verlangen, wenn die Grundvoraussetzung für die Anwendung der Regelung gegeben sind. Darauf stellten die Sozialrichter ab. Und das ist das Vorliegen einer Partnerschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II.

Neben Ehegatten und Lebenspartner werden davon Personen erfasst, die mit der leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenleben, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.

Und genau dies, nämlich das Vorliegen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft zwischen der Frau, die Leistungen beantragt hatte und dem Kläger, war streitig. Es war nicht geklärt, ob ein Zusammenleben im Sinne einer bloßen Wohngemeinschaft oder einer Partnerschaft im Sinne des SGB II vorliegt. Zu einer endgültigen Einschätzung dazu war wohl selbst das Jobcenter noch nicht gelangt.

Auch unter diesem Aspekt scheiterte das Auskunftsverlangen des Jobcenters gegenüber dem Kläger, der mit seiner Klage insgesamt erfolgreich war.

Anmerkung: Bei nicht geklärter Partnerschaft einstweiliges Rechtsschutzverfahren ratsam

In Fällen, in denen es um die Frage der Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft geht, und Leistungen wegen (vermeintlichem) Einkommen eines (vermeintlichen) Partners abgelehnt werden, sollte der Weg über ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren beim Sozialgericht nachgedacht werden. Wenn eine abschließende Klärung zum Vorliegen einer Partnerschaft nach dem SGB II nicht möglich ist, so machen die Sozialgerichte eine Folgenabwägungsentscheidung. Diese wird in solchen Fällen regelmäßig zugunsten desjenigen ausgehen, der Leistungen beantragt hat.

LSG Niedersachsen: Es geht für den Antragsteller um die Befriedigung existenzieller, vom Grundgesetz anerkannter Bedürfnisse

So hat das Landessozialgerichts Niedersachsen (LSG Niedersachsen-Bremen vom 14.01.2008, L 7 AS 772/07 ER) in einem ähnlichen Fall entschieden, dass die Folgenabwägungsentscheidung zugunsten des Antragstellers zu treffen ist. Zur Begründung heißt es in dieser Entscheidung, dass mit der begehrten Leistung das verfassungsrechtlich gewährleistete "soziokulturelle Existenzminimum" abgesichert wird. Für die Abwägungsentscheidung bedeute dies, dass der Antragsteller eine auf dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz - GG -) und der Verpflichtung des Staates zum Schutz der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG ) beruhende Position für sich reklamieren könne. Demgegenüber habe das Interesse der Antragsgegnerin, dass finanzielle Mittel nur den gesetzlichen Regelungen entsprechend verwendet werden dürfen, zurückzutreten. Denn: Es geht für den Antragsteller um die Befriedigung existenzieller, vom Grundgesetz anerkannter Bedürfnisse, so die Richter.

DGB Rechtsschutz in Bielefeld in ähnlichem Fall erfolgreich

Auf die Entscheidung vom LSG Niedersachsen hat sich das Büro Bielefeld der DGB Rechtsschutz GmbH in einem ähnlich gelagerten Fall berufen.
Hier war einem Verdi-Mitglied die Leistungen versagt worden wegen Verletzung der Mitwirkungspflichten. Die Frage, welche Mitwirkungspflichten dies konkret gewesen sein sollen, blieb seitens des Jobcenters unbeantwortet. Da das Gewerkschaftsmitglied mit einer Freundin zusammenlebt und diese sich geweigert hatte, dem Jobcenter Auskünfte zu ihrem Einkommen zu geben, lag es auf der Hand, dass nicht der Antragsteller selbst, sondern die Mitbewohnerin Mitwirkungspflichten verletzt haben sollte.

Der DGB Rechtsschutz erhob Widerspruch und berief sich darauf, dass die Mitbewohnerin es ganz klar abgelehnt hatte, in finanzieller Hinsicht für den Widerspruchsführer einzustehen. Da keine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft besteht und damit keine Partnerschaft nach dem SGB II, war das Einkommen der Freundin nicht zu berücksichtigen. Deshalb bestand auch keine Mitwirkungspflicht nach § 60 SGB II.

Zudem war es auch hier so, dass die Mitbewohnerin aufgefordert wurde, Unterlagen vorzulegen. Nach der Entscheidung des LSG Niedersachsen besteht keine Verpflichtung des Antragstellers, Beweismittel - etwa Urkunden - von einem privaten Dritten zu beschaffen und vorzulegen.

Dem Widerspruch wurde nach Ankündigung eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens abgeholfen. Das Verdi-Mitglied hat die beantragten Leistungen vom Jobcenter erhalten.


Das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 23.02.2016, S 22 AS 1015/14 kann hier im Volltext nachgelesen werden.

Das Sozialgericht Gießen berief sich für seine Entscheidung mehrfach auf dieses interessante Urteil des Bundessozialgerichts vom 24.02.2011, B 14 AS 87/09 R

Auch die zitierte Entscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 14.01.2008, L 7 AS 772/07 ER kann bei uns nachgelesen werden.

Informieren Sie sich weiter zu Ihren Rechten gegenüber dem Jobcenter in unseren Artikeln „Jugendamt darf von Arbeitslosengeld-II-Empfänger keine Unterhaltszahlungen verlangen“ und „Unbegründete Überprüfungsanträge bleiben erfolglos“.