Die Grube Luisenthal bei Völklingen war eines der ältesten Bergwerke in Deutschland. Im Februar 1962 ereignete sich hier eine der größten Katastrophen der Bergbaugeschichte. © Adobe Stock - Von Julia
Die Grube Luisenthal bei Völklingen war eines der ältesten Bergwerke in Deutschland. Im Februar 1962 ereignete sich hier eine der größten Katastrophen der Bergbaugeschichte. © Adobe Stock - Von Julia

Eine der meistbefahrenen Bahnstrecken des Saarlandes führt durch das alte Grubengelände von Luisenthal. Hier steht seit Jahren alles still, die Anlage verfällt zunehmend. Unsere Redakteurin Susanne Theobald, selbst Saarländerin, begegnet der Geschichte des saarländischen Bergbaus seit vielen Jahren auf ihrem täglichen Weg mit dem Zug zur Arbeit. 

 

„Zwischenzeitlich sind fast alle Gebäude abgerissen, nur die Fördertürme stehen noch“, sagt sie. „Das Saarland ist klein und 1962 gab es kaum jemanden der bei dem Grubenunglück nicht Freunde oder Verwandte verloren hätte.“ Doch nach 1962 wurde zunächst weiter Kohle befördert. Das Bergwerk schloss erst 2005 endgültig. Wie inzwischen alle Bergwerke des Steinkohleabbaus in Deutschland.

Der Steinkohlebergbau ist in Deutschland Geschichte

Im August 2018 wurde in Ibbenbüren die letzte Steinkohle in Deutschland gefördert. Die letzte Zeche, das Bergwerk Prosper-Haniel in Bottrop, schloss im Dezember desselben Jahres ihre Pforten. Seitdem ist der Steinkohlebergbau in unserem Land Geschichte. Rentabel war der Bergbau in der Bundesrepublik Deutschland bereits seit Anfang der 60er Jahre nicht mehr. Er überlebte vor allem durch staatliche Subventionen. Das Steinkohlefinanzierungsgesetz vom 20. Dezember 2007 beendete die subventionierte Förderung der Steinkohle in Deutschland zum Ende des Jahres 2018. 

 

Damit ging auch ein Stück Gewerkschaftsgeschichte zu Ende. Mit der Einführung des Allgemeinen preußischen Berggesetzes 1865 wurde das staatsorientierte Direktionsprinzip im Bergbau in Preußen abgeschafft. Weil der ungehemmte Kapitalismus in den Bergwerken nunmehr fröhliche Urstände feierte, sahen sich die Kumpels gezwungen, sich in Gewerkschaften zu organisieren. Und Solidarität üben konnten sie besonders gut: unter Tage war jeder auf jeden zum Schutz des eigenen Lebens angewiesen.

Den Ausstieg aus der Steinkohleförderung bedauert heute kaum jemand

Die Geschichte des Bergbaus ist aber auch die Geschichte massiver Umwelteingriffe und Einflüsse auf das Klima. Treibhausgas-Emissionen entstehen nicht nur beim Abbau der Steinkohle, sondern auch durch deren Verwertung. Wer etwa mit Steinkohle heizt, jagt mengenweise CO2 in Luft. Es gibt daher kaum jemanden, der den Ausstieg aus der Steinkohleförderung bedauert. 

 

Den größten Einschnitt gab es selbstverständlich für die verbliebenen Kumpel. Wer sein gesamtes Erwerbsleben quasi unter Tage verbracht hatte, konnte nicht einmal eben auf einen anderen Beruf umsatteln. Der Gesetzgeber schuf deshalb Instrumente zur sozialverträglichen Beendigung des subventionierten Steinkohlenbergbaus.  

 

Aus Mitteln des Bundeshaushalts konnte Arbeitnehmer*innen im Steinkohlenbergbau, die unter Tage beschäftigt und mindestens 50 Jahre alt oder über Tage beschäftigt und mindestens 57 Jahre alt sind und aus Anlass einer Stilllegungs- oder Rationalisierungsmaßnahme bis zum 31. Dezember 2022 ihren Arbeitsplatz verlieren, vom Tag nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses für längstens fünf Jahre ein Anpassungsgeld als Überbrückungshilfe gewährt werden.

Nicht vergessen werden dürfen die vielen Opfer der Steinkohleförderung

Was nicht vergessen werden darf: die Arbeit unter Tage war nicht unbedingt gesund. Berufskrankheiten wie die „Staublunge“ und viele orthopädische Leiden wie Meniskusschäden fanden ihren Weg in die Liste der von den Berufsgenossenschaften zu entschädigenden Krankheiten hauptsächlich aufgrund von Studien im Bergbau. 

