Mit Urteil vom 10.02.2017 entschied das Sozialgericht (SG) Dresden, dass die Erkrankung des Innenmeniskus bei einem Profifußballer als Berufskrankheit anerkannt werden kann.
Berufsgenossenschaft lehnt Berufskrankheit ab
Seit dem siebten Lebensjahr spielte der 32 Jahre alte Kläger Fußball. Von 2003 bis 2014 war er als Profifußballer bei verschiedenen Vereinen der 1. und 2. Bundesliga im Einsatz. 2006 erlitt er einen Meniskusriss.
Im Jahre 2015 beantragte er bei der Berufsgenossenschaft (BG), eine Erkrankung des Innenmeniskus des linken Kniegelenks als Berufskrankheit anzuerkennen. Die BG lehnte die Anerkennung einer Berufskrankheit ab.
Begründet wurde dies damit, dass die Trainings- und Wettkampfzeiten insgesamt während der Profizeit zu gering gewesen sein.
Erhebliche Belastungen können zur Anerkennung der Berufskrankheit führen
Das Dresdener Sozialgericht folgte der Begründung der beklagten BG nicht und kam zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen der Berufskrankheit Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten" vorliegt.
Bei Berufssportlern bestünden nach dem aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstand - insbesondere bei Fußballspielern - erhebliche Belastungen des Meniskus. Dies könne bei mehrjähriger Tätigkeit zu einer Anerkennung der Berufskrankheit führen.
Berufsgenossenschaft hält kniebelastende Tätigkeit für unzureichend - Gutachter widerspricht
Für nicht zwingend erforderlich hielt es das Gericht, dass mindestens 1.600 Stunden im Jahr an kniebelastender Tätigkeit angefallen seien, was die BG als Grundvoraussetzung für die Anerkennung einer Berufskrankheit ansah.
Bei dem Kläger hatte der medizinische Sachverständige für dessen gesamte Tätigkeit als Berufsfußballspieler über 5.700 Stunden errechnet, während derer die Kniegelenke überdurchschnittlich belastet wurden. Damit, so das SG, sei der 2006 eingetretene Meniskusschaden durch die berufliche Tätigkeit (mit-)verursacht worden.
Dem Kläger ist somit die Möglichkeit eröffnet, von der Berufsgenossenschaft medizinische Rehabilitation und finanzielle Entschädigung zu verlangen.
Gegen den Gerichtsbescheid ist die Berufung zum Sächsischen Landessozialgericht in Chemnitz möglich. Über den weiteren Verlauf werden wir berichten.
Hier finden Sie die Pressemitteilung des Sozialgerichts Dresden vom 15.02.2017 zum Gerichtsbescheid vom 10.02.2017 - S 5 U 233/16 -
Rechtliche Grundlagen
Merkblatt zur Berufskrankheit Nr. 2102,
Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten
I. Gefahrenquellen
Chronische Meniskopathien können anlagebedingt in unterschiedlichem Ausmaß auftreten, aber auch z. B. in ursächlichem Zusammenhang mit verschiedenen Sportarten (Fußball, Tennis, Skilaufen und -springen, Slalom). Im Berufsleben muß mit einer überdurchschnittlichen Belastung der Kniegelenke (s. unter II.), z. B. im Bergbau unter Tage, ferner bei Ofenmaurern, Fliesen- oder Parkettlegern, bei Rangierarbeitern, bei Berufssportlern und bei Tätigkeiten unter besonders beengten Raumverhältnissen gerechnet werden.
II. Pathophysiologie
Eine überdurchschnittliche Belastung der Kniegelenke ist biomechanisch gebunden an eine
- Dauerzwangshaltung, insbesondere bei Belastungen durch Hocken oder Knien bei gleichzeitiger Kraftaufwendung oder
- häufig wiederkehrende erhebliche Bewegungsbeanspruchung, insbesondere Laufen oder Springen mit häufigen Knick-, Scher- oder Drehbewegungen auf grob unebener Unterlage.
Unter diesen Umständen werden die halbmondförmigen, auf den Schienbeinkopfgelenkflächen nur wenig verschiebbaren Knorpelscheiben, insbesondere der Innenmeniskus, in verstärktem Maße belastet. Dadurch können allmählich Deformierungen, Ernährungsstörungen des bradytrophen Gewebes sowie degenerative Veränderungen mit Einbuße an Elastizität und Gleitfähigkeit der Menisken entstehen.
Ein derart vorgeschädigter Meniskus kann beim Aufrichten aus kniender Stellung, bei Drehbewegungen, beim Treppensteigen oder auch bei ganz normalem Gehen von seinen Ansatzstellen ganz oder teilweise gelöst werden. Man spricht hier von Spontanlösung aus Gelegenheitsursache.
Die berufsbedingte Meniskopathie kann als Folgeschaden auch zu Arthrosis deformans führen.
III. Krankheitsbild und Diagnose
Ein chronischer Meniskusschaden kann lange Zeit unbemerkt verlaufen, kann aber auch mit Schmerzen am Gelenkspalt, medial oder lateral, und späteren Funktionsstörungen einhergehen. Ein plötzlich auftretender scharfer Schmerz, nicht selten kombiniert mit Gelenksperre deutet auf eine Einklemmung hin. Ein Gelenkerguß kann das Bild eines "Reizknies" hervorrufen. Der Gelenkspalt ist häufig wulstartig geschwollen und druckschmerzhaft.
Die Diagnose ergibt sich aus Vorgeschichte und Befund bei meist typischem Beschwerdebild. Die Untersuchung umfaßt die allgemein anerkannten Verfahren einschließlich der verschiedenen "Meniskuszeichen". Differentialdiagnostisch sind u. a. abzugrenzen:
-Meniskusanomalien,
-Osteochondrosis dissecans,
-primäre Arthropathien spezifischer oder unspezifischer Genese,
-retropatellare Chondromalazien und
-Einklemmungen von Synovialfalten und -zotten des Hoffa`schen Fettkörpers.
Verwechslungen mit der akut-traumatischen Form lassen sich oft durch die histologische Untersuchung des Operationsproduktes richtigstellen (Kapillarsprossung, bindegewebliche Vernarbung).
-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
§ 9 Berufskrankheit, SGB VII
(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.
(2) Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.
(3) Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.
(4) Setzt die Anerkennung einer Krankheit als Berufskrankheit die Unterlassung aller Tätigkeiten voraus, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, haben die Unfallversicherungsträger vor Unterlassung einer noch verrichteten gefährdenden Tätigkeit darüber zu entscheiden, ob die übrigen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit erfüllt sind.
(5) Soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen.
(6) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates
1.
Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten,
2.
die Mitwirkung der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen bei der Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind; dabei kann bestimmt werden, daß die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen berechtigt sind, Zusammenhangsgutachten zu erstellen sowie zur Vorbereitung ihrer Gutachten Versicherte zu untersuchen oder auf Kosten der Unfallversicherungsträger andere Ärzte mit der Vornahme der Untersuchungen zu beauftragen,
3.
die von den Unfallversicherungsträgern für die Tätigkeit der Stellen nach Nummer 2 zu entrichtenden Gebühren; diese Gebühren richten sich nach dem für die Begutachtung erforderlichen Aufwand und den dadurch entstehenden Kosten.
(7) Die Unfallversicherungsträger haben die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle über den Ausgang des Berufskrankheitenverfahrens zu unterrichten, soweit ihre Entscheidung von der gutachterlichen Stellungnahme der zuständigen Stelle abweicht.
(8) Die Unfallversicherungsträger wirken bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mit; sie sollen durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten in einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären.
(9) Die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen dürfen zur Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind, Daten erheben, verarbeiten oder nutzen sowie zur Vorbereitung von Gutachten Versicherte untersuchen, soweit dies im Rahmen ihrer Mitwirkung nach Absatz 6 Nr. 2 erforderlich ist; sie dürfen diese Daten insbesondere an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermitteln. Die erhobenen Daten dürfen auch zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren verarbeitet oder genutzt werden. Soweit die in Satz 1 genannten Stellen andere Ärzte mit der Vornahme von Untersuchungen beauftragen, ist die Übermittlung von Daten zwischen diesen Stellen und den beauftragten Ärzten zulässig, soweit dies im Rahmen des Untersuchungsauftrages erforderlich ist.