 

Die Geschichte des Bergbaus ist zudem eine Geschichte schrecklicher Unfälle: die Sprengstoffexplosion im Schacht Mathilde in Lengede 1968 mit 12 Todesopfern, die Schlagwetterexplosion in der Zeche Minister Achenbach in Lünen mit 17 Todesopfern oder der Gasausbruch im Bergwerk Ibbenbüren im August 1981 mit acht Todesopfern sind nur drei Beispiele aus Deutschland. Weltweit gibt es jährlich Todesopfer eine Vielzahl von Todesopfern im Bergbau. Im Jahr 2021 verunglückten bei drei Schlagwetterexplosionen in Bergwerken in Yantai (China), Pokrowsk (Ukraine) und Kusbass (Russland) 67 Menschen tödlich, über 100 zum Teil schwer verletzt.

Kommt ein Gemisch aus Methan und Luft mit einer Zündquelle in Kontakt, kann es explodieren.

Am 7. Februar 2022 jährt sich zum 60. Mal der Tag, an dem in der Grube Luisenthal bei Völklingen (Saarland) in 600 m Tiefe Bergleute von einer Schlagwetterexplosion überrascht wurden, von denen 299 tödlich verunglücken. Schlagwetter oder „wildes Feuer“ ist ein Phänomen aus dem Bergbau. Unter Tage entsteht ein spezielles Gasgemisch aus Methan und Luft. Durch eine Zündquelle wurde dieses Gemisch normalerweise abgefackelt.  In neuerer Zeit sollten durch Verbesserung der Bewetterung der Stollen, insbesondere durch eine Kombination von „einziehenden“ und „ausziehenden“ Schacht, Schlagwetter verhindert werden.

 

Kommt das Schlagwetter mit einer Zündquelle in Kontakt, kann das Gemisch explodieren. Steigt die Menge an Methan über einen kritischen Wert (etwa 9,5 Prozent des Gasgemischs), kann es zu einer heftigen Schlagwetterexplosion kommen, der oft auch noch eine Kohlenstaubexplosion und ein Grubenbrand folgt. 

 

Schlagwetterexplosionen kennt man im Bergbau seit etwa Mitte des 19. Jahrhunderts. 1868 kamen in Iserlohn 100 Bergleute deswegen ums Leben, das erste bekannte Grubenunglück wegen einer Explosion des „wilden Feuers“ in Deutschland. Seither gab es immer wieder Schlagwetterexplosionen in Bergwerken. 1946 kamen auf der Zeche Grimberg in Bergkamen 405 Bergleute ums Leben.

Ursache des Unglücks vom 7. Februar könnte verbotenes Rauchen im Stollen gewesen sein

Luisenthal ist ein kleiner Ort östlich von Völklingen im Saarland, inzwischen auch in die Stadt eingemeindet. Das Saarland war das älteste Steinkohlebergbaurevier Deutschlands. Die Zeche in Luisenthal bestand bereits seit 1820. Im Juni 2005 stellte sie ihren Betrieb im Zuge des Ausstiegs aus der subventionierten Förderung der Steinkohle in Deutschland ein.

 

Die Explosion im Februar 1962 war eines der größten Grubenunglücke in Deutschland. Man geht davon aus, dass die Schlagwetterexplosion von einem horizontalen Grubenbau ausging, einem sogenannten „Querschlag“, der nur unzureichend „bewettert“ war.  Es folgten dann eine Reihe von Kohlenstaubexplosionen mit verheerenden Folgen. Ungeklärt ist, welche Zündquelle die Explosion verursacht hat. Es könnte eine defekte Kopfleuchte gewesen sein. In der Nähe des Querschlags wurden aber auch Zigarettenstummel gefunden, sodass nicht auszuschließen ist, dass das Entzünden einer Zigarette Ursache war.

Als Reaktion auf das Unglück wurden neue Präventivmaßnahmen im Bergbau eingeführt

Zum Zeitpunkt der Explosion kurz vor 8.00 Uhr morgens arbeiteten 664 Arbeiter vor Ort unter Tage. Nur 61 von ihnen blieben unverletzt, 299 starben. Das Unglück führte zu einschneidenden Maßnahmen im Bergbau. So wurde ein neues Staubbindeverfahren eingeführt. Mit Hilfe von hygroskopischen Salzen wurde verhindert, dass sich in den Stollen große Mengen von explosionsgefährlichem Kohlenstaub ablagern konnte. Außerdem setzten die Unternehmen seit dem Unglück von Luisenthal mit Wasser gefüllte Tröge als Explosionssperren ein.

 

Zur Unterstützung von Opfern und Hinterbliebenen wurde damals die Stiftung Bergmannshilfswerk Luisenthal gegründet. In der Nähe der damaligen Grube gibt es heute eine Gedenkstätte, die an die Opfer des Unglücks erinnern. Sie besteht aus einem Mauerverband mit 299 Steinen, auf denen jeweils eine Kerze für einen beim Unglück getöteten Bergmann abgestellt werden kann.

 

zum Vertiefen:

„Das Grubenunglück vom 7. Februar 1962“ auf der Website „Völklingen im Wandel“:

„Feuerhölle in 600 Metern Tiefe“ auf der Website von Spiegel-Online